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Karriere-Frage: Wie ändere ich Perfektionismus?

Jürgen Hesse , Büro für Berufsstrategie, über das Kosten-Nutzenverhältnis von Perfektionismus.

Ich arbeite in einer Werbeagentur und habe ein Problem. Immer wieder mache ich Überstunden und kann mich kaum von meiner Arbeit lösen, weil ich immer das Gefühl habe, dass ich sie so noch nicht gut genug ist und ich sie noch besser machen muss. Die meisten Kollegen sehen das viel lockerer: Es macht ihnen offensichtlich nichts aus, wenn nicht alles hundertprozentig ist. Haben Sie einen Tipp für mich?

„Schon gut“, „noch besser“, „ganz exzellent“. Die nächste Qualitätsstufe ist dann „absolut perfekt“! Schön, wenn man diese Stufen erreicht mit dem was man tut. Bleibt jedoch die Frage: Zu welchem Preis? Es geht um das Kosten-Nutzenverhältnis, um Mühe und Aufwand, Zeit und Energie, die man in seine Arbeit investiert. Das Qualitätssiegel „absolut perfekt“ ist in der Realität ziemlich selten. Doch was ist eigentlich perfekt? Und: Ist das so schwer erreichbare Perfekte überhaupt so erstrebenswert?

Sicher nicht. Perfektionismus kann im Arbeitsalltag krankhafte Formen annehmen und das Denken blockieren. Wir alle stehen unter Druck, sollen, müssen und wollen unser Bestes geben. Der Perfektionist erreicht allerdings meist nicht den Punkt, an dem er sich von seinem Tun, sei es ein Produkt oder eine Dienstleistung, verabschieden, wo er es loslassen kann. Denn: So wie es ist, ist es noch nicht gut genug. Es ist noch nicht fertig, noch nicht vollkommen, eben nicht perfekt. Und das wird es dann wohl auch nie, oder zu spät.

Wer sich nun aber einreden lässt (und dies verinnerlicht hat), stets und ständig nur das perfekte Ergebnis erzielen zu müssen, ist ganz schön arm dran. Perfektionismus ist ein naher Verwandter des Zwanghaften und beide sind enorm (selbst-) quälerisch. Ihre Wurzeln sind in der Selbstunsicherheit, in der Angst zu suchen, nicht zu genügen. Wir Psychologen schieben es gerne auf die Kindheit, auf zu wenig Liebe und Geborgenheit – und vor allem auf zu wenig oder die falsche Anerkennung.

Wurden Sie gelobt, wenn Sie eine gute Note geschrieben haben? Oder wurden Sie gefragt, warum es keine „eins“ geworden ist? Wurden Ihre Anstrengungen um Anerkennung gewürdigt? Wurden Sie genügend beachtet? Oder hatten Sie eher das Gefühl, dass wenig Notiz von Ihren Erfolgen genommen wurde? Diese Fragen können Ihnen helfen, die eigentlichen Ursachen zu erkennen, die verhindern, dass Ihnen Ihre innere Stimme sagt: „Das hast Du gut gemacht, Du kannst zufrieden sein und Dich belohnen. Lass es Dir gut gehen, mach Feierabend“. Heute sind Sie es selbst, der sich nicht zugesteht, etwas gut genug zu tun – lernen Sie, sich selbst zu loben und „genug“ zu sagen. Foto: Promo

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an Jürgen Hesse

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