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Perspektiven: Strahlenfänger im Labor

Wer an der Entwicklung erneuerbarer Energien mitarbeiten will, hat gute Karrierechancen. In Berlin gibt es spezielle Studiengänge und Ausbildungen. Jobs bietet vor allem die Solarbranche.

Die Zeiten sind gut für erneuerbare Energien. Und das nicht erst seit der jüngsten Pannenserie in Atomkraftwerken. Der schleichende Klimawandel, endende Ölquellen, all das hat dazu geführt, dass nachhaltige Energiequellen gefragt sind wie nie. Das wirkt sich nicht nur positiv auf die Umwelt aus – sondern auch auf den Arbeitsmarkt. Die Solarbranche, die Windindustrie, Bioenergiefirmen, Wasserkraft- und Geothermieunternehmen suchen qualifizierte Mitarbeiter. Das spiegelt sich wider in den zahlreichen neuen Ausbildungswegen, die in die Branche führen. Gab es etwa im Wintersemester vor zwei Jahren 144 Angebote für Studiengänge im Bereich erneuerbarer Energien, waren es zum Wintersemester in diesem Jahr bereits mehr als 250.

Berlin ist bundesweit Vorreiter. So bietet hier die Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) mit dem Bachelor- und Master-Studiengang „Umwelttechnik/Regenerative Energien“ das erste Vollzeit-Studium zu diesem Thema in Deutschland an. Auch an der Beuth-Hochschule, der Technischen Universität (TU) Berlin und der Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) kann man sich auf erneuerbare Energien spezialisieren.

Ábsolventen, die nicht den Einstieg in die Solarbranche suchen, müssen sich allerdings meist außerhalb der Stadt nach einem Job umsehen. Die meisten Arbeitsstellen in der Branche gibt es in Berlin bei Solarunternehmen. Laut Interaktivem Branchenatlas der Agentur für Erneuerbare Energien haben sich hier vor allem kleine und mittelständische Unternehmen mit dem Schwerpunkt Solartechnik angesiedelt.

Solarprodukte sind nicht nur als nationales und internationales Exportgut interessant. Auch Berlin selbst baut auf Sonnenenergie. So haben etwa Anfang des Monats die Wasserbetriebe in Tegel die größte Solarstromanlage der Stadt eröffnet – und tragen damit zu der Klimaschutzvereinbarung mit dem Senat bei, in der sie sich zu einer Einsparung von 35 000 Tonnen Kohlendioxid im Jahr 2010 gegenüber 2005 verpflichten.

Die Umwelt-Ausbildungen in der Stadt sind gefragt. „Unsere Studenten sind hoch motiviert“, sagt Volker Quaschning. Seit 2004 ist er Professor für Regenerative Energiesysteme an der HTW. Das Studium „Regenerative Energien“ ist breit angelegt. Auf fächerübergreifende Grundlagen der Elektro-, Energie- und Verfahrenstechnik folgen ab dem dritten Semester fachspezifische Kurse, zum Beispiel zur Energieumwandlung bei Solaranlagen, erklärt er.

Manche Einsteiger haben aber falsche Vorstellungen vom Studium, weiß Quaschning: „Regenerative Energien, das klingt ein bisschen nach ''Wir retten die Welt''.“ Letztendlich zählen im Studium aber technisches und mathematisches Verständnis. „Man muss natürlich auch eine Windkraftanlage planen können. Man muss wissen, warum sie sich dreht, warum sie stehenbleibt, da ist viel Mathematik und Physik dabei.“ Rund 80 Prozent der Studierenden hängen an die sieben Bachelor-Semester den Master an. Doch die Firmen sind auch an Bachelorabsolventen interessiert, so Quaschning.

Die Berliner Hochschulen arbeiten eng mit den künftigen Arbeitgebern zusammen. „Wir haben dabei sehr gute Erfahrungen gemacht“, sagt Sylvia Ratzlaff, Pressesprecherin der Solarfirma Solon aus Adlershof, mit 900 Mitarbeitern Berlins größter Hersteller für Photovoltaik-Module. Kontakte zu den Hochschulen knüpfe das Unternehmen über Werksführungen und Vorträge, vor allem aber durch Praktika, Abschlussarbeiten und studentische Mitarbeiter.

Auch der Solarmodul-Hersteller Inventux Technologies, der 140 Mitarbeiter beschäftigt, ist an der Nähe zu den Hochschulen interessiert. Nicht zuletzt deshalb produziert das Unternehmen aus dem ostwestfälischen Steinhagen seit 2008 in Berlin-Marzahn. Als erstes Unternehmen in Europa stellt Inventux Dünnschicht-Module auf Siliziumbasis in Serie her. Laut Inventux verbrauchen die Module weniger Material und sind dennoch sehr energieeffizient. „Die meisten der Fachkräfte, die bei uns arbeiten, kommen von FHs und auch von der TU“, sagt Firmen-Mitbegründer Volko Löwenstein. Mit dem Qualifikationsniveau der Absolventen ist er durchaus zufrieden, wünscht sich aber noch mehr Praxisorientierung in der akademischen Ausbildung. Außerdem müssten Studenten schon an den Hochschulen lernen, mehr in Projekten und teamorientiert zu denken.

Ein Studium ist aber keine Voraussetzung für den Einstieg in die Branche. Das belegt auch eine Studie des Wissenschaftsladens Bonn. Zwar werden bundesweit vor allem Ingenieure (45 Prozent) gesucht, aber auch Techniker, Facharbeiter und Handwerker (32 Prozent) sind sehr gefragt. Außerdem gibt es zahlreiche duale Ausbildungsberufe. Man kann etwa Anlagenmechaniker, Industriekauffrau oder IT-Systemelektroniker werden.

Die Jobchancen nach einer Qualifizierung in diesem Bereich versprechen immer besser zu werden. Der Studie zufolge gab es im ersten Quartal 2009 bundesweit rund ein Viertel mehr offene Stellen als ein Jahr zuvor. Auch in der Wirtschaftskrise bieten die alternativen Energien vergleichsweise gute Berufsperspektiven. Bis 2020 rechnet der Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE) mit 500 000 Arbeitsplätzen in der Branche – das wären 220 000 mehr als heute.

Dietmar Edler vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) ist bei seiner Prognose vorsichtiger: „Stärker noch als bisher wird die künftige Entwicklung von den deutschen Exporterfolgen abhängen. Die großen Wachstumsmärkte sind China, Indien und die USA“, sagt er. Aber auch die Planung, Wartung und Instandhaltung von Anlagen in Deutschland werde weiter Jobs generieren, prognostiziert der Wirtschaftsexperte.

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