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Gegen das Klischee: Frauensache - Wenn Frauen sich für typische Männerberufe entscheiden

Zum Girls’Day am Donnerstag laden Unternehmen jedes Jahr Mädchen ein, um sie für Technik und Handwerk zu interessieren. Drei Frauen zeigen, wie man im Labor, in der Autowerkstatt oder im OP Karriere machen kann.

DIE KFZ-MEISTERIN

Sie hatte schon immer ein Faible für Autos. Als Simone Palm 14 war, blieb sie vor jedem Oldtimer stehen, der an der Straße parkte. Sie mochte den Geruch von neuen Reifen und las begeistert die Reparaturberichte in Automagazinen. Nach dem Abitur hatte sie dann zwar Jura studiert und wollte Anwältin werden. Doch es kam anders. Heute, mit 43 Jahren, ist sie Kfz-Meisterin – und eine von zwei Chefinnen in einer Autowerkstatt in Spandau.

Sie war Anfang 20, als sie sich für einen neue Karriere entschied. Sie verschickte drei Bewerbungen, eine davon an die BVG. Dort wurde sie genommen, in drei Jahren ließ sie sich zur Kfz-Mechanikerin ausbilden, sie war die einzige Frau in ihrer Gruppe. „Und das ging so weiter“, sagt sie. In der Lkw-Firma, in der sie anschließend arbeitete, war sie von Männern umgeben. Und auch in ihrem eigenen Betrieb in Spandau sind bis auf einen weiblichen Azubi nur Männer beschäftigt. „Es gibt zu wenige Bewerberinnen“, sagt sie. Junge Frauen hielten die Lehre oft nicht durch. „Sie wissen nicht so recht, was sie beruflich erreichen wollen und lassen sich von Sprüchen der Männer abschrecken.“

Simone Palm hatte seit der Ausbildung ihr Ziel klar vor Augen: Sie wollte Meisterin werden und eine eigene Firma gründen. Blöde Sprüche musste sie sich auf dem Weg dorthin selten anhören. „Ich hatte wohl Glück“, sagt sie. Es gab aber auch weniger glückliche Phasen. So habe sie auch selbst Männerwitze erzählt, um anerkannt zu werden. Heute habe sie das nicht mehr nötig. Sie setze Strategien gegen Vorurteile ein. Steht sie etwa als Ausbilderin vor einer Klasse von Gesellen, bleibt die ausgeschnittene Bluse im Schrank, sie kleidet sich „neutral“. Fachliches vermittelt die Expertin erst in der zweiten Stunde, wenn sich die Teilnehmer von dem „Schock“ erholt haben, dass eine Frau vorne steht.

Weibliche Vorbilder hatte sie keine, aber einen Ausbilder, der sie unterstützte. Auch ihre Mutter hat sie wohl geprägt, sagt Simone Palm. Als sie ihr erstes Fahrrad bekam, war sie es, die ihr zeigte, wie man Schläuche repariert. Als sie ihr erstes Auto fuhr, brachte die Mutter ihr bei, wie man den Ölstand misst und Reifen wechselt. Schmierige Hände haben ihr nie etwas ausgemacht. Nach der Arbeit werden sie geschruppt. Das ist heute noch so.

Inzwischen kommt die Autofrau aber seltener mit öligem Werkzeug in Kontakt. Sie ist zur Managerin geworden, verteilt die Aufgaben an die zwölf Mitarbeiter, führt Endkontrollen von Fahrzeugen durch, diagnostiziert per Computer Fehler im elektronischen System.

Immer wieder muss sie Kunden erklären, dass sie durchaus technische Fragen beantwortet. „Es gibt heute die gleichen Vorurteile wie vor 20 Jahren“, sagt sie. Als Chefin und unter Kollegen fühlt sie sich jedoch akzeptiert. „In der Fachwelt kommt es nicht darauf an, ob man eine Frau ist, sondern auf das, was man kann.“

DIE HERZCHIRURGIN

Eva Maria Delmo Walter beginnt den Tag mit einem Becher Kaffee. Sie streift sich den grünen Kittel über und die feinen Plastikhandschuhe. Es ist sieben Uhr morgens. Die erste Operation steht an. Der kleine Patient liegt auf dem OP-Tisch, Assistenzärzte und Schwestern, der Kardiotechniker und der Narkosearzt sind bereit. Jetzt liegt alles in ihrer Hand. Sie schneidet die Haut auf und öffnet den Brustkorb. Die Herzlungenmaschine übernimmt den Kreislauf, das Herz ruht. Mit ein paar Stichen näht sie das Loch in der Vorkammer, repariert, was defekt ist. Dann schließt sie die Wunde. Zwei Stunden braucht die Ärztin für einen solchen, recht unkomplizierten Eingriff. Eine halbe Stunde, manchmal etwas länger, bleibt ihr bis zur nächsten Operation.

Eva Maria Delmo Walter ist Chirurgin am Deutschen Herzzentrum Berlin. Sie ist die einzige Fachärztin auf dem Campus der Virchowklinik, die Herzen operiert. Ihre Patienten sind hauptsächlich Kinder.

„Es ist ein harter Job“, sagt die 37-Jährige. Stundenlang steht die zierliche Frau im OP. Jeder Handgriff muss sitzen. Feste Arbeitszeiten kennt sie nicht. Zwischen 18 und 20 Uhr verlässt sie die Klinik. Zuhause wartet die Familie, gemeinsames Essen, gemeinsame Zeit. Bis der 12-jährige Sohn im Bett verschwindet. Dann setzt sie sich an den Schreibtisch und arbeitet an ihrer wissenschaftlichen Habilitation.

Sie hat sich selten darüber Gedanken gemacht, dass es kaum Frauen gibt, die als Chirurginnen arbeiten. Es hat sie nicht gestört, dass sie in der Ausbildung oft der einzige weibliche Arzt war. Sie hat sich immer anerkannt gefühlt, von Kollegen, von Schwestern, von den Eltern ihrer kleinen Patienten.

„Es kommt auf die Kompetenzen an. Dass ich eine Frau bin, hat nie eine Rolle gespielt.“ Es gibt allerdings etwas, was ihr die männlichen Kollegen voraus haben: Sie sind kräftiger. Doch auch damit kommt sie klar. „Ich bin keine Superfrau, die alles können muss. Ich kenne meine Grenzen.“ Wenn sie mal einen Erwachsenen operiert, drückt sie die Säge einfach dem Assistenzarzt in die Hand und bittet ihn, den Brustkorb zu öffnen.

Ihrem Anspruch als Ärztin werde sie gerecht. Ihrem Anspruch als Mutter und Ehefrau nicht immer, sagt sie. Du vernachlässigt deine Familie, meldet sich gelegentlich ihr schlechtes Gewissen. Während du das Leben von Kindern rettest, lässt du deinen Sohn allein. Die soziale Verantwortung als Arzt steht manchmal über der moralischen Verantwortung als Mutter, rechtfertigt sich dann die Medizinerin.

„Eine Frau braucht drei Dinge, um beruflich erfolgreich zu sein“, sagt sie: die Bereitschaft, auf etwas Privatleben zu verzichten, eine Familie, die hinter ihr steht, und eine gute Arbeitsatmosphäre.

Nach einem langen Arbeitstag denkt sie oft an die operierten Kinder, die sie bei der Visite aus ihren Krankenbetten anlachen. Dann weiß sie, dass sie den richtigen Beruf gewählt hat. „Herzen zu operieren ist etwas ganz Besonderes“, sagt sie. „Da ist man ganz nah am Leben.“

DIE NATURWISSENSCHAFTLERIN

Sie ist fasziniert von den kleinen Dingen des Lebens. Wenn sich Janina Kneipp an ihr Spektrometer oder das Mikroskop setzt, ist sie den Molekülen, auf der Spur, den kleinen Teilchen, aus denen sich die Welt zusammensetzt. Dann konzentriert sie sich ganz auf das, was sie unter dem Objektiv sieht. Sie sammelt Daten, vergleicht sie. Und hofft, Entdeckungen zu machen, die irgendwann einmal bei der Bekämpfung von Krankheiten eine Rolle spielen.

Ihr Labor an der Humboldt-Universität in Adlershof ist noch nicht eingerichtet. Ein paar Geräte stehen einsam im Raum. Erst zu diesem Sommersemester wurde Janina Kneipp auf eine Juniorprofessur für „Analytische Chemie und Prozessanalytik“ berufen. Die Stelle wurde von der Uni und der Bundesanstalt für Materialforschung ausgeschrieben.

Die Berufung war ein wichtiger Schritt in ihrer Karriere. Die 33-Jährige gehört zu den jüngsten Professoren in Deutschland. Das macht sie stolz, das konfrontiert sie aber auch mit neuen Konflikten. In der Endphase der Bewerbung trat sie ausschließlich gegen männliche Konkurrenten an. „Frau oder Mann, das hat bisher nie eine Rolle gespielt“, sagt sie. Doch nun ahnt sie, dass das anders werden könnte.

Im Studium, während der Doktorarbeit und noch in der Postdoc-Zeit hat sie sich nie benachteiligt gefühlt. Sie verstand sich gut mit ihrem Doktorvater, arbeitete in jungen, gemischten Forscherteams in den Niederlanden und den USA. „Kompetenzgerangel gab es eigentlich nie“, sagt sie. Jetzt, weiter oben auf der Karriereleiter, gibt es jedoch immer weniger Frauen, und der Wettbewerb wird härter.

Janina Klein steht jetzt oft männlichen und meist älteren Kollegen gegenüber. Plötzlich ist sie eine Frau in einer Männerwelt und denkt darüber nach, wie sie sich verhalten soll. Plötzlich hinterfragt sie sich selbst, glaubt, sie müsse beweisen, was in ihr steckt. „Solche Probleme haben Männer seltener“, meint sie, und ärgert sich über die Energie, die sie mit solchen Gedanken verschwendet. In fachliche Debatten wäre sie besser investiert.

„Es fehlt Frauen auch an bestimmten Kommunikationswegen“, meint die Wissenschaftlerin. Eine junge Frau könne etwa schlecht einen älteren Wissenschaftler nach einer Konferenz zu einem Bier einladen. Männer hätten da leichter Anknüpfungspunkte. Von Fraueninitiativen indes hält sie nicht viel: „Was nützen Kontakte in einem isolierten Netzwerk, in dem nur wenige Frauen aus höheren Positionen vertreten sind?“, fragt sie. Janina Kneipp zählt auf die Politik. „Frauenkarrieren müssen gefördert werden, auch mit Quotenfrauen.“ Nur so könne man die vorhandenen Strukturen aufweichen.

Dass Frauen gegenüber Frauen weniger Hemmungen haben, Kontakt aufzunehmen, hat sie bereits in der kurzen Zeit an der Humboldt-Uni bemerkt. Sie ist gerade dabei, eine neue Forschergruppe aufzubauen. „Es sieht aus, als würde das eine reine Forscherinnengruppe werden.“ Praktikantinnen, Diplomandinnen und Doktorandinnen haben sie angesprochen. Sie nimmt es mit Humor. Aber auch männliche Wissenschaftler sind in ihrem Labor willkommen, sagt sie. Die Zeiten der Ausgrenzung sollten vorbei sein.

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