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Karriere-Frage: Kann ich meinen Chef anzeigen?

Nachgefragt bei Martina Perreng, Arbeitsrechtlerin beim DGB.

Ich arbeite seit zehn Jahren als Fahrer in einem Bauunternehmen. Als ich vor zwei Wochen von einer Tour spät zurückkam, sah ich den Juniorchef mit drei Männern auf dem Parkplatz. Die Männer fuhren dann mit drei Firmenwagen fort. Am nächsten Tag hieß es, nachts seien die drei Fahrzeuge gestohlen worden, die Versicherung sei benachrichtigt. Wie soll ich mich jetzt verhalten? Kann ich die Vorfälle der Polizei melden oder werde ich dann im Betrieb abgestraft?

Bislang war die Rechtslage für so genannte Informanten unklar: Zwar hat das Bundesverfassungsgericht geurteilt, dass derjenige, der ein strafbares Verhalten des Arbeitgebers aufdeckt, damit nicht das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer verletzt und somit auch keinen Grund für eine fristlose Kündigung liefert. Das Bundesarbeitsgericht hat diese Rechtsprechung allerdings differenziert. Demnach kann – trotz des strafbaren Verhaltens des Arbeitgebers – auch eine Pflichtverletzung des Arbeitnehmers vorliegen, die zur Kündigung berechtigt, wenn Beweggründe wie Rache mitentscheidend für die Anzeige sind.

Wegen dieser unklaren Rechtslage und weil es im Prinzip wünschenswert ist, dass Arbeitnehmer Missstände im Betrieb aufdecken, ist von der Regierungskoalition ein Gesetzesvorhaben in den Bundestag eingebracht worden, dass die Rechtsstellung der Arbeitnehmer, die solche Missstände aufdecken, eindeutig regelt: Beschäftigte sollen in Zukunft ausdrücklich das Recht zu einer Anzeige haben.

Damit wird sichergestellt, dass ein Mitarbeiter, der berechtigterweise Missstände und rechtswidriges Verhalten im Betrieb anzeigt, nicht fürchten muss, deshalb gekündigt zu werden. Allerdings sieht die neue gesetzliche Regelung auch vor, dass üblicherweise zunächst eine innerbetriebliche Klärung herbeigeführt werden soll und nur dann, wenn diese aussichtslos ist oder eine besondere Gefahr besteht, direkt eine Anzeige erfolgen kann.

Zu dem geschilderten Fall: Auch wenn diese Neuregelung noch nicht in Kraft ist, sollten Sie, soweit vorhanden, den Betriebsrat und andere Vorgesetzte informieren. Bleibt das erfolglos, werden also die Vorfälle nicht näher untersucht und gibt es keine glaubwürdige Erklärung für den Sachverhalt, können Sie Ihre Beobachtungen immer noch bei der Polizei melden, ohne dass der Arbeitgeber Sie deswegen abmahnen oder Ihnen gar kündigen darf. Foto: Promo

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an Martina Perreng

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