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GENERATION PRAKTIKUM Wie sich die Zeiten geändert haben: Von der Uni ins Team

Von Ausbeutung keine Rede mehr: Akademiker sind auf dem Arbeitsmarkt gesucht wie nie. Deshalb haben auch Praktikanten gute Chancen, übernommen zu werden. Wie man das richtige Unternehmen findet

Vollzeitarbeit ohne Lohn, ohne Urlaub, ohne Betreuung: So in etwa ist das Schicksal der „Generation Praktikum“ vor einigen Jahren beschrieben worden. Der Begriff steht seither für das Phänomen, dass gut ausgebildete Hochschulabsolventen keine feste Stelle finden, und sich deshalb in unbezahlten Praktika monate-, manchmal jahrelang ausbeuten lassen. Doch das war früher, als Arbeitsplätze rar gesät waren. Heute haben Akademiker beste Chancen auf eine Stelle. Praktika sind kein Muss mehr, um überhaupt am Arbeitsleben teilzunehmen. Sie sind wieder das, was sie eigentlich sein sollten: eine Orientierungshilfe bei der Berufswahl – und gleichzeitig eine Empfehlung an den zukünftigen Arbeitgeber.

Stephanie Schropp interessiert sich seit einiger Zeit für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Sie studiert an der Berliner Fachhochschule für Technik und Wirtschaft (FHTW) Wirtschaftskommunikation, mit Klimaschutz hat sie sich nie näher befasst. Das ändert sich jetzt: Die 28-Jährige ist seit vier Monaten Praktikantin bei co2online, einer Beratungsgesellschaft, die Umweltkampagnen entwickelt. Zu ihren Aufgaben gehört auch Kopieren und Kaffeekochen – aber das ist längst nicht alles. Die Praktikantin arbeitet an einem neuen Projekt mit, sucht Sponsoren, bereitet Termine vor, kümmert sich um Versand und Produktion von Informationsmaterial.

Wie Stephanie machen vor allem Sozial-, Geistes- und Wirtschaftswissenschaftler während des Studiums Praktika, sagt Rosmarie Schwartz-Jaroß, Leiterin des Karrierecenters an der Humboldt-Universität. In einigen der neuen Bachelor- und Masterstudiengänge sind Praxiserfahrungen jetzt fester Bestandteil der Studienordnung. Das entspricht dem Anspruch der Berufswelt: Viele Arbeitgeber setzen praktische Erfahrungen bei Berufseinsteigern inzwischen voraus.

Einblicke in die Arbeitswelt kommen aber nicht nur Geistes- oder Wirtschaftswissenschaftlern, sondern Studenten aller Fachbereiche zugute. „Ein Praktikum sollte man nicht nur für den Lebenslauf, sondern auch für sich selbst machen“, empfiehlt Bettina König von Fairwork, einem Praktikantenschutzverein von Hochschulabsolventen für Hochschulabsolventen. Hier können sich Praktikanten beraten lassen. Auf der Webseite von Fairwork werden Erfahrungsberichte ausgetauscht. Außer fachbezogenen Fertigkeiten lerne man während eines Praktikums viel über die eigene Person, sagt König. Man trainiere zum Beispiel Teamfähigkeit, Auftreten und Selbstwertgefühl. Diese Fähigkeiten sind im Berufsleben gefragt – und helfen auch persönlich weiter.

Bei kleinen Firmen wie co2online müssen Praktikanten vor allem ins Team passen, sie setzen bei der Auswahl besonders auf persönliche Sympathie. Stephanie Schropp ist als Mitarbeiterin voll eingeplant. In weltweit operierenden Unternehmen wiederum spielen bei der Einstellung vor allem gute Noten eine Rolle. Bei der Deutschen Bahn etwa haben außer Wirtschaftswissenschaftlern und Juristen vor allem angehende Ingenieure gute Chancen. Bundesweit stehen in diesem Jahr mehr als 1000 Praktikumsplätze zur Verfügung, sagt Volker Westedt, Leiter der DB-Nachwuchsgewinnung. Die Übernahmechancen sind gut: „In manchen Bereichen rekrutieren wir fast drei Viertel aller Nachwuchsführungskräfte aus ehemaligen Praktikanten“, sagt Westedt.

Auch bei co2online ist der Berufseinstieg nach dem Praktikum möglich. Die Betreuerin von Stephanie Schropp war früher selbst einmal Praktikantin in der Beratungsfirma. Das war 2005. Wenige Monate nach Praktikumsende wurde die studierte Biologin als Projektmanagerin eingestellt. Jetzt weist sie Stephanie an.

Nicht nur die Aufgaben und das Arbeitsklima stimmen bei co2online, sondern auch das Gehalt. Für 39 Stunden in der Woche bekommt die Praktikantin 400 Euro im Monat. „Ein unbezahltes Praktikum könnte ich mir nicht leisten“, sagt Stephanie. BaföG und Gehalt decken die Fixkosten. Dass man in einem Praktikum angemessenen entlohnt wird, hält Bettina König für selbstverständlich: „Praktikanten – ob mit oder ohne Hochschulabschluss – bringen der Firma einen Mehrwert. Das müssen sie nicht umsonst tun.“ Schließlich bekämen auch Auszubildende Geld. Für Praktikanten während des Studiums sei eine Aufwandsentschädigungen von 200 bis 400 Euro im Monat üblich. Absolventen hingegen sollten mindestens 600 bis 800 Euro fordern, rät König.

Für faire Arbeitsbedingungen, dazu zählt neben der festgelegten Praktikumsdauer und einem Betreuer auch die Entlohnung, vergibt der Praktikantenverein seit Jahresbeginn das Fairwork-Prädikat. Co2online hat es bereits. Fairwork überprüft auch dort regelmäßig, ob die geforderten Richtlinien eingehalten werden.

Als Faustregel gilt: Praktika ja – aber nicht nach abgeschlossenem Studium, rät König Akademikern. „Wenn es wirklich nicht anders geht, muss ein Absolvent zumindest angemessen bezahlt und nach den üblichen arbeitsrechtlichen Bestimmungen beschäftigt werden“, schränkt sie ein. Es müsse zum Beispiel ein geregelter Urlaubsanspruch und eine festgeschriebene Arbeitszeit vereinbart sein. Wichtig sei es, nach dem Uni-Abschluss nicht von einem Praktikum ins nächste zu stolpern.

Eine Alternative für den Einstieg in den Beruf könnte laut König auch die Zeitarbeit sein: „Die ist zwar auch meist schlecht bezahlt, aber besser als ein Praktikum.“ Zwischen zwei und fünf Jahre brauche ein Berufseinsteiger, bis er auf dem Arbeitsmarkt Fuß gefasst habe. Praktika sollten dabei aber nur der Anfang sein.

Christina Kohl

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