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© dpa

Henkel-Vorstand Kasper Rorsted: „Für nichts bekommt man auch nichts“

Kasper Rorsted, Vorstandschef von Henkel, über kritische Situationen in seiner Karriere, Recruiting in der Krise und seinen Nebenjob als Kloputzer.

Herr Rorsted, Sie waren mit Mitte 30 bereits für 40 000 Mitarbeiter verantwortlich und haben einen Umsatz von 20 Milliarden Euro verantwortet. Wie haben Sie das geschafft?



Ich habe manchmal das Glück gehabt, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Zur Karriere gehört aber sicherlich auch eine Portion Risikofreudigkeit bei Entscheidungen, oder wie es in Deutschland heißt: „Wer nicht wagt, der nicht gewinnt.“ Und dann habe ich eine Familie, die akzeptiert, dass ich leider nur wenig Zeit zu Hause verbringe.

So früh solche Verantwortung übertragen zu bekommen, kann ja auch schiefgehen. Gab es mal kritische Situationen in Ihrer Karriere?

Ja, natürlich. Im Rückblick sieht immer alles sehr rosig aus. Die Realität ist aber nicht selten eine andere. Im Laufe der Jahre gab es auch bei mir schwierige Phasen. Dazu gehörte ein Karriereknick, den ich im Jahr 2004 hatte. Da muss man sich natürlich die Frage stellen: Was ist passiert? Was hast du falsch gemacht? So eine Erfahrung hilft aber sicherlich dabei, nicht die Bodenhaftung zu verlieren.

Was war das für ein Karriereknick?

Ich war Europachef von Compaq, der damals größten Computerfirma in Europa. Wir sind dann 2002 von Hewlett-Packard übernommen worden, und ich wurde Europachef von Hewlett-Packard. Etwa zwei Jahre später wurden über Nacht mehrere ehemalige Compaq-Manager entlassen. Ich habe das erfahren, als ich mit meiner Frau und meinen Kindern im Urlaub am Strand saß. Am Telefon sagte man mir: „Kasper, I’m sorry to say that, but we’re firing you.“ Dieser Rausschmiss war schon hart, zumal ich erst vier Wochen zuvor das Angebot angenommen hatte, für Hewlett-Packard in die USA zu gehen. Das muss man erst einmal verdauen.

Wie ging es dann weiter?

Ich hatte das große Glück, dass ich innerhalb eines Monats elf andere Jobangebote bekommen habe. Das hat mich dann wieder aufgebaut. Ich war damals 42 Jahre alt und hatte keine Eile, irgendeine Entscheidung zu treffen. Mit Henkel war ich dann über einen längeren Zeitraum in Kontakt. Und ich habe mir überlegt, wenn ich einen Branchenwechsel machen möchte, dann ist jetzt genau der richtige Zeitpunkt. Mit 42 bin ich immer noch jung genug, um etwas ganz Neues zu lernen. Und so habe ich dann für mich eine fantastische Entscheidung getroffen. Ich habe den Vertrag bei Henkel unterschrieben und mir dann eine kurze Auszeit gegönnt. Von Ende Dezember bis Anfang April konnte ich für fast vier Monate Skifahren gehen. Ich bin mit großem Einsatz und Schnelligkeit durch mein Studium gegangen, hatte bis dahin wenig freie Zeit für mich und freute mich umso mehr über diese Gelegenheit.

Wie haben Sie den Wechsel geschafft, von der Hightech-Industrie zum Konsumgüterhersteller und auch von einem amerikanischen Unternehmen zu einem deutschen Familienkonzern?

Die Umstellung war groß, aber ich war sehr motiviert und habe mich reingehängt. Und es hat natürlich auch einige Zeit gedauert, bis ich alles wirklich verstanden habe. Jetzt bin ich fünf Jahre bei Henkel und kenne mich sehr gut aus. Aber wie immer in einer neuen Funktion oder Branche sind die ersten Monate enorm hart, weil alles neu ist. Sie müssen die Mitarbeiter, die eigenen Produkte und die Kunden kennenlernen, Netzwerke aufbauen und Erfahrungen sammeln.

Sie sind gebürtiger Däne. Was unterscheidet dänischen und deutschen Managementstil?


Ich lebe ja jetzt schon seit 19 Jahren in Deutschland und fühle mich auch sehr wohl hier. Was mir aber nach wie vor auffällt, ist, dass die Dänen etwas lockerer sind als die Deutschen und dadurch vielleicht etwas weniger präzise. Etwas übertrieben gesagt und bildlich gesprochen: In Deutschland weiß man ganz genau, in welcher Stadt, in welcher Straße und in welchem Haus es ein wirtschaftliches Problem gibt. Aber man überlegt lange, wie man damit umgehen soll. Der amerikanische und skandinavische Stil ist, dass wir sagen: Irgendwo in Süddeutschland gibt es ein Problem, und hier ist die Lösung! Lass es uns einfach versuchen. Also die Herangehensweise ist sehr unterschiedlich.

Wie stark trifft die Krise Henkel? Stellen Sie nach wie vor auf dem gleichen Niveau ein wie noch in den Jahren 2006, 2007 oder 2008?


Nein, das tun wir nicht. Wir hatten 2009 eine sehr restriktive Einstellungspolitik. Wir stellen natürlich immer wieder Hochschulabsolventen ein, aber wir haben in den letzten beiden Jahren deutlich weniger Leute eingestellt als vorher. Wir stellen derzeit ungefähr 100 Absolventen pro Jahr in Deutschland ein und 300 weltweit. Das gilt auch für das Jahr 2010.

Stellen Sie jetzt in der Krise eigentlich nur den typischen BWLer ein oder auch Exoten?

Wir stellen in vielen unterschiedlichen Bereichen Absolventen ein, so dass BWL nicht der einzige Weg zu Henkel ist. Gerade Naturwissenschaftler sind in vielen Bereichen sehr gefragt. Aber auch Exoten haben eine Chance, denn es geht vielmehr um die Persönlichkeit. Man muss uns überzeugen, dass man gute Leistung bringen kann und ins Team passt.

Sie sind Vater von vier Kindern. Was raten Sie denen bei der Studienwahl? Sollen sie ihren Leidenschaften folgen oder strategisch vorgehen?

Ich denke, es ist enorm wichtig, dass sie das machen, was sie selbst wirklich wollen. Was sie am Ende werden, liegt in ihren Händen und weniger bei den Personalabteilungen oder Chefs. Da jedoch mein Vater schon Professor für Wirtschaftswissenschaften war, ich selbst ein Wirtschaftsstudium absolviert habe und auch meine Frau einen MBA hat, sind sie schon etwas in Richtung Wirtschaft vorbelastet.

Sie haben ja selbst auch einmal klein angefangen. Gab es mal so einen ganz schlimmen Job, den Sie einmal gemacht haben, während Ihrer Studienzeit oder als Schüler?


Ja, davon gab es sehr viele. Ich habe auch schon sehr früh angefangen, mit Ferienjobs mein Taschengeld aufzubessern. Mit 13 Jahren habe ich schon in einer Eisdiele gearbeitet. Und als ich dann an einer Universität in Amerika studieren wollte, wollte mein Vater mir das aber nicht komplett finanzieren. Aus diesem Grund habe ich während meiner Studienzeit viele verschiedene Jobs gemacht. Ich habe auch Klos geputzt, und das nicht nur ein paar Tage lang. Drei Jahre war ich neben meinem Studium bei einer Reinigungsfirma auf Messen tätig. An den habe ich natürlich nicht so gute Erinnerungen. Dafür wurde es aber vergleichsweise gut bezahlt. Und dann habe ich, wie viele andere Studenten damals und heute auch, als Barkeeper gearbeitet. Später war ich dann auch mal Lagerist. Ich habe eigentlich fast alles ausprobiert, aber die Klos sind mir natürlich besonders in Erinnerung geblieben.

Was haben Sie dabei für das Leben gelernt?


Ich habe alle Ebenen der Gesellschaft kennengelernt. Zudem habe ich erfahren, dass man für Nichtstun auch nichts bekommt. Das ist eine sehr wichtige Erfahrung und spornt an. Und man lernt auch, dass Geld, das man selbst verdient, viel wertvoller ist als Geld, das man von seinen Eltern oder sonst wem geschenkt bekommt.

Was wünschen Sie sich für 2010? Ganz privat – oder auch für die Gesellschaft?

Privat wünsche ich mir etwas mehr Zeit für meine Familie. Für die Gesellschaft wünsche ich mir, dass wir alle durch ein weniger turbulentes Jahr 2010 gehen werden, als es 2009 war.

Gekürzter Beitrag aus der Januarausgabe von „Junge Karriere“. Das Interview führte Tanja Kewes, Mitarbeit: Martin Maibücher

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