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Gründung

© Wolff

EIN JAHR GRÜNDUNGSZUSCHUSS: Das Sprungbrett zur eigenen Firma

5100 arbeitslose Berliner haben mit finanzieller Starthilfe Unternehmen gegründet. Aufgrund der guten Konjunktur sind ihre Erfolgschancen so gut wie lange nicht mehr.

Als Heiko Wrede Ende Januar seinen Job verlor, war es für den IT-Spezialisten klar, dass er sich selbstständig macht. Sein Arbeitgeber, ein IT-Dienstleistungsunternehmen, hatte den Berliner Standort geschlossen. „Ich wusste aber, dass in meiner Branche Arbeitskräfte gesucht werden und wollte nun meine Geschicke selbst in die Hand nehmen“, sagt der 36-Jährige. Auch einer seiner Kollege liebäugelte mit der Selbstständigkeit. Die beiden beschlossen, eine GmbH zu gründen. Finanziert werden sollte das Ganze mit ihrer Abfindung – und dem neuen Gründungszuschuss der Bundesagentur für Arbeit (BA).

Rund 106 000 Arbeitslose haben die neue Förderung, die Ich–AG und Überbrückungsgeld abgelöst hat, seit der Einführung im August 2006 genutzt. In Berlin haben sich 5100 Arbeitslose mit der Unterstützung selbstständig gemacht – und damit erheblich weniger als in den Jahren zuvor. Zum Vergleich: 2003, als die Ich-AG eingeführt wurde, erhielten hier mehr als dreimal so viele Arbeitslose Existenzgründerzuschuss. Der Rückgang an geförderten Gründungen liegt wohl auch daran, dass die Voraussetzungen für einen Zuschuss strenger wurden. Neben einem aussichtsreichen Businessplan muss man jetzt laut Bundesarbeitsagentur (BA) noch mindestens 90 Tage Restanspruch auf Arbeitslosengeld I vorweisen – und den erwirbt man nur, wenn man 360 Kalendertage Beiträge in die Arbeitslosenversicherung gezahlt hat. Dann kann ein Gründer neun Monate in der Höhe des ALG I-Anspruchs gefördert werden. Zusätzlich erhält er eine monatliche Pauschale von 300 Euro mit der er freiwillig in die gesetzlichen Sozialversicherungen einzahlen kann. Das Geld ist steuerfrei und wird, wenn das Unternehmen auf einem guten Weg ist, weitere sechs Monate gezahlt. Und obwohl es weniger Antragsteller gibt: Gründer wie auch Experten haben mit der neuen Förderung gute Erfahrungen gemacht.

Wrede und sein Kompagnon zogen nicht nur die BA, sondern auch die private Unternehmensberaterin Birgit Baum zu Rate, um sich über ihre Förderungschancen zu informieren. In Berlin gibt es eine Reihe von Ansprechpartnern. Gründervereine und geförderten Beraterstellen helfen weiter. „Wir hätten uns wahrscheinlich auch ohne den Zuschuss selbstständig gemacht, aber mit der Förderung im Rücken fiel uns die Entscheidung wesentlich leichter“, sagt IT-Spezialist Wrede: Seit dem 22. Februar nun bietet er mit seinem Unternehmen Bizfits GmbH IT-Dienstleistungen an.

Das die Zahl der geförderten Gründer gesunken ist, führt BA-Experte Klaus Pohl hauptsächlich auf die bessere Arbeitsmarktlage zurück: „Damals haben sich aus der Not heraus mehr Menschen selbstständig gemacht, weil sie keine Beschäftigung gefunden haben.“ Dem stimmt auch Gründer-Experte Andreas Lutz zu. Er ist Autor und Betreiber der unabhängigen Info-Webseite www.gruendungszuschuss.de und meint: „Aufgrund der guten Konjunktur machen sich nur noch diejenigen selbständig, die das auch wirklich wollen.“ Der positive Effekt: Die Qualität der Gründungsvorhaben nehme zu, zugleich seien die Erfolgschancen aufgrund der hohen Nachfrage so gut wie lange nicht mehr. Besonders deutlich zeige sich das bei IT-Spezialisten, die oft schon kurz nach der Gründung Aufträge ablehnen müssten.

„Ein weiterer Grund ist aber auch der noch relativ geringe Bekanntheitsgrad des neuen Förderinstruments“, sagt Lutz. „Die wenigsten wissen zum Beispiel, dass der Zuschuss unter bestimmten Bedingungen auch dann bezahlt wird, wenn man selbst gekündigt hat“. Gewöhnlich hat man in den ersten drei Monaten danach keinen Anspruch auf ALG I – und damit eigentlich auch keinen Anspruch auf den Zuschuss. Auch die finanzielle Lage hat sich für die Gründer geändert: Laut Lutz beträgt die maximale Förderhöhe bei Hauptverdienern mit Kind bis zu 24 000 Euro, bei Singles bis zu 19 000 Euro. Gründer einer Ich-AG hingegen bekamen über drei Jahre insgesamt 14 400 Euro. Doch nicht für jeden bringt die neue Berechnung mehr Geld: Wer zum Beispiel Anspruch auf 500 Euro Arbeitslosengeld I hat, erhält nur bis zu 9000 Euro.

Andreas Lutz macht auf ein weiteres Problem beim neuen Gründungszuschuss aufmerksam: „Man darf sich mit der Beantragung nicht zu viel Zeit lassen.“ Immer wieder, so berichtet Lutz, gebe es Fälle, bei denen Gründer aus Unkenntnis die 90-Tages-Frist versäumten und dann keine Förderung erhielten. Auch für die Vorbereitung der Gründung rät der Experte, ausreichend Zeit einzuplanen. Denn von der Geschäftsidee über die Erstellung und Bewilligung des Businessplans sei viel zu tun. Dreh- und Angelpunkt der Gründung sei nach wie vor ein guter Businessplan mit zündender Geschäftsidee und schlüssigem Marketing- und Finanzierungskonzept. Ohne diesen gebe auch keine Bank einen Kredit für nötige Investitionen.

Die beliebte Ich-AG wurde abgeschafft, um die Ausgaben für die Bundesagentur zu drosseln, sind sich die Experten einig. Dies ist im ersten Jahr des Gründungszuschusses gelungen. 2005 hat die BA für die Förderung der Selbstständigkeit 3,2 Milliarden Euro ausgegeben (Ich-AG: 1,35 Mrd. und Überbrückungsgeld: 1,84 Mrd. Euro). Die Förderung mit dem neuen Gründungszuschuss kostete die BA in den ersten zwölf Monaten 679 Millionen Euro.

Andreas Lutz bewertet das neue Instrument positiv: „Der Gründungszuschuss stärkt das Versicherungsprinzip, indem die Leistungen stärker als bisher bei der Ich-AG an die zuvor einbezahlten Beiträge gebunden werden. Insgesamt ist er ein gelungener Kompromiss aus Ich-AG und Überbrückungsgeld.“

Auch Heiko Wrede ist zufrieden. Er hat bereits Verträge mit regelmäßigen Wartungskunden sowie einige weitere Projektarbeiten an Land gezogen. „Mit dem Gründungszuschuss haben wir unsere Existenz in den ersten Monaten gesichert. Jetzt kommen die Honorare der ersten Aufträge rein“, sagt er. Wenn sich die guten Dienste der GmbH herumsprechen, wird es die Firma auch in den nächsten Jahren noch geben, hofft der Gründer.

Sabine Demm

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