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Lingueo: Lernen per Mausklick

Fremdsprachenkurse gibt es auch im Internet. Unser Autor hat eine Videoplattform getestet.

„Sprich wie ich“ – so lautet das Motto der Online-Plattform Lingueo, einem Sprachportal, auf der sich Lehrer und Schüler aus aller Welt zum Fremdsprachenunterricht treffen. Gelernt wird nicht in echten Klassenräumen, sondern mittels Headset und Videokamera. Und zwar über das Internet – der Unterricht findet in Echtzeit per Videokonferenz statt.

Das Angebot klingt verlockend: Mit einem virtuellen Lehrer kann man schließlich jederzeit lernen, sogar in der Mittagspause oder im Urlaub. Um zu erfahren, ob das Konzept tatsächlich aufgeht, habe ich selbst zu Kopfhörer und Mikrofon gegriffen.

An die 1000 Tutoren und 2000 Nutzer sind nach Angaben der Veranstalter bereits auf der Plattform registriert, die im Jahr 2003 gegründet wurde. Die Auswahl ist groß: „Die Nutzer können zum Beispiel zwischen Englisch, Spanisch, Französisch, Italienisch, Portugiesisch und Deutsch wählen“, sagt Verena Wimmer, Sprecherin von Lingueo. „Aber auch Chinesisch wird immer beliebter.“

Ich entscheide mich für eine Spanischstunde, um meine Grundkenntnisse aufzufrischen. Bevor es losgeht, muss ich mich auf der Seite Lingueo.com registrieren. Anschließend kann ich in einer Datenbank nach einem geeigneten Tutor oder einer Tutorin suchen.

Die Lehrer stellen sich mit einem persönlichen Profil vor, inklusive Video und Text, aus dem Alter und Interessen hervorgehen. Andersherum können auch die Tutoren nach passenden Sprachstudenten suchen. Spezielle Software braucht man für das Programm nicht, ein gewöhnlicher Webbrowser genügt.

Um die Unterrichtsqualität zu gewährleisten, werden die Tutoren sowohl von ihren Studenten bewertet, als auch von Lingueo selbst. Die Durchschnittsnote erscheint dann ebenfalls auf dem Profil. Lingueo bewertet hauptsächlich die technische Ausstattung, um sicherzustellen, dass der Unterricht reibungslos abläuft. Die Schüler dagegen benoten die Qualität des Unterrichts anhand von Sternen. Der Tutor hat auch etwas zu melden: Er beurteilt seine eigenen Sprachkenntnisse, wenn er sein Profil erstellt.

Nach einigen Mausklicks steht meine Wahl: Meine Tutorin heißt Alma Arzola und kommt aus Mexiko. Nur noch ein paar Minuten bleiben mir, bis der Unterricht im virtuellen Klassenzimmer beginnt. Ich stöpsle Mikrofon und Kopfhörer in meinen PC, teste die Webcam und logge mich auf dem Lingueo-Portal ein.

Alma Arzola studiert gerade internationale Wirtschaft in Frankreich. Das erfahre ich allerdings erst später – denn zunächst einmal versagt die Technik. Zwar sehe ich meine Tutorin und kann sie auch hören. Allerdings gilt das nicht umgekehrt, sodass ich vergeblich „hola!“ und „hello!“ ins Mikrofon brülle, um mich verständlich zu machen. Prompt verschwindet mein Gegenüber wieder für zwei Minuten von der Bildfläche, zum Nachjustieren der Technik – dann endlich klappt die Verbindung. Ich sehe auf meinem Bildschirm eine konzentriert in die Kamera blickende junge Frau, die mich freundlich mit „¿cómo estás?“ begrüßt: „Wie geht es dir?“

Wir fangen an zu sprechen und ich erfahre, dass sie drei Brüder hat und ihre Familie fünf Stunden von Mexiko-Stadt, der Hauptstadt Mexikos, entfernt lebt. Den Unterricht beginnen wir mit einem lockeren Frage- und Antwortspiel. Große Lust auf Grammatik pauken habe ich nicht, zumal mir nicht klar ist, über welches pädagogische Konzept meine Tutorin verfügt. Das ist bei Lingueo auch nicht vorgegeben: „Es gibt professionelle Tutoren und Laien, die auf Lingueo unterrichten“, erklärt Verena Wimmer. „Viele von den Tutoren haben selbstentwickelte Konzepte. Das ist aber keine Voraussetzung.“ Hilfreich ist die Chat-Funktion, um Fragen und Antworten zu schreiben und gleich die korrekte Schreibweise zu lesen.

Nach 60 Minuten ist der Unterricht vorbei. Nun geht es ans Bezahlen: Die meisten Tutoren verlangen 10 Euro pro Stunde, manche aber auch 20 oder 30 Euro. Abgerechnet wird per Kreditkarte oder über ein sogenanntes Paypal-Konto für Internettransaktionen.

Um mit Muttersprachlern regelmäßig in einer Fremdsprache zu kommunizieren – dazu bietet sich Lingueo an. Allerdings sollte man von der Plattform nicht zu viel erwarten. Wer nur über wenige Grundkenntnisse in einer Fremdsprache verfügt, ist mit einem klassischen Kursprogramm oder in einer Lerngruppe besser aufgehoben. Die Möglichkeiten des Unterrichts via Video-Chat sind einfach zu begrenzt. Zumal nicht immer einzuschätzen ist, über welche sprachlichen und pädagogischen Kenntnisse die Tutoren verfügen. Da helfen einem Kurzpräsentationen nur bedingt weiter.

Dennoch entwickelt sich mit Lingueo eine neue und ganz eigene Form des Kommunizierens, um bestehende Sprachkenntnisse aufzufrischen, sich auf einen bevorstehenden Auslandsaufenthalt vorbereiten oder auch spezielle Fachbegriffe für den Beruf zu lernen.

Wilfried Hendricks, Leiter vom Institut für Bildung in der Informationsgesellschaft (IBI) an der Technischen Universität Berlin, sieht demnach Lingueo auch eher als eine „interessante Ergänzung zum konventionellen Sprachenlernen“. Er warnt allerdings vor zu hohen Erwartungen an die noch recht junge Entwicklung im Netz: „Hier wird noch viel mit Versuch und Irrtum gearbeitet.“ Seine Prognose: „Viel wird davon abhängen, wie ein Anbieter die Qualität der Angebote sicherstellt.“ Denn ob ein Tutor dem Nutzer die richtigen Sprachkenntnisse vermittelt, ist bislang nicht garantiert.

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