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Jugendliche: "Berlin braucht dich"

Mit einer Kampagne will der Senat Jugendliche für eine Ausbildung bei der Stadt gewinnen. Die Ansprüche an die Bewerber sind hoch – und die Karrierechancen gut.

Meriban Aktas weiß, was sich hinter einer Lehre im öffentlichen Dienst verbirgt. Sie ist im zweiten Jahr ihrer Ausbildung zur Kauffrau für Bürokommunikation. Immer wieder wechselt sie die Dienststelle. Vor kurzem noch hat sie im Senat für Inneres und Sport gearbeitet, jetzt ist sie in das Büro des Migrationsbeauftragten in der Potsdamer Straße gewechselt. Doch die Arbeit ist nicht alles, was sie für ihren Arbeitgeber leistet. Um Schüler mit Migrationshintergrund für den öffentlichen Dienst zu interessieren, besucht die 22-jährige Deutsch-Kurdin für die Kampagne „Berlin braucht Dich“ Schulen und erzählt in neunten und zehnten Klassen von ihrer Ausbildung. „Sie hören mir zu, weil ich in ihrer Sprache spreche“, sagt sie.

Jugendliche mit interkultureller Erfahrung haben bei der Stadt gute Karten. Haben sie eine Arbeitsberechtigung, gute Deutschkenntnisse und mindestens einen guten Hauptschul- oder Realschulabschluss, können sie sich bei einer der 17 Ausbildungsbehörden für rund 80 verschiedene Berufswege bewerben. Das Unternehmen Stadt bildet Verwaltungsfachangestelle aus, Kaufleute für Bürokommunikation, Polizeimeister- und Brandmeister-Anwärter, aber auch Gärtner und Systemelektroniker. Zunehmend werden auch Abiturienten und Hochschulabsolventen mit ausländischen Wurzeln für den gehobenen Dienst und den Lehrerberuf gesucht.

Eine Ausbildung im öffentlichen Dienst bietet viele Vorteile. Die Qualität der Lehre ist vergleichsweise hoch. Die Ausbildung ist abwechslungsreich. Die Chancen, nach der Ausbildung übernommen zu werden, sind gut. Man kann sich weiterqualifizieren und aufsteigen. Und: Mit einem Abschlusszeugnis von der Stadt sind die Absolventen auch bei Unternehmen begehrt.

Bisher haben nur wenige Mitarbeiter im öffentlichen Dienst ausländische Wurzeln. Dabei hat jeder vierte Berliner einen Migrationshintergrund. Doch die Vielfalt in der Berliner Bevölkerung solle sich auch in der Verwaltung widerspiegeln, erklärt Agnese Papadia vom Beruflichen Qualifizierungsnetzwerk für Migrantinnen und Migranten (BQN) das Ziel der Kampagne. Der Schritt war längst fällig. „Berlin hinkt hinter anderen Städten her“, meint Heidi Gellhardt von der Bildungsberatung Kumulus.

Zunächst verlief die Kampagne allerdings recht schleppend. Nur 58 der 668 neuen Azubis, die im Startjahr 2006 eingestellt wurden, hatten einen Migrationshintergrund. Der öffentliche Dienst habe Jugendliche aus Migrantenfamilien eher abgeschreckt. Sie hätten oft keine, oder schlechte Erfahrungen mit Behörden gemacht, erklärt Papadia. Auch Meriban Aktas hat vor ihrer Ausbildung geglaubt, dass dort nur Deutsche arbeiten und Migranten keine Chance haben.

Doch inzwischen gibt es Fortschritte. Es bewerben sich nicht nur mehr Jugendliche. Die Behörden würden auch bewusst darauf achten, Migranten einzustellen, sagt Gellhardt von Kumulus. Im vergangenen Jahr stieg der Anteil der Azubis mit Migrationshintergrund immerhin auf mehr als 14 Prozent. Ziel sind 25 Prozent. Und: Die Kampagne wird jetzt auch von den Ausbildungsbehörden des Bundes unterstützt.

Das Bewusstsein für das, was die Jugendlichen vorweisen können, ist gestiegen. Gerade junge Menschen mit Migrationshintergrund hätten durch ihre Sprachkenntnisse und Erfahrungen besondere interkulturelle Kompetenzen, die im öffentlichen Dienst gebraucht werden, weiß Papadia.

Meriban Aktas stellt das im Berufsalltag oft unter Beweis. Sie spricht Deutsch, Türkisch, die Sprache Zazaki, Französisch, Englisch und lernt derzeit auch noch Vietnamesisch. Als sie bei ihrer Ausbildung im Landesamt für Gesundheit und Soziales Station machte, riefen Kollegen sie oft als Übersetzerin dazu, wenn etwa Asylsuchende Anträge stellten. „Ich helfe, versuche zu beraten und Mut zu machen“, erzählt Aktas. Die Reaktionen motivieren sie: „Viele beten für mich und sind stolz auf mich.“ Auch Meribans Eltern, die 1980 aus der Türkei nach Deutschland kamen, sind auf ihre Tochter stolz. Verwandte holen sich vor Behördengängen bei ihr Rat.

Es komme auch vor, dass Azubis aus Migrantenfamilien in den Behörden auf Vorurteile von Kollegen stoßen oder sich diskriminiert fühlen, berichtet Agense Papadia vom Qualifizierungsnetzwerk. Aber das seien Einzelfälle. Sie sei immer herzlich aufgenommen worden, erzählt Meriban Aktas.

Wer sich für eine Karriere im öffentlichen Dienst interessiert, muss allerdings erst einmal einige Hürden überwinden: Zuerst steht die schriftliche Bewerbung an, dann ein Einstellungstest. „Viele scheitern daran“, sagt Papadia. Damit Bewerber ihre Leistungen im Vorhinein einschätzen können, stellt die Kampagne im Mai Mustertests auf ihre Webseite. Außerdem gibt es Einrichtungen, die in Kursen auf die Prüfung vorbereiten. Meriban Aktas etwa hat nach ihrem Realschulabschluss bei „Tio“, einem Treff- und Informationsort für türkische Frauen, ein halbes Jahr für den Test gepaukt.

Im kommenden Jahr schließt die Deutsch-Kurdin ihre Ausbildung ab. Sie hat gute Perspektiven. Ihr Ausbilder hat sie bereits animiert, sich bei den Berliner Behörden zu bewerben. Im vergangenen Jahr wurden 40 Auszubildende dauerhaft in den Öffentlichen Dienst übernommen. Doch Meriban Aktas hat andere Pläne. Sie möchte gerne ihr Abitur nachholen und Jura studieren. Ihr Traum ist es, Richterin zu werden.

www.berlin-braucht-dich.de

Studie: Langes Arbeiten sorgt

für schlechten Schlaf

Lange Arbeitszeiten sorgen für schlechten Schlaf. Zu diesem Ergebnis kommt eine Untersuchung der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin in Dortmund (BAuA), für die Daten von mehr als 50 000 Befragten ausgewertet wurden. Danach leidet unter den Beschäftigten in Deutschland mit besonders langen Arbeitszeiten von mehr als 60 Stunden in der Woche etwa jeder Vierte unter Schlafbeschwerden. Bei Beschäftigten in Vollzeit mit 35 bis 44 Wochenarbeitsstunden ist es jeder Fünfte. Auch Probleme wie Rückenschmerzen oder Herzbeschwerden werden durch lange Arbeitszeiten begünstigt. (Internet: www.baua.de) dpa

Nur Belgier haben mehr Freizeit

als Deutsche

Sechs Stunden und 34 Minuten pro Tag: Die Deutschen haben deutlich mehr Freizeit als die Menschen in den meisten anderen Industriestaaten. Zu diesem Ergebnis kommt eine Untersuchung der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), die kürzlich vorgestellt wurde. Mehr Freizeit als die Deutschen haben laut der Untersuchung nur die Belgier. Sie kommen auf den Höchstwert von sechs Stunden und 39 Minuten. Am wenigsten Freizeit haben die Menschen in Mexiko, Japan, Australien und in der Türkei. Für die Studie untersuchten Forscher das Verhalten von Erwerbstätigen, aber auch von Schülern, Studenten, Rentnern und Arbeitslosen ab 15 Jahren. dpa

Studie: Frauen in Aufsichtsräten

sind meist Arbeitnehmer-Vertreter

Bei den Frauen in deutschen Aufsichtsräten handelt es sich meist um Vertreter der Arbeitnehmerseite. In Kontrollgremien mit Mitbestimmung sind 11,7 Prozent der Mitglieder weiblich, in Aufsichtsräten ohne Mitbestimmung nur 2,6 Prozent, wie die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung mitteilt. Knapp 80 Prozent der Frauen in mitbestimmten Aufsichtsräten sind demnach Vertreterinnen der Arbeitnehmer. Den Zahlen liegt eine aktuelle Untersuchung des zahlenmäßigen Geschlechterverhältnisses in Kontrollgremien und Chefetagen jener 160 Unternehmen zu Grunde, die in den Börsensegmenten Dax, MDax, SDax und TecDax notiert sind. Von diesen Unternehmen sind 103 mitbestimmt, 57 haben keine Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat. rh/kg

Sonn- und Feiertagszuschläge gibt es auch im Krankheitsfall

Auch ein kranker Arbeitnehmer hat Anspruch auf Sonn- und Feiertagszuschläge. Der Arbeitgeber könne sich nicht darauf berufen, dass er solche Zuschläge im Krankheitsfall üblicherweise nicht zahlt. Das geht aus einem Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts in Frankfurt hervor (Aktenzeichen: 6 Sa 175/07), auf das der Deutsche Anwaltverein (DAV) in Berlin hinweist. Von dem Grundsatz könne nur mit Hilfe einer Vereinbarung der Tarifvertragsparteien abgewichen werden. Das Entgeltfortzahlungsgesetz sehe vor, dass Zuschläge auch im Krankheitsfall gezahlt werden, erläutert die Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht im DAV das Urteil.dpa

Maria Marquart

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