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Paul Semotam macht eine Lehre zum Anlagenmechaniker für Sanitär, Heizung und Klima (SHK). Weil die Technik immer ausgefeilter wird, steigen auch die Anforderungen an das Handwerk.

© Thilo Rückeis

Aufstiegsmöglichkeiten: Heizungskeller statt Hörsaal

Es muss nicht immer die Universität sein – auch eine Ausbildung öffnet viele Türen.

Paul Semotam ist in gewisser Hinsicht ein Exot. Nach dem Abitur entschied sich der Spandauer im Gegensatz zu vielen seiner Freunde gegen ein Studium. Stattdessen fing er eine Ausbildung an – und das auch noch im Bereich Sanitär, Heizung und Klima (SHK), einem Handwerkszweig, der in vielen Köpfen von Vorurteilen über verstopfte Toiletten und stinkende Heizungen geprägt ist.

Für den jungen Mann waren die Vorzüge seiner Wahl klar. „Ich hatte überhaupt keine Lust auf stupides Lernen und wollte lieber etwas Praktisches machen“, erzählt Semotam. Er wollte nach dem Abitur mit seinen Händen arbeiten, Dinge erschaffen. Also Ausbildung, also Handwerk, also Sanitär, Heizung und Klima.

Heute hat Paul Semotam bei seinem Ausbildungsbetrieb, der Firma Tuskulum aus Tempelhof, gerade sein drittes Lehrjahr begonnen. Und nun sieht es so aus, als ob er danach doch noch studieren wird: Energie- und Umwelttechnik. Was das bedeutet, weiß der junge Auszubildende bereits jetzt. „Nach dem Studium geht es weniger um die Arbeit auf den Baustellen, sondern mehr um die Büroarbeit, also Kundenbetreuung und Planung.“

Schon der Zusatz „Klima“ im heutigen Sanitärwesen legt nahe, dass das in vielen Köpfen noch existente Berufsbild des traditionellen Klempners oder Heizungsbauers überholt ist. Auch Semotam will mehr als das: „Mein Lieblingsgebiet sind Solaranlagen. Ich muss mich aber erst im Studium entscheiden.“ Auf die Frage, ob er denn aus ideellen Gründen diesen Zweig gewählt habe, antwortet der Azubi: „Solar ist die direkteste Art, Energie zu gewinnen. Bei einer Wärmepumpe muss immer ein Viertel als Strom eingesetzt werden, bei Pellets muss man Holz gewinnen – die Sonne ist dagegen einfach da.“

Bei der SHK-Innung spricht man heutzutage gerne vom Umwelthandwerk: Die Betriebe sorgten für eine sichere Trinkwasserversorgung und Energieeffizienz, ja, sie würden maßgeblich die Energiewende vorantreiben. Weil die dabei eingesetzte Technik immer ausgefeilter wird, steigen auch die Anforderungen an die Handwerker – egal, ob es um die richtige Einstellung von Heizungssystemen oder Solaranlagen geht, sie sind schon längst zu Fachkräften geworden.

Früher sei die Ausbildung noch getrennt gewesen in Sanitär, Heizung und Elektro, erzählt Semotam. „Als Azubi muss man heute in kürzerer Zeit dreimal so viel Stoff lernen.“ Mit Mathematik hatte Semotam im Gegensatz zu manchen seiner Azubi-Kollegen zum Glück keine Probleme. In 15 Lernfelder gliederte sich das breite Themenfeld: Von Abwasser über Gasgeräte bis hin zu umweltfreundlicher Technologie. „Es ist wahnsinnig viel und wahnsinnig unterschiedlich.“ In seinem Jahrgang seien von rund 120 Azubis aber nur eine Handvoll Abiturienten gewesen. Etwa ein Viertel hätte dafür neben der Ausbildung noch für das Fachabitur gelernt.

Ausbildung in einem kleinen Betrieb ist keineswegs eine Karriere-Sackgasse

Weil immer mehr Schüler die Schule mit dem Abitur abschließen, steigt auch die Zahl der Abiturienten, die danach eine Ausbildung anfangen. Sie würden sich aber eher zu großen Firmen hin orientieren, sagt Semotam. „Ich hatte auch überlegt, ob ich zu Siemens oder den Wasserbetrieben gehe, aber da wäre ich einer von Hunderten gewesen. Das wollte ich nicht, ich wollte direkt mit dem Chef sprechen können.“

Auch wenn viele es denken, muss eine Ausbildung in einem kleinen Betrieb keineswegs eine Karriere-Sackgasse sein. Im Gegenteil: Die Möglichkeiten sind mitunter genauso vielfältig und spannend wie die mit einem Hochschulabschluss. Man kann als Meister später seine eigene Firma führen. Oder mit einem berufsbegleitenden Studium seinen Horizont und seine Einsatzmöglichkeiten verbessern.

Gerade für Abiturienten, die die Vorzüge des lockeren Ausklingens der Schulzeit schätzen gelernt haben, ist der Start in die Ausbildung allerdings nicht immer einfach. Das hat auch Paul Semotam gemerkt. „Es war eine wahnsinnige Umstellung, das frühe Aufstehen und die wenige Freizeit.“ Dafür müsse man sich aber auch nicht so viel selbst motivieren. „Während ich in der Ausbildung war, habe ich gesehen, wie andere mit dem Studium nicht klar gekommen sind“, sagt der angehende Handwerker. „Bei der Ausbildung hingegen muss man am allerersten Tag um sieben Uhr da sein und durcharbeiten.“

Jetzt wechselt Semotam Woche für Woche Heizungen aus. „Da habe ich schnell gelernt, dass es darauf ankommt, kundenfreundlich zu sein. Am Anfang denkt man noch: Ich baue es schnell ein und gut.“ Doch Kunden seien anspruchsvoll: Alles soll sauber bleiben, nichts kaputtgehen, sie erwarten, dass die Handwerker wissen, was sie tun.

Am Montag geht die Woche in der Regel damit los, dass die alte Anlage demontiert werden muss. „Das ist das Schwerste.“ Hunderte Kilo wiegen die Maschinen – ohne Füllung. So ein Gewicht muss man erst mal über eine Türschwelle hieven. Sind die Maschinen ausgewechselt, müssen Rohre verlegt und Leitungen verbunden werden. „Dabei gilt natürlich: alles schön gerade, alles schön dämmen“, sagt Semotam. „Ich kann nicht einfach grobschlächtig da rangehen, ich muss mit Augenmaß arbeiten.“ Man müsse alles schon vorher im Kopf durchgehen. Das sei auch der Unterschied zu seinen älteren Kollegen: „Mein Ausbilder sieht die Baustelle und hat im Kopf einen Plan, wie es einmal aussieht. Das dauert bei mir noch länger.“

Nach dem Studium und spätestens nach einigen Jahren Berufserfahrung könnte das schon anders sein. Auch sein Vorgänger habe nach seiner Ausbildung angefangen, zu studieren, erzählt Paul Semotam. Insofern ist er am Ende vielleicht doch gar nicht so exotisch als Abiturient und Hochschulabsolvent im ehemaligen „Klempner- und Heizungsbauergewerbe“.

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