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KARRIERE Frage: an Jürgen Hesse Büro für Berufsstrategie

Ist das Vetternwirtschaft?

Als Leiter der Personalstelle eines internationalen Konzerns bin ich maßgeblich auch an Personalentscheidungen beteiligt. Nun habe ich ein Problem. Wir haben eine Stelle zu vergeben, die sehr spezielle Anforderungen hat – und ideal auf die Kompetenzen der Tochter meiner Cousine passt. Kann ich ihr nun raten, sich zu bewerben? Oder ist das Vetternwirtschaft?

Das doch leicht anrüchige Wort „Vetternwirtschaft“ ist eine aus der Mode geratene Bezeichnung, die Sie aus Ihrem Wortschatz getrost streichen können. An diese Stelle darf dafür der Begriff „Networking“ treten, der deutlich positiver besetzt ist und in der Arbeitswelt üblich.

Networking, auf Deutsch Netzwerken, beschreibt eine der elementarsten Grundregeln des menschlichen Zusammenlebens: sich gegenseitig zu helfen. Mit der Unterstützung anderer vereinfacht sich das Leben um ein Vielfaches. Einzelkämpfer haben es dagegen schwer.

Da nur etwa 30 Prozent aller Jobs über Ausschreibungen vergeben werden, fällt Networking als Karrierekatalysator noch mehr ins Gewicht. Die meisten Chefs, die einen Arbeitsplatz zu besetzen haben, suchen nämlich zuerst im eigenen Unternehmen (Netz) nach der neuen Arbeitskraft – im Glauben dann zu wissen, mit wem sie es zu tun haben. Dann wird im Freundes- und Bekanntenkreis nachgefragt, später eventuell ein Headhunter engagiert und erst als quasi letzte Möglichkeit zum Stellenangebot gegriffen.

Keine guten Aussichten also für Bewerber, die nur diesen letzten Kanal bei ihrer Jobsuche wählen. Aber die Tochter Ihrer Cousine hat ja das Glück, Sie zu kennen, und umgekehrt. Und schon sind wir beim zweitbeliebtesten Vorschlags- und Auswahlverfahren. Wenn niemand im „eigenen Stall“ gefunden wird, entscheidet man sich doch wenigstens für einen Kandidaten, der von jemandem empfohlen wird, dem man traut. Dazu, so verstehe ich Sie, sind Sie wohl bereit. Und darüber hinaus verfügen Sie noch über die beste Ausgangsposition. Ihr Wort hat Gewicht.

Sie wissen aber ebenso um das Risiko. Denn erweist sich Ihre Empfehlung als Flop, fällt das auch auf Sie zurück. Umgekehrt gilt das ebenfalls. Entpuppt sich die junge Dame als Hoffnungsträgerin, werden gerade Sie, aber auch andere, sich daran erinnern, dass es Ihre Empfehlung war, die jetzt Karriere macht.

Was aber Ihre Sorge anbetrifft, nicht ganz objektiv zu sein: Personalentscheidungen sind immer eine sehr emotionale Angelegenheit, bei der nur der Kopf denkt, er entscheide (während Bauch und Herz sich still anlächeln).

Sie sind doch von der jungen Frau überzeugt. Also raten Sie Ihr, sich zu bewerben.Foto: Promo

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an Jürgen Hesse

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