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Verunsichert. In einigen Regionen, wie hier im emsländischen Lünne, wehren sich Bürger gegen neue Fördertechniken. Foto: dpa

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Wirtschaft: Kampf ums neue Gas

Hierzulande wird immer weniger gefördert. Die Industrie bietet eine Lösung an – doch es gibt Widerstand

Berlin – „Wir sind die Niedersachsen, sturmfest und erdverwachsen“, heißt es im Niedersachsenlied. Standortpolitiker aus dem Land zwischen Nordsee und Harz müssen derzeit beide Tugenden unter Beweis stellen, sonst könnte ihre Region mittelfristig einen wichtigen Wirtschaftszweig verlieren: die Erdgasförderung. Rund 95 Prozent der in Deutschland geförderten Vorkommen werden aus niedersächsischer Erde geholt, doch die leicht erreichbaren Reserven gehen zur Neige. Es gäbe eine Lösung: Förderunternehmen, allen voran der US-Konzern Exxon-Mobil, bieten an, mit neuen Technologien Gas aus tieferen Schichten und undurchlässigerem Gestein zu fördern – auch in den ehemaligen Kohlerevieren in Nordrhein-Westfalen. Erste Erkundungsbohrungen in Niedersachsen und NRW hat es bereits gegeben, bald könnten weitere Länder folgen. Doch es regt sich Widerstand.

Am Montag gab es eine erste Anhörung im Umweltausschuss des Bundestages zu dem Thema „unkonventionelles Erdgas“. Um an dieses Gas zu gelangen, wird ein Gemisch aus Wasser, Sand und Chemikalien mit Hochdruck ins Gestein gepresst, um es aufzubrechen. Das Verfahren nennt sich Fracking. Konventionelle Gasblasen müssen nur angestochen werden, bei feinporigerem Gestein kann der Rohstoff nicht so leicht entweichen. Aus Sandstein wird das Erdgas so seit Jahren in Niedersachsen gefördert, nun soll das Verfahren auch bei Kohleflözen und bei Schiefergestein angewendet werden.

Experten warnten im Ausschuss vor Risiken für die Trinkwasserversorgung. Die Zusatzstoffe, die für die Förderung benötigt werden, könnten wassergefährdend und toxisch sein, sagte Dietrich Borchardt vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung. Es gehe darum, wie das Grundwasser davor geschützt werden könnte.

Die Grünen drangen darauf, Fracking solange nicht zu erlauben, bis die Risiken besser erforscht sind. Sie müssten „von unabhängigen Gutachtern genauer untersucht werden“, sagte der Energieexperte der Grünen-Bundestagsfraktion, Oliver Krischer. Bis dahin müsse es ein Moratorium geben. Die SPD forderte, Genehmigungen nur unter strengsten Auflagen zu erteilen. Das Umweltbundesamt hatte bereits im März mitgeteilt, es halte die Technik für gefährlicher als die unterirdische Speicherung von Kohlendioxid. Ein weiteres Argument der Kritiker lautet, die Klimabilanz sei schlechter als bei herkömmlich gefördertem Erdgas, da bei der Förderung weit mehr Methan entweiche.

Bei Exxon-Mobil weist man die Vorwürfe zurück und beruft sich unter anderem auf die hohen deutschen Umwelt- und Sicherheitsstandards, die für im Ausland gefördertes Gas nicht gelten würden. Auch Hartmut Pick vom Wirtschaftsverband Erdöl- und Erdgasgewinnung, warb vor dem Bundestagsausschuss für die Methode: „Erdgas ist als CO2-armer Energieträger für die Energiewende unverzichtbar.“ Der weltweite Gasbedarf werde um 40 Prozent steigen. „Wir produzieren hier in Deutschland seit Jahren sicher und umweltschonend.“

In den vergangenen zehn Jahren hätten die Förderunternehmen in Deutschland zudem sieben Milliarden Euro an Förderabgaben gezahlt. Mit den unkonventionellen Vorkommen könne eine Verlängerung der deutschen Erdgasförderung um 18 Jahre beim jetzigen Förderniveau erreicht werden. Pick forderte, schnell Rechtssicherheit zu schaffen.

Die schwarz-gelbe Koalition will nun strenge Auflagen machen. „Eine Förderung von Schiefergas darf nur unter deutlich verbesserten Umweltschutzstandards stattfinden“, sagte der FDP-Umweltpolitiker Horst Meierhofer am Montag.

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