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KARRIERE Frage: an Jürgen Hesse Büro für Berufsstrategie

Wie ordentlich muss ich sein?

Ich habe eine Chefin, die sehr viel Wert auf ordentliche Schreibtische legt. Das geht so weit, dass sie meine Kollegen oder mich sogar ermahnt, wenn ein Nachschlagewerk nicht ganz ordentlich zugeklappt auf dem Tisch liegt oder Papiere sich stapeln, weil man gerade in einem Arbeitsprozess steckt. Ist es nicht meine Sache, wie mein Schreibtisch aussieht?

Ordnung ist das halbe Leben, aber das Genie beherrscht das Chaos. Zwischen diesen beiden sprichwörtlichen Polen bewegt sich der Ordnungssinn der gesamten Menschheit. Treffen die beiden Randpositionen jedoch aufeinander, kommt es unweigerlich zum Streit – nicht nur in der Arbeitswelt. Ihre Chefin scheint sich an einem Ende dieser Extreme zu befinden, während Sie sich wahrscheinlich eher in der Mitte einordnen würden. So gesehen besteht noch Hoffnung, diesen schwelenden Konflikt zwischen Ihnen rechtzeitig und konstruktiv zu lösen.

Fest steht: Ihre Chefin ist der Boss und darf den Ton angeben. Sie sitzt auch „am längeren Hebel“, was aber nicht bedeuten muss, dass Sie ihr nicht gelegentlich Paroli bieten dürfen. Versuchen Sie zunächst herauszufinden, was hinter der Ordnungssucht Ihrer Chefin steckt. Denn indem Sie ihre Macken durchschauen, verliert dieses Ärgernis einen erheblichen Teil seiner Kraft. Ist es die Angst vor Kontrollverlust? Ein extremes Sicherheitsbedürfnis? Oder ist sie großem Stress ausgesetzt, weil sie von oben Ziele vorgegeben bekommen hat, die kaum zu erreichen sind? Je mehr Sie dahinterkommen, was der Ordnungssucht zugrunde liegt, desto eher wird Ihre Chefin für Sie einschätzbar und ihr Verhalten vielleicht sogar verständlich. Nun können Sie besser damit klarkommen, aber auch zu adäquaten Mitteln in der verbalen Auseinandersetzung greifen.

Werden Sie wieder auf die angebliche Unordnung auf Ihrem Schreibtisch angesprochen, bleiben Sie – wenigstens rein äußerlich – kühl, ruhig und gelassen. Bitten Sie dann aber Ihre Vorgesetzte um ein Vieraugengespräch, ohne jedoch gleich „mit der Tür ins Haus zu fallen“. Soziale Kompetenz und rhetorisches Geschick sind angezeigt. Beginnen Sie mit einem positiven Statement wie: „Ich finde es toll und vorbildlich, wie strukturiert Sie arbeiten...“ Hier gilt: Wer lobt, der führt. Fragen Sie eventuell auch nach, wie zufrieden Ihre Vorgesetzte insgesamt mit Ihrer Arbeit ist. Verdeutlichen Sie ihr anschließend, dass Sie, um „ordentlich“ arbeiten zu können, die Freiheit brauchen, sich auf Ihrem Schreibtisch auch einmal ausbreiten zu dürfen. Mit dieser eher vorsichtigen und einfühlsamen Gesprächstaktik lässt sich bestimmt ein tragfähiger Kompromiss erwirken. Foto: promo

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an Jürgen Hesse

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