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Bagatellkündigungen: Wer klaut, muss gehen

In der Krise gibt es für Mitarbeiter wenig Milde. Schon eingesteckter Stift kann zur Kündigung führen.

Es begann mit zwei Pfandbons im Wert von 1,30 Euro. Es folgten: Brotaufstrich, Maultaschen und Frikadellen. In den letzten Monaten gingen mehrere Fälle durch die Medien, in denen Mitarbeiter besagte Dinge am Arbeitsplatz in Tasche oder Mund steckten und prompt die Kündigung kassierten. Bagatelldelikte oder berechtigte Gründe für den Rauswurf?

„Man kann nicht ein bisschen stehlen. Wer dem Chef vorsätzlich etwas klaut – und sei es nur einen Textmarker oder ein Radiergummi, begeht eine Straftat“, erklärt Arbeitsrechtler Henning Timm. Auch das Gericht entschied im Fall von Barbara E., besser bekannt als „Emmely", dass durch den Diebstahl der Pfandbons das Vertrauensverhältnis zwischen dem Arbeitgeber, der Supermarktkette Kaiser''s Tengelmann, und der Kassiererin nicht mehr gegeben und die Kündigung gerechtfertigt sei.

Es ist eine Warnung für alle Angestellten, denn: „Selbst ein Arbeitnehmer, der einen Stapel Akten mit nach Hause nimmt, um sie noch einmal durchzugehen – und dazu noch einen Textmarker einsteckt, den er nicht mehr zurückbringt – läuft Gefahr, entlassen zu werden", sagt Timm. Demnach hat fast jeder in seinem Job schon einmal etwas getan, wofür er hätte gefeuert werden können.

Gerade in der Krise, die viele Unternehmen zum Personalabbau zwingt, liegt allerdings die Vermutung nahe, dass solche Vorfälle genutzt werden, um Mitarbeiter zu entlassen, die betriebsbedingt schwer kündbar sind. Denn eine Auswahl unter sozialen Gesichtspunkten trifft aus Sicht der Arbeitgeber oft die Falschen: nämlich junge, engagierte Mitarbeiter, die erst kurz im Unternehmen und somit weniger geschützt sind als ältere mit einer längeren Betriebszugehörigkeit. „Solche Probleme stellen sich bei einer verhaltensbedingten Kündigung, etwa wegen Diebstahls, nicht“, erklärt Timm.

Das sieht Psychologe Manuel Tusch, Business-Coach und Co-Autor des Bestsellers „Das Frustjobkillerbuch“, ähnlich. „Diese Kündigungen wegen vermeintlicher Bagatelldelikte sind meist ein Zeichen dafür, dass ein Arbeitgeber seinen psychologischen Arbeitsvertrag verletzt sieht“, erklärt er. Dieser umfasst laut Tusch die unausgesprochenen Erwartungen des Chefs an seinen Mitarbeiter (zum Beispiel Einsatzbereitschaft und Respekt) und des Mitarbeiters an seinen Chef (zum Beispiel Anerkennung und Wertschätzung). „Wenn ich als Vorgesetzter sehe, dass einer aus dem Team nicht das leistet, was ich erwarte, werde ich ihn meist am unkompliziertesten los, wenn ich ihm ein kleines Vergehen nachweisen kann.“ JK/Tanja Könemann

JK, Tanja Könemann

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