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Absolventen: Schneller drin

Mit der Entspannung des Arbeitsmarktes steigen die Chancen für Hochschulabgänger, gute Jobs zu finden. In welchen Branchen sich Akademiker nicht mehr mit schlecht bezahlten Praktika rumschlagen müssen.

Die Zeiten haben sich geändert. Unternehmen müssen heute auf sich aufmerksam machen, wenn sie von Absolventen bemerkt werden wollen: „Wir präsentieren uns auf Jobmessen der Universitäten“, sagt Renate Stadie, Personalleiterin des Berliner Leiterplattenherstellers Heidenhain-Microprint. Viele Unternehmen stünden im Wettbewerb um die Absolventen. „Daimler kennt jeder. Ein kleineres Unternehmen wie wir hingegen muss sich erst einmal vorstellen.“ Heidenhain-Microprint sucht an den Unis vor allem Elektrotechniker, Maschinenbauer, Chemiker. Ist man sich einig, bekommen die Jungakademiker nach dem Abschluss einen festen Job. „Einem Ingenieur werden wir bestimmt kein Praktikum anbieten“, sagt Stadie.

Noch bis zu Jahresbeginn beherrschte das Phänomen „Generation Praktikum“ die Schlagzeilen. Auch von Seiten der Politik viel kritisiert wurde die Warteschleife, in der eine große Zahl der Studienabgänger nach dem Abschluss von einem Praktikum zum nächsten pendelte. Oft unbezahlt und unter hoher Arbeitsbelastung suchten die Jungakademiker nach einem Einstieg ins Arbeitsleben. Doch nun scheint sich ein Wandel zu vollziehen. „Es gibt zu der Frage keine konkreten Daten. Doch vieles spricht dafür, dass sich die Entkrampfung des Arbeitsmarktes auf die Lage der Absolventen auswirkt“, sagt Dieter Grühn, Leiter des Arbeitsbereichs Absolventenforschung an der Freien Universität (FU) Berlin.

Erst im Februar hatte Grühn in Zusammenarbeit mit der Hans-Böckler-Stiftung des Deutschen Gewerkschaftsbundes eine Studie zur Generation Praktikum vorgelegt. Darin wurden die Aussagen von Absolventen der FU Berlin und der Universität Köln vom Wintersemester 2002/03 mit denen der Absolventen aus dem Jahr 1999/2000 verglichen. Innerhalb von drei Jahren war die Quote der Praktikanten mit Diplom oder Magister von 25 auf 41 Prozent gestiegen. Besonders ausgeprägt war das Phänomen bei den Geisteswissenschaftlern. Über die Hälfte der Befragten machte nach dem Abschluss mindestens ein Praktikum.

Inzwischen könne es sich die Wirtschaft aber kaum noch leisten, junge Leute als Praktikanten arbeiten zu lassen, sagt Grühn. „Immer dann, wenn es auf dem Akademikermarkt eng wird, besinnen sich die Firmen außerdem darauf, dass viele Aufgaben, die bei ihnen von Betriebswirten oder Juristen erledigt werden, genauso gut auch von Geisteswissenschaftlern geleistet werden können.“

Ein Praktikum nach der Ausbildung oder dem Studium sei nur dann sinnvoll, wenn Fähigkeiten und Fertigkeiten erlernt würden, die bisher nicht vermittelt worden seien, heißt es beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Die Aneinanderreihung von Praktika sei keine Zierde im Lebenslauf. Letztlich signalisiere der Bewerber damit, dass er bereit sei, sich unter Wert zu verkaufen.

„Ich kann jedem nur raten: Lassen sie sich um Gottes Willen nicht mit einem Praktikum oder einem Traineeprogramm abspeisen“, sagt Rosmarie Schwartz-Jaroß, Leiterin des Career-Centers der Humboldt Universität (HU). Vor etwa drei Jahren noch wurde Absolventen ein Praktikum für den Berufseinstieg empfohlen. Der Bewusstseinswandel kam mit der Umstellung der Studiengänge auf Bachelor und Master, sagt sie. Nun müssen wichtige Qualifikationen für den Job durch Praktika oder Kurse, die Schlüsselkompetenzen wie Gesprächsführung und Projektmanagement vermittelten, bereits im Studium erworben werden. „Wir tun inzwischen alles, um die Absolventen auf das Berufsleben vorzubereiten. Nun sollen die Unternehmen sie auch so nehmen, wie sie sind.“

Gerade die Berufsgruppen, die derzeit auf dem Arbeitsmarkt besonders gefragt sind, IT-Spezialisten und Ingenieure, können es sich leisten, nach dem Studium selbstbewusst aufzutreten. „Unsere Leute fangen nach dem Studium sofort an zu arbeiten. Praktika sind da kein Thema mehr“, sagt Reinhard Pätz, Geschäftsführer des Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) Nordost. Erste Berufserfahrung hätten die Studenten bereits während der Studienzeit gesammelt. Immer häufiger schrieben sie auch ihre Diplomarbeit in einem Unternehmen – angewandt und praxisnah. Auch der Sprecher des Bundesverbandes für Informationswirtschaft, Telekommunikation und Neue Medien (BITKOM), Maurice Shahd, rät Absolventen, sich nicht mit einem Praktikum abspeisen zu lassen: „Für Spezialisten aus dem IT-Bereich dürfte es kein Problem sein, nach dem Studium einen Job zu finden.“

Doch nicht in allen Branchen hat die gute Konjunktur so rosige Karrierechancen mit sich gebracht. Übersteigt das Angebot an potenziellen Mitarbeitern die Nachfrage bei weitem, haben es Absolventen nach wie vor schwer, den direkten Einstieg in die Berufswelt zu finden. „Im Journalismus zum Beispiel werden immer noch sehr viele Praktikanten beschäftigt“, sagt Rosmarie Schwartz-Jaroß vom Career Center der Humboldt Universität. Ein Redaktionspraktikum gilt gemeinhin als Voraussetzung für eines der begehrten Volontariate. Deren Zahl aber nimmt stetig ab. Nach einer Erhebung des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger gab es bei Tageszeitungen im Jahr 2007 nur 1093 Volontariatsplätze. Acht Jahre zuvor waren es noch 1378.

Auch in der Werbe- und Kommunikationsbranche sieht es noch nicht so aus, als sei die Generation Praktikum passé. In den großen Agenturen werden etwa ein Sechstel der Arbeitsplätze dauerhaft von Praktikanten besetzt, schätzt Robert Schimang. Der Personaler rekrutiert Fach- und Führungskräfte für Werbe-, Design- und Multimediaagenturen. „Der wirtschaftliche Druck ist groß, die Margen werden kleiner“, begründet Schimang den Bedarf. Dabei sei es nicht schwer, hoch qualifizierte Praktikanten zu finden. Als er für seinen eigenen Betrieb eine Stelle ausschrieb, waren Absolventen mit Auslandsaufenthalten keine Seltenheit.

Henning Zander

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