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Bastian Fassin: "Man muss erstmal aus der Firma raus"

Der Chef des Süßwarenkonzerns Katjes, Bastian Fassin, über den Generationswechsel im Unternehmen, die Entscheidung für Kunst als Leistungskurs und Kindererziehung.

Herr Fassin, welche Rolle spielt Ihr Vater in Ihrem Berufsalltag?



Zuerst die Rolle des Vaters. Das heißt: Es ist mir sehr wichtig, dass er nicht operativ mitarbeitet – doch ich schätze seinen Rat sehr. Wenn er ein Problem sieht, denken wir darüber nach, und meistens ist auch etwas dran.

Sie selbst sind 36, Ihr Vater hat mit 65 aufgehört. Warum hat bei Katjes die familieninterne Machtübergabe geklappt, an der so viele andere scheitern?

Die Grundlage für das Gelingen eines familieninternen Führungswechsels ist Unternehmergeist. Der muss dem Nachfolger im Blut liegen. Man muss einer sein, der gerne vorne steht. Wenn sich in der Familie keiner findet, der das mitbringt, muss man sich das eingestehen und einen Externen holen. Familienmitglieder sollten außerdem nur an der Spitze arbeiten. Es verträgt sich nicht, wenn man sich irgendwo in der Hierarchie versteckt und zugleich Gesellschafter ist.

Wie hat Ihr Vater Sie denn an die Firma herangeführt?


Er hat gesagt: „Mach'' was du willst.“ Wenn er mich gezwungen hätte, wäre ich vielleicht heute gar nicht hier. Er war auch nicht dieser klassische Unternehmer, der zu Hause immer erzählt, welche Probleme es in der Firma gibt. Daheim ging es eher darum, wer in der Küche hilft oder den Rasen mäht. Als ich in der Schule Kunst-Leistungskurs nehmen wollte, da sagte er: „Ja, mach'' das, mit Zahlen hast du vielleicht noch dein ganzes Leben zu tun.“

Und so hat er Ihnen Katjes schmackhaft gemacht?


So gab es zumindest keine Antipathie. Es bringt auch nichts, einen an die Konzernspitze zu treiben, der lieber Mediziner wäre.

Wie wurde aus „keine Antipathie“ dann Interesse?

Mit der Entscheidung Betriebswirtschaft zu studieren ging es bei mir schon mal in Richtung Management. Ich habe Praktika bei anderen Konsumgüterkonzernen gemacht, bei Coca-Cola, Henkel und Cadbury Schweppes. Meine Diplomarbeit habe ich über Markenthemen geschrieben. Für meinen ersten Job habe ich mich deswegen bei Roland Berger beworben, weil es dort ein Kompetenzcenter für Konsumgüter und Handel gibt. So wurde die Idee immer konkreter.

Warum haben Sie nicht gleich bei Katjes angefangen?

Um seine Stärken und Schwächen zu entdecken, muss man erst aus dem Familienunternehmen raus. Ich halte es für wichtig, mal das Haus eines großen Konsumgüterherstellers von innen zu sehen. Sonst hat man einen riesigen Respekt vor den Giganten des Weltmarktes. Nach meiner Zeit bei Berger war ich auch noch bei Kraft. Heute weiß ich, dass die anderen auch nur mit Wasser kochen. Wer diese Erfahrung mitbringt, erkennt die Stärken und Schwächen des eigenen Unternehmens besser.

Hat Ihnen Ihr Vater früher bei der Jobsuche geholfen?


Nein, nie. Er sagte immer: „Das ist dein Ding, das ist dein Leben, du musst es selber in den Griff kriegen.“ In diesem Sinne ist es auch in unserem Gesellschaftervertrag festgehalten.

Was steht dort genau?

Dort ist klargestellt, dass man sich nicht einfach nach dem Studium auf den Chefsessel setzen kann. Man muss erst in der Wirtschaft Erfahrung sammeln und in einem externen Unternehmen eine ähnliche Position einnehmen. Wir sind heute drei Gesellschafter. Ich halte 60 Prozent, mein Vater 30 und unser zweiter Geschäftsführer Tobias Bachmüller zehn. Dazu gibt es einen unabhängigen Beirat.

Wann haben Sie sich selbst bereit gefühlt, Katjes zu leiten?

Mein Ansatz war: Ich muss gefragt werden, ob ich ins Unternehmen komme. Ich wollte nicht fragen, ob ich darf. Wer bettelt schon gerne um seinen Job? Es gab aber nie eine offizielle Stabsübergabe. Ich habe hier angefangen, als ob ich mich ganz normal beworben hätte.

Ihr Vater hat aber vor Ihrem Eintritt in die Firma einen externen Geschäftsführer eingestellt, der 20 Jahre älter ist als Sie. Ist er ein Vormund?

Keineswegs. Schließlich musste mein Vater die Geschäftsleitung abgeben, als er 65 wurde. Das hatte er selbst so im Vertrag verfügt. Da war ich noch mitten im Studium und Geschwister habe ich keine. Heute finde ich es sehr angenehm, zu zweit zu sein. Es gibt Typen, die wollen in ihrem Unternehmen der König sein. Tobias Bachmüller und ich ergänzen uns dagegen an der Spitze. So kann man einerseits schnell Entscheidungen treffen und bekommt trotzdem ehrliches Feedback.

Sieht Ihr Partner das genauso?

Ja, denn selbst wenn mein Vater und ich uns bei privaten Treffen austauschen, wir treffen keine Entscheidung ohne ihn. Er ist wie ein Familienmitglied.

An welchen Entscheidungen ist Ihr Vater noch beteiligt?

Bei wichtigen strategischen Fragen sitzt er mit am Tisch. Wenn wir ein Unternehmen kaufen, binden wir ihn ein. Vor kurzem saßen wir hier und haben eine Übernahme besprochen. Mein Vater war skeptisch, da haben wir gesagt: Okay, dann machen wir das nicht. Wenn es aber um neue Produkte oder einen Werbespot geht, beschließen wir das allein.

Bei welchen Themen gibt es Konflikte?

Bei vielen Entscheidungen gibt es kein Richtig oder Falsch. Da muss man sich dann der Meinung des anderen beugen und dennoch dahinter stehen. Richtigen Streit würde es nur geben, wenn ich das Unternehmen verkaufen wollte. Das ist wie ein altes Familienschmuckstück: Es ist zwar sehr wertvoll, doch solange es keine absolute Notsituation gibt, darf keine Generation es zu Geld machen.

Wie führen Sie Ihre Kinder an das Unternehmen heran?


Ich vermittele ihnen Werte, die ich für wichtig halte. Ich musste für meinen Führerschein im Altersheim arbeiten, das werde ich bei meinen Kindern genauso machen. Sie sollen merken, dass Leistung sich lohnt. Aus ihnen sollen Menschen werden, die der Gesellschaft dienen, sie weiterbringen. Dann werden sie auch ihre Verantwortung für die Familie erkennen und sie als Chance begreifen. HB

Das Gespräch führten Annina Reimann und Jens Konrad Fischer

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