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Berufsfindung: „Jugendliche brauchen Erfahrungen“

Was Schulpsychologin Anita Schindler rät

Frau Schindler, was machen Eltern am häufigsten falsch, wenn es um die Berufsfindung ihrer Kinder geht?

Sie projizieren Ihre Wünsche und Erwartungen auf das Kind oder später den Jugendlichen. Sie wünschen sich etwa, das die Tochter die Arztpraxis übernimmt oder der Sohn Physiker wird und nicht Musiker, weil auch der Vater in dem Beruf erfolgreich war. Oder sie versuchen ihr Kind zu motivieren, die Karriere zu machen, die sie selbst nicht geschafft haben. Musste die Mutter zum Beispiel auf den Hochschulabschluss verzichten, drängt sie die Kinder vielleicht umso mehr zum Studium. Der psychologische Aspekt aber, in welchem Beruf kann sich mein Kind seinen Neigungen entsprechend entwickeln, wird oft außer acht gelassen.

Was hilft den Jugendlichen?

Eigentlich sehr Grundlegendes. Eltern sollten eine möglichst stabile Persönlichkeitsentwicklung ihres Kindes fördern und es stärken. Sie sollten die Jugendlichen dabei unterstützen, sich von ihnen zu lösen und eigenständig Entscheidungen zu treffen. Die Kinder sollten spüren, dass die Eltern ihnen vertrauen, dass sie ihnen zutrauen, auf ein bestimmtes Ziel hinzuarbeiten und die Entscheidungen für ihre berufliche Zukunft selbst zu treffen. Denn: Die Kinder sind es, die mit der Entscheidung glücklich werden müssen.

Was können Eltern konkret tun?

Ihre Aufgabe besteht darin, Ideen zu unterstützen, zu informieren und anzuregen. Gespräche über die berufliche Vorstellung sind wichtig. Konkrete Fragen helfen weiter: Wofür interessierst du dich? Was kannst du gut? Wie willst du leben? Was ist dir wichtig? Eltern sollten die Stärken ihrer Kinder entdecken und sie fördern. Allroundtalente gibt es genug.

Wie kann man helfen, Berufsbilder zu vermitteln?

Jugendliche brauchen Praxiserfahrung. Die Eltern könnten Tochter oder Sohn mit an den eigenen Arbeitsplatz nehmen. Vielleicht kennen sie jemanden, der einen interessanten Job hat.

Kann man auch zu viel des Guten tun?

Es wäre falsch, sich zu sehr einzumischen. Eltern sollten Kontakte vermitteln. Den Anruf für einen Termin aber muss der Jugendliche selbst machen.

Wie sollte man auf unrealistische Berufsvorstellungen reagieren?

In keinem Fall abblocken. Es geht darum, die Wünsche der Jugendlichen ernst zu nehmen und nach Wegen zu suchen, wie sich das Ziel vielleicht doch realisieren lässt. Wenn ein Jugendlicher etwa Künstler werden will, sollte man das Thema Verdienst problematisieren und ihn fragen, ob er sich auch vorstellen kann, mit wenig Geld zu leben. Wer als Pilot sein Geld verdienen will, muss sich mit dem Gedanken auseinandersetzen, dass man in dem Beruf ständig mobil sein muss. Hier sollten Eltern mit anschaulichen Beispielen arbeiten.

Das Gespräch führte Marion Hartig

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