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Jobs & Karriere: „Die Anzahl der Leiharbeiter hat sich verdoppelt“

Doch der Boom in der Zeitarbeitsbranche schwächt sich ab, glaubt Wirtschaftsforscher Karl Brenke

Seit 1985 arbeitet Karl Brenke als wissenschaftlicher Referent am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Er studierte vorher Soziologie, Volkswirtschaftslehre und Statistik an der Freien Universität Berlin, wo er auch als wissenschaftlicher Assistent angestellt war. Brenke beschäftigt sich seit einigen Jahren mit der Entwicklung der Zeitarbeit in Berlin und Ostdeutschland. Er glaubt: Die Branche wächst auch in Zukunft – aber nicht so stark wie bisher.

Herr Brenke, wann begann der große Boom der Zeitarbeit?

Er begann im Jahr 2004, weil gesetzliche Beschränkungen wie die maximal zulässige Höchstdauer einer Arbeitnehmerüberlassung abgeschafft wurden. Seither hat sich die Zahl der Leiharbeiter verdoppelt. Und zum bisherigen Beschäftigungsaufschwung hat die Leiharbeit zu einem Viertel beigetragen. Etwa zwei Prozent aller Arbeitnehmer sind inzwischen Leiharbeiter.

Gibt es Berufe, die bei Zeitarbeitsfirmen besonders hoch im Kurs stehen?

Die Zeitarbeitsbranche ist im industriellen Bereich gefragt, vor allem bei Montagetätigkeiten. Auch in einigen Handwerkerberufen – beispielsweise bei Malern und Tischlern – spielt Zeitarbeit eine erhebliche Rolle. Dazu kommen Büroberufe und einfache Lagertätigkeiten. Selten werden Leiharbeiter bislang in Bauberufen eingesetzt, das verhindern spezielle gesetzliche Regelungen.

Wie viele Menschen arbeiten in solchen Arbeitsverhältnissen in der Region Berlin und Brandenburg?

In der Region arbeiteten Mitte letzten Jahres rund 35 000 Beschäftigte in der Zeitarbeitsbranche, wobei Berlin mit rund 23 000 Beschäftigten im Bundesdurchschnitt liegt und Brandenburg mit 12 000 darunter. In ländlichen und industriearmen Regionen wie Brandenburg ist Zeitarbeit noch vergleichsweise wenig verbreitet, aber auch im Aufwind.

Wird die Anzahl der Leiharbeiter in Zukunft weiter zunehmen?

Bis Mitte 2007 waren starke Zuwächse zu verzeichnen. Meine Prognose ist, dass sich das Wachstum abschwächt, weil die entleihenden Firmen verstärkt eigenes Personal einstellen.

Lohnen sich Zeitarbeitskräfte etwa nicht mehr für die Unternehmen?

Leiharbeiter wurden schon immer bei Auftragsspitzen oder Urlaubs- und Krankheitsvertretungen eingesetzt. In den letzten Jahren kam hinzu, dass vermehrt Tätigkeiten von Leiharbeitnehmern ausgeführt wurden, die früher Aufgabe der Stammbelegschaften war. Ausgeliehen wurden dabei in erheblichem Maße auch Fachkräfte. Das macht die Unternehmen allerdings abhängig vom Leiharbeitsmarkt und kann sie dazu verleiten, selbst nicht genügend in die berufliche Erstausbildung und in die Weiterbildung ihrer Mitarbeiter zu investieren. Das mag sich vielleicht kurzfristig rechnen, kann sich aber längerfristig rächen, weil dann die Fachkräfte fehlen.

Bedeutet das: In zehn Jahren wird die Zeitarbeit keine Rolle mehr spielen?

Sie wird gewiss weiterhin eine Rolle spielen – doch der Boom in der Branche dürfte sich deutlich abschwächen. Ich rechne damit, dass mehr und mehr Unternehmen erkennen werden, dass eine längerfristige Personalplanung erforderlich ist. Bisher war es nicht selten so, dass irgendwelche Betriebswirtschaftler in den Unternehmen, deren Zahl sich übrigens auch in wirtschaftlich schlechten Zeiten wundersam vermehrt hat, aus kurzfristigen Erwägungen auf die Ausgliederung von Tätigkeiten gesetzt haben. Das funktioniert mit Blick auf die Fachkräfte aber in der Zukunft immer weniger – nicht zuletzt wegen der demografischen Entwicklung. Anders dürfte es bei einfachen Tätigkeiten aussehen.

Das Gespräch führte

Maximilian von Demandowsky

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