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Führungsseminar: Ein Chef wie ein Wolf

Im Wildpark Groß Schönebeck lernen Führungskräfte, wie Alpha-Wölfe ihr Rudel leiten – und kommen ins Staunen.

Plötzlich sind alle stumm – jetzt haben die Wölfe das Sagen. Schaurig schallt Wolfsgeheul weit über das Gelände des Wildparks Groß Schönebeck in Brandenburg. Die wehklagenden Töne formieren sich zu einem Kanon, der Gänsehaut hervorruft. Selbst die Luft scheint von den langgezogenen Tönen zu vibrieren. Gebannt lauscht die kleine Gruppe aus sechs angehenden Managern dem wölfischen Gesang. „Natural Leading - Was Führungskräfte von Wölfen lernen können“, lautet das Motto des Tages.

„Mit dem Heulen des Wolfes wird die Gruppe zusammengerufen und das Gemeinschaftsgefühl gestärkt“, erklärt Seminarleiterin Janet Nagel. Westeuropäer, die beim Thema Wolf schnell an bösartige Märchenbestien denken, wollten es oft kaum glauben: Aber Wölfe seien die perfekten Teamplayer. „Im Rudel kooperieren sie, folgen eindeutigen Regeln und haben eine glasklare Kommunikation“, sagt die promovierte Ingenieurin der Energie- und Verfahrenstechnik Nagel, die seit einigen Jahren als Beraterin und Coach arbeitet. Davon könnten sich Führungskräfte etwas abgucken. Denn für schlechte Stimmung in der Firma gebe es oft genug einen ganz einfachen Grund: Kommunikationsprobleme.

Seit gut einem Jahr setzt die Managementtrainerin die tierischen Vorbilder im Wildpark in der Schorfheide gezielt für ihre Seminare ein. Mit Vorträgen und Wolfsbeobachtungen will sie Führungskräften zu einem anderen Blick auf das eigene Verhalten verhelfen. Am Gehege stehend räumt die 44-Jährige mit Vorurteilen über die Tiere und Chefstärke auf: „Die Führung wird bei den Wölfen nicht nur durch das Recht des Stärkeren bestimmt.“ Die Leitwölfin und der Leitwolf seien äußerst fürsorglich und hätten eine große Vorbildfunktion für die jüngeren Wölfe. Das Fazit für Chefs: Nicht Aggressivität, Machtgehabe oder Druck führen zum Erfolg, sondern die Ausstrahlung von Ruhe und Gelassenheit.

Der Alphawolf Nanuk ist in dem abgezäunten Waldareal leicht zu erkennen. Aufrechte Körperhaltung und erhobener Kopf strahlen seinen Rang aus. Er schart das Rudel um sich, sucht die Kommunikation und baut so ein starkes Netzwerk auf. Denn für Stabilität sind vor allem Gebärden, Rituale und Fürsorge wichtig. Rangkämpfe spielen außerhalb der Paarungszeit eine eher untergeordnete Rolle. „Das kann dann schon mal das Bild, das manch einer vom Führen hat, gewaltig über den Haufen werfen“, hat Nagel, die mit Führungskräften namhafter Baumaschinenhersteller oder internationale Pharmaunternehmen arbeitet, schon häufiger beobachten können. Oft seien die Teilnehmer erstaunt, wie besorgt die Alpha-Tiere sich um ihr Rudel kümmerten. Manager dagegen übersähen gerne mal, dass es um gemeinsame Ziele gehe, für die alle Kräfte nötig seien.

Zu den Seminarteilnehmern an diesem kalten Tag gehört auch János Büchner, der als Geograf ein wissenschaftliches Forschungsprojekt leitet und in die freie Wirtschaft wechseln will. Er ist überzeugt: „Seminare wie diese helfen beim Reflektieren der eigenen Position und Mechanismen in einem Unternehmen“. Denn auch im Wolfsrudel gibt es eine komplexe Rangfolge, die eine sehr wichtige Rolle für das funktionierende Zusammenleben darstellt. Nach den Alphatieren, die für Ruhe und Ordnung sorgen, folgt der Beta-Wolf als Durchboxer und verlängerter Arm des Chefs. Den unteren Teil des Rudels bildet die große Gruppe der so genannten subdominanten Erwachsenen, deren Aufgabe es ist, den Nachwuchs der Alphapaare aufzuziehen. Denn auch das ist ganz klar geregelt: nur die Leitwölfe dürfen sich vermehren.

Jeder Wolf weiß genau, wo er steht. Mit Abstand der letzte in der Rangordnung ist der Omega-Wolf, vergleichbar mit schwachen, unsicheren Mitarbeitern. Er erfüllt die Rolle des Sündenbocks. Timo, der ergraute Omega-Wolf in der Schorfheide hat da nochmal Glück gehabt. Da er als Alpha-Wolf besonders fürsorglich war, wird er auch als Rangunterster vergleichsweise gut behandelt. „Auch das sollten sich Manager merken – man bekommt alles zurück“, sagt Nagel. Tiere tauchen immer häufiger in den Angeboten für Führungstrainings auf. „Die Arbeit mit Tieren als Trainingspartnern kann als Ergänzung zu weiteren Maßnahmen der Führungkräfte-Entwicklung durchaus sinnvoll sein, da sie den Teilnehmern neue Perspektiven eröffnet", sagt Carola von Enckevort. Sie ist Vorstandsmitglied im Deutschen Verband für Coaching und Training e.V. und Inhaberin von „Intenzio - Management Entwicklung“. Doch der Knackpunkt ist und bleibt die Umsetzung. Im Vordergrund sollte daher die professionell begleitete Frage stehen: Was sagen mir mein Gefühl und mein Verhalten in der Arbeit mit den Tieren über mich? Sonst laufe man Gefahr, das Verhalten der Tiere zu vermenschlichen, warnt Enckevort. Auch Seminarleiterin Nagel hebt hervor: „Bei den Trainings geht es darum sich anregen zu lassen, nicht Verhaltensmuster zu übernehmen“.

Ganz billig ist das Lernen von Wölfen nicht. 1500 Euro Tagessatz müssen Unternehmen hinlegen, die ihre Mitarbeiter zu den Tier-Trainings von TeamVenture schicken. Ursprünglich gründete Janet Nagel TeamVenture gemeinsam mit ihrer Partnerin Stefanie Wachter als Sportpark in der Rummelsburger Bucht, um mit Outdoor-Trainings Teamentwicklungen voranzubringen. Doch ihr Faible für Hunde und Wölfe ließ sie auf die Idee mit den Schulungen im Schorfheider Wildpark kommen, die im vergangenen Jahr bereits achtmal stattfanden. Möglich sind die Seminare, weil die Wölfe durch Handaufzucht an Menschen gewöhnt sind.

Heike Dettmar

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