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Wirtschaft: Kampf um das Steuerprivileg

Der Schrecken der Lebensversicherer ist 33 Jahre alt, Mitglied bei amnesty international und Greenpeace und setzt sich für bedrohte Völker ein. Hans Martin Bury, Anfang der 90er Jahre noch Sprecher der "Youngsters" in der SPD-Bundestagsfraktion, ist inzwischen zum wirtschaftspolitischen Sprecher aufgestiegen.

Der Schrecken der Lebensversicherer ist 33 Jahre alt, Mitglied bei amnesty international und Greenpeace und setzt sich für bedrohte Völker ein. Hans Martin Bury, Anfang der 90er Jahre noch Sprecher der "Youngsters" in der SPD-Bundestagsfraktion, ist inzwischen zum wirtschaftspolitischen Sprecher aufgestiegen. Nun macht er den Lebensversicherern die Hölle heiß. Sein Plan: Schluß mit der einseitigen Privilegierung der Lebenspolicen durch den Staat.

Geht es nach den Vorstellungen Burys, sollen künftig alle Anlageformen, die der Altersvorsorge dienen, steuerlich gleichermaßen gefördert werden. Ob Fonds, Immobilien, Versicherungen oder Bankprodukte - bis zu einer Obergrenze von angeblich 2400 DM im Jahr sollen die Erträge steuerfrei bleiben. Sollte sich Bury durchsetzen, brechen für Versicherungsvertreter harte Zeiten an. Denn bisher konnten sie ihren Kunden die provisionsträchtigen Policen mit dem staatlichen Gütesiegel verkaufen, daß allein die Lebensversicherung steuerlich gefördert wird. Sehr zum Mißfallen anderer Finanzdienstleister. "Das Steuersparargument trübt die Kritikfähigkeit der Leute", heißt es spitz bei der DWS, der Investmentfonds-Tochter der Deutschen Bank. Zwar laufen auch die neuen Altersvorsorge-Fonds "ganz gut", doch eine steuerliche Gleichstellung mit den Versicherungen würde das Geschäft beleben. Wie das im einzelnen gehen soll, ist Nebensache. "Ob Bury bei den Lebensversicherungen kürzt oder bei den Fonds aufstockt, ist uns egal", heißt es bei der DWS.

Die Versicherer sind weniger gleichmütig: Von "sozialistischer Gleichmacherei" spricht der Vorstandschef der Mannheimer Versicherungsgruppe, Hans Schreiber. Und wenn es um Bury geht, wird sein Kollege von der Debeka, Peter Greissler, ungewohnt heftig. Den SPD-Mann, der vor dem Einzug in den Bundestag Vorstandsassistent der Volksbank Ludwigshafen war, outete Greissler im "Handelsblatt" als "Bankenlobbyisten".

Doch harte Worte lösen das Problem nicht. Denn wie Bury glauben auch immer mehr Verbraucher den Werbesprüchen der Vertreter nicht mehr. Zwar rechnet die Branche für dieses Jahr noch mit einem Beitragswachstum von vier bis fünf Prozent, doch das Kundengeld fließt zunehmend in private Renten- und fondsgebundene Lebensversicherungen. Der Klassiker, die Kapitalleben, beginnt zu verblassen. Und das, obwohl die Versicherer nicht müde werden, auf deren Vorteile hinzuweisen: die garantierte Mindestverzinsung von derzeit vier, künftig aber wohl nur noch 3,5 Prozent, die Sicherheit der Altersvorsorge und die noch bestehenden Steuervorteile.

Verbraucherschützer überzeugt das schon lange nicht mehr. Denn der Garantiezins bezieht sich mitnichten auf die vom Versicherten eingezahlten Prämien, sondern nur auf den Sparanteil. "Bezogen auf den kompletten Beitrag bietet der Versicherer oft nicht mal den mageren Sparbuchzins von zwei bis drei Prozent", kritisiert die Stiftung Warentest. Doch selbst dieser entgeht den Versicherten, wenn sie den Vertrag vorzeitig kündigen. In den ersten Vertragsjahren gibt es meist nicht einmal die eingezahlten Beiträge zurück. Denn zunächst bezahlen die Versicherungen von dem Versichertengeld das Vertreterhonorar, erst später trägt das angesparte Kapital Früchte. Die Versicherten blicken kaum durch. "Legalen Betrug" nennt daher Hans Dieter Meyer, Geschäftsführer des Bundes der Versicherten, die Kapitallebensversicherung. Mangelnde Transparenz bemängelte auch jüngst das Oberlandesgericht Stuttgart in den Vertragsbedingungen des Branchenersten Allianz und kassierte die Klauseln zur Überschußbeteiligung und zu den Abschlußkosten. Sollte das Urteil rechtskräftig werden, rät der Bund der Versicherten, die Verträge zu annullieren und das Geld anderweitig zu investieren.

"Die Kapitallebensversicherung", meint Verbraucherschützer Meyer, "ist die Altersvorsorge mit der schlechtesten Rendite". Die Steuerprivilegien abzuschaffen, sei daher "längst überfällig". Doch Skepsis bleibt, vor allem angesichts der angespannten Haushaltslage. Denn ob Bundesfinanzminister Eichel wirklich bereit ist, auf die Kapitalertragsteuer aus Fonds- und Bankanlagen zu verzichten, bleibe abzuwarten. Abwarten wollen auch die Versicherer. Denn Bury ist nicht der erste, der ihr Allerheiligstes, die Steuerfreiheit der Erträge, antasten will. Durchsetzen konnte sich noch niemand. Auch dieses Mal hofft die Assekuranz auf Hilfe von oben. Im Wahlkampf habe Gerhard Schröder versprochen, das Steuerprivileg nicht anzurühren, heißt es beim Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft. Doch auf ein Machtwort des Kanzlers warten die Versicherer bislang vergeblich. Bisher redet nur einer: Hans Martin Bury.

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