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Jobs & Karriere: An einem Strang

Anbieter versprechen spannendes Training mit viel Spaß. Doch nicht jeder Kurs ist auch langfristig erfolgreich. Worauf Unternehmen bei der Auswahl achten sollten

Zwei Percussionisten geben den Takt vor. Erst langsame, leichte Rhythmen, dann schnellere und schwierigere. Ihnen gegenüber sitzen rund hundert Männer und Frauen – einige im Freizeitdress, andere in Schlips und Kragen – und trommeln, was das Zeug hält: auf Percussions und Plastikfässern, mit Klanghölzern und Rasseln aus Bast. In etwa dieses Szenario erwartet die Teilnehmer eines Workshops zur Teamentwicklung an der Berliner Musikschule „Drumfactory“.

„Zu uns kommen zum Beispiel Firmen, die fusionieren, und deren Mitarbeiter sich besser kennen lernen sollen“, sagt Geschäftsführerin Kerstin Appenroth. Beim Trommeln gehe das prima. „Man hat Spaß, reißt sich gegenseitig mit und erlebt die Kollegen in einem ganz anderen Umfeld.“

Egal ob an den Bongos, im Hochseilgarten, auf hoher See oder beim Wildnistraining: Immer mehr Anbieter haben so genannte Teambuildings im Programm. Bei allerlei Aktivitäten soll fern vom Büroalltag das Wir-Gefühl gestärkt und die Zusammenarbeit verbessert werden. Und davon profitieren nicht nur die Kollegen: Ein eingespieltes Team arbeitet produktiver – und macht das Unternehmen letztlich erfolgreicher.

In der Kochschule „Kochbar Berlin“, die Teambuilding am Herd anbietet, wacht die Trainerin Margarete Beyer darüber, dass die Teilnehmer beim Schnippeln, Braten, Kochen und Verkosten tatsächlich etwas für den Arbeitsalltag mitnehmen. „Veränderungsprozesse lassen sich außerhalb des Büros, in einer angenehmen Atmosphäre einfach leichter anschieben“, findet sie. In der Küche sehe man schnell, wer ein „Macher“ sei, wer ein „Versorger“ oder wer einfach nur dastehe und die anderen arbeiten lasse. Außerdem könne man beim Kochen viel über die Kommunikation in der Gruppe lernen. Jedes Training wird mit dem Auftraggeber vorbereitet und anschließend mit den Beteiligten ausgewertet.

Die Geschäftsführerin des Anbieters „Teamgeist“, Isabell Lippold, schwört hingegen auf „Outdoortrainings“. „Draußen sieht man viel schneller, welche Charaktere es in der Gruppe gibt und wie sie miteinander umgehen.“ Beim gemeinsamen Segeln zum Beispiel säßen alle in einem Boot – im wahrsten Sinne des Wortes. „Jeder bekommt eine Aufgabe. Wenn das Schiff dann nicht wendet oder stehen bleibt, wissen alle: Da haben wohl die Absprachen nicht gestimmt.“ Der Sport eigne sich ebenfalls für einen Rollentausch. Die ewig nörgelnde Sekretärin wird von den Experten von „Teamgeist“ zum Beispiel gerne mal ans Steuer gesetzt und merkt so, dass es gar nicht so leicht ist, Verantwortung zu tragen und Befehle zu geben.

Außerdem ist bei Outdoor-Trainings die Lernbereitschaft der Teilnehmer sehr hoch, sagt Lippold. Auf dem Wasser, im Hochseilgarten oder an einem anderen spannenden Ort sind sie motivierter als im Seminarraum. Wenn die Segel schließlich eingeholt werden, geht es allerdings trotzdem genau dorthin, um das Erlebte auszuwerten. „Segeln ist nur das Transfermedium“, sagt Isabel Lippold. „Hinterher wird herausgearbeitet: Welche Konflikte gab es? Wie kann man sie lösen? Und wie kann das Team im Arbeitsalltag davon profitieren?“

Verantwortung übernehmen, sich gegenseitig helfen, ein gemeinsames Ziel verfolgen und besser mit Konflikten umgehen – all das erleben Mitarbeiter bei solchen Trainings bewusster und unmittelbarer. Doch lassen sich diese Erfahrungen auch in den Arbeitsalltag hinüberretten? Experten sind da geteilter Meinung.

Uwe Peter Kanning ist Dozent für Organisationspsychologie an der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU) in Münster und hat sich mit Outdoor-Trainings als Personalentwicklungsmethode beschäftigt. „Dass man sich in einer ganz anderen Situation erlebt als im Büro, kann anregend sein“, sagt er. „Andererseits erschwert es den Transfer des Gelernten in den Arbeitsalltag.“ Die Effekte solcher Aktionen seien kaum wissenschaftlich erforscht. Dass viele Teilnehmer sie als angenehm empfinden, ist Kannings Meinung nach kein Beleg für ihren Nutzen. „Man hatte Spaß, Nervenkitzel, einen unterhaltsamen Trainer. Aber entscheidend ist doch: Hat sich wirklich etwas verändert oder geht morgen im Büro alles weiter wie bisher?“

Damit genau das nicht passiert, ist eine professionelle Vor- und Nachbereitung wichtig. „Mit ihr steht und fällt der Erfolg“, meint Oliver Müller vom Deutschen Coachingverband (DCV). „Ein guter Teamtrainer wird im Vorgespräch überzogene Erwartungen dämpfen und realistische Ziele vereinbaren.“

Doch nicht nur Teamcoach und Teilnehmer, auch die Unternehmensführung ist für einen nachhaltigen Trainingserfolg verantwortlich. „Wer will, dass sich das Verhalten der Mitarbeiter tatsächlich ändert, muss dafür sorgen, dass das Erlernte im Alltag frisch gehalten wird“, sagt Nicola Meier von der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen, die sich mit Verhaltenstrainings in der Personalentwicklung beschäftigt hat.

Dazu gehört etwa die Evaluation: In regelmäßigen Abständen erhalten die Teilnehmer Fragebögen, in denen sie angeben, wie das Erlebte ihrer Meinung nach umgesetzt wird und was sie noch an Unterstützung benötigen. Auch die Strukturen im Unternehmen müssten stimmen. „Es hat wenig Sinn, einige Mitarbeiter in ein Training zu schicken und dann zu hoffen, dass sich ihr Verhalten ändert“, so Meier. „Dass sich wirklich etwas tut, muss von ganz oben gewollt sein.“

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