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Jobs & Karriere: Moral für Manager

Die Finanzkrise führt dazu, dass immer mehr Studenten Kurse zum Thema Wirtschaftsethik belegen.

Umweltsünden, Schmiergeldzahlungen, Stellenabbau, horrende Managergehälter oder eben die aktuelle Finanzkrise: Wenn in der Wirtschaft etwas schief läuft, gilt die rücksichtslose Gier der Manager – und damit die Profitsucht der internationalen Konzerne – als Quelle allen Übels. Bei Schlagzeilen wie „Volkswagen sponsert Lustreisen“, „Telekom bespitzelt Aufsichtsräte“ oder „Siemens versinkt im Korruptionssumpf“ wird der öffentliche Ruf lauter, Manager in die gesellschaftliche Verantwortung zu nehmen.

Die Folge: Die Unternehmen sehen ihr Geschäft gefährdet und setzen sich deshalb stärker mit dem Thema Corporate Social Responsibility (CSR) auseinander: Sie treten entsprechenden Initiativen bei, investieren in Nachhaltigkeitsabteilungen, und lancieren soziale Projekte. Auf den Homepages vieler Firmen gibt es mittlerweile ein „Code of Conduct“, einen Verhaltenskodex, der das Einhalten von Werten, ethischen Regeln und Verhaltensweisen in der Belegschaft sichern soll.

Auch die Manager von morgen, die Studenten von BWL, VWL und Wirtschaftswissenschaften, reagieren auf diese Entwicklung. „Die Zahl der Studenten, die sich für ethische Fragen interessieren, steigt. Zum einen wegen diverser Skandale. Zum anderen, weil sie merken, dass die Unternehmen dem Thema eine größere Bedeutung beimessen“, sagt Ingo Pies, Professor am Lehrstuhl für Wirtschaftsethik der Uni Halle-Wittenberg.

Das Fach Ethik zählt in Deutschland noch lange nicht zum Mainstream der Managementausbildung. Trotzdem können Studenten an einer Reihe von deutschen Universitäten an Veranstaltungen zur Wirtschafts- und Unternehmensethik teilnehmen. Ein paar Hochschulen bieten eigene Studiengänge zu verwandten Themen wie Nachhaltigkeitsmanagement an.

Für Peter von Blomberg, Vorstandsmitglied der Nichtregierungsorganisation Transparency International Deutschland, die Korruption bekämpft, ist das ein richtiger Ansatz. Er verlangt: „Relevante Werte für Manager können und müssen in allen Phasen der Ausbildung vermittelt werden.“ Das sehen BWL-Professoren weltweit laut einer Umfrage der Leibniz Uni Hannover ähnlich. Von den knapp 1750 Befragten möchte die große Mehrheit ihren Studenten nicht nur Fachwissen mit auf den Weg geben, sondern vor allem auch bestimmte Werte.

Doch der Weg zu dieser Erkenntnis war vor allem in Deutschland lang. An amerikanischen und britischen Universitäten steht „Business Ethics“ längst auf dem Stundenplan zukünftiger Manager. In Deutschland wurde lange Zeit heftig darüber gestritten, ob ethische Fragen in der Ökonomie überhaupt thematisiert werden sollten. „Die Unternehmensethik ist als wissenschaftliche Disziplin nicht unumstritten. Für viele gilt nach wie vor Milton Friedmans Diktum: Die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen besteht darin, Gewinne zu maximieren. Danach sind ethische Probleme gesellschaftlicher Natur, das heißt, außerhalb des Unternehmens zu lösen“, erklärt Jörg Althammer, Professor am Lehrstuhl für Wirtschafts- und Unternehmensethik der Universität Eichstätt/Ingolstadt. „Und schließlich gilt die Unternehmensethik – teilweise nicht zu Unrecht – als ,weiche'' Disziplin.“

Das Problem sieht auch Andreas Suchanek, Professor am Stiftungslehrstuhl Sustainability and Global Ethics der Handelshochschule Leipzig (HHL): „Es gibt die Kritik, dass ethische Themen wenig gehaltvoll seien, das heißt weder mit Modellen untersetzt noch empirisch getestet."

So standen viele Studenten dem Fach Wirtschafts- und Unternehmensethik anfangs skeptisch gegenüber. Manche tun es immer noch. „Das Hauptproblem besteht darin, die Studierenden von der Relevanz des Themas zu überzeugen“, sagt Suchanek von der HHL aus über 20 Jahren Erfahrung in der Lehre. „Vieles von dem, was thematisiert wird, zum Beispiel Grundsätze wie ,Versprechen sind zu halten'', scheint trivial oder im unternehmerischen Alltag nicht umsetzbar“, erklärt er.

Tatsächlich scheint die Wirtschaftspraxis den Managern immer wieder unlösbare Konflikte zwischen Gewinn und Moral zu bereiten. Das Paradebeispiel stammt aus dem Jahr 2005. Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann verkündete ein Renditeziel von 25 Prozent und im selben Atemzug die geplante Entlassung von 6000 Mitarbeitern. „Viele Manager glauben, dass ihr Unternehmen, wenn sie der Moral den Vorzug geben, Wettbewerbsnachteile in Kauf nehmen muss“, sagt Ingo Pies von der Universität Halle-Wittenberg.

Dozenten der Wirtschafts- und Unternehmensethik wollen mit ihrer Lehre verhindern, dass Studenten dieses Schwarz-Weiß-Denken übernehmen. Ihr Ziel: Zukünftige Manager sollen vermeintliche Konflikte zwischen Gewinn und Moral im Vorfeld erkennen und entschärfen können – kurz: Sie müssen es schaffen, Gewinn und Moral füreinander fruchtbar zu machen. „Beim moralischen Engagement von Unternehmen geht es nicht um Zusatzaktivitäten neben dem Kerngeschäft, also um Luxus“, erklärt Pies. „Erfolgreiche Manager setzen Moral als Produktionsfaktor ein. Sie gehen Bindungen ein, die bei ihren Kapitalgebern, Mitarbeitern, Kunden und Lieferanten produktive Gegenreaktionen auslösen.“

In der Lehre setzen die Professoren auf einen Mix aus Einführungsveranstaltungen, in denen grundlegende ethische Konzepte erläutert werden, und Seminaren mit Fallstudien, Rollenspielen und Gruppenexperimenten. Trotz des Praxisbezugs fürchten manche Studenten, dass es sich um Werteschulungen handelt, in denen der Professor mit „dem erhobenen Zeigefinger daherkommt und sagt, wo es langgeht“, sagt Pies. Er und seine Kollegen wollen solche Befürchtungen aus der Welt schaffen. „Schließlich leben wir in einer modernen Gesellschaft mit einem ausgeprägten Wertepluralismus; da brauchen wir keinen Werte–, sondern einen Regelkonsens.“

Laut Pies herrscht ohnehin kein Mangel an Werten, sondern ein Mangel an Vermittlungskompetenz. „Meine Studenten sind bereits jetzt moralisch sensible Menschen, denen ich Verantwortung nicht beibringen muss. Was ihnen fehlt ist das Wissen, wie sie – gerade in brenzligen Situationen im Berufsalltag – ihrer Verantwortung gerecht werden können.“ Etwa wenn Betriebsräte auf Firmenkosten in Nachtclubs feiern, Telefonate abgehört werden oder Bestechungsgeld aus schwarzen Kassen fließt.

Der Beitrag ist dem Magazin „Junge Karriere“ entnommen

Kirsten Ludowig

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