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Jobs & Karriere: Schlaflos am Schloßplatz

Die Hertie School of Governance und die European School of Management and Technology verabschieden nach und nach ihre ersten Absolventen. Jobs fanden einige bereits während des Studiums

Der kleinste gemeinsame Nenner der ersten Jahrgänge der „Schloßplatz-Schulen“ ist vermutlich die Freude am Risiko. Schließlich konnte niemand bei seiner Bewerbung um einen Platz für den Masterstudiengang „Public Policy“ der Hertie School of Governance oder den Master of Business Administration der European School of Management and Technology (ESMT) wissen, was ihn erwartet. Letzten Donnerstag nun feierten die ersten Absolventen der Hertie School – die „Class of 2007“ – ihren Abschluss.

Als sich Kaija Landsberg seinerzeit an der Hertie School bewarb, hatte diese gerade die staatliche Anerkennung für ihren ersten Masterstudiengang erhalten. „Ich dachte mir damals: Wenn die Schule nur die Hälfte von dem einhält, was sie auf ihrer Homepage verspricht, lohnt sich das Studium in jedem Fall“, erinnert sich die 28-Jährige. Ihren Magister hatte Landsberg zuvor an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität in Völkerrecht, Amerikanistik und Politik gemacht. „Ich hatte aber das Gefühl, noch nicht fertig zu sein.“ Während ihre Freunde nach dem Studium trotz guter Abschlüsse keine Stelle fanden, wollte sie die Zeit sinnvoller nutzen. „Für mich stand fest, dass ich im öffentlichen Sektor arbeiten wollte. Der Studiengang war für mich eine Möglichkeit, auch ohne Praktika den Einstieg zu schaffen.“

Leicht hat sie es sich trotzdem nicht gemacht. Auf jeden Fall waren ihre Arbeitszeiten deutlich länger als die jedes unterbezahlten Praktikanten. „Nicht umsonst ist unsere Bibliothek 24 Stunden an sieben Tagen in der Woche geöffnet“, sagt Kaija Landsberg. „Das ist kein netter Service, sondern eine Notwendigkeit.“ Die Anforderungen an die Studenten sind hoch. Im ersten Jahr wurden rund 30 handverlesene Bewerber angenommen, im kommenden Durchgang werden es 60 bis 70 sein – und die müssen zunächst einmal ein intensives Bewerbungsverfahren durchlaufen. Wer das gemeistert hat, kann im September 2007 starten. Vorausgesetzt er kann sich die 5000 Euro Studiengebühren pro Semester leisten oder ein Stipendium ergattern. Michael Zürn, Akademischer Direktor der Hertie School, betont allerdings, dass es zunächst allein auf die Eignung des Bewerbers ankomme. „Danach überlegen wir gemeinsam, ob und wie wir den Betreffenden finanziell unterstützen werden.“

Wer es geschafft hat, sieht spannenden, aber auch arbeitsreichen Zeiten entgegen. Schlaf bekommt man als Student am Schloßplatz selten. Das hat auch Christina Doebler während ihres MBA- Studiums an der European School of Management and Technology festgestellt, die sich im selben Gebäude wie die Hertie School befindet. „Das war ein sehr intensives Jahr, in das man seine komplette Zeit stecken musste.“ Da kam das Privatleben schon mal zu kurz. Nach ihrem Abschluss im Dezember 2006 gönnte sich die 30-Jährige erst einmal einen Monat Urlaub – mit gutem Gewissen. Denn da hatte sie ihren Job bereits in der Tasche. Heute arbeitet Doebler als Produktmanagerin bei Siemens Medical, einem der ESMT-Sponsoren. „Für mich ist das die ideale Verbindung zwischen Technik, Entwicklung und unternehmerischer Verantwortung“, sagt die Maschinenbauingenieurin. Ohne ihren MBA, so glaubt sie, wäre sie für die Führungsposition nicht in Frage gekommen. „Ab einer bestimmten Hierarchieebene kommt man ohne Wirtschaftskenntnisse nicht weiter.“ Hertie-Absolventin Kaija Landsberg will sich mit einem Bildungsprojekt selbstständig machen. Nur mit ihrem Uniabschluss hätte sie sich das nicht zugetraut. „In den zwei Jahren an der Hertie School habe ich viel mehr Selbstvertrauen gewonnen“, sagt sie.

Die Vermittlung von Soft Skills ist dann auch ein Anliegen, das beide Hochschulen verfolgen. Teamfähigkeit und interkulturelle Kompetenz stehen dabei im Mittelpunkt. Landsbergs Kommilitonen etwa stammen aus über 15 Ländern. „Es hat ganz gut getan von der Nabelschau der OECD-Länder wegzukommen und andere Sichtweisen kennenzulernen“, sagt die Absolventin. Etwa wenn sie mit ihren Mitstreitern aus Venezuela oder Kamerun über die Probleme des Wohlfahrtsstaats diskutierte. Die Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Nationalitäten sei zwar nicht immer leicht gewesen, gibt Christina Doebler zu. „Aber man lernt mit verschiedenen Typen besser umzugehen und wird geduldiger.“

Geduldig mussten alle Studenten der ersten Jahrgänge in Berlin-Mitte sein. Denn es lief nicht immer alles reibungslos an den noch jungen Institutionen. „Wir haben das Kinderkrankheiten genannt“, sagt Johannes Boege, der vergangene Woche ebenfalls sein Abschlusszeugnis von der Hertie School überreicht bekam. „Ich war aber wirklich überrascht, wie offen die Schulleitung für Kritik war.“ Das war Teil des Deals. Schließlich gingen die ersten Studenten ein gewisses Risiko ein, sich an einer völlig neu gegründeten Schule einzuschreiben.

Für Boege hat sich der Einsatz offenbar gelohnt. Der Wirtschaftswissenschaftler muss sich nach seinem Abschluss gleich zwischen zwei Jobs entscheiden. „Einige Studenten haben bereits aus dem Praktikum heraus eine Stelle gefunden, viele andere führen intensiv Bewerbungsgespräche“, sagt Michael Zürn. Der Anspruch der Schule sei es, alle nach sechs bis neun Monaten untergebracht zu haben. Dabei gehe es selbstverständlich um Positionen, die das anspruchsvolle Studium rechtfertigen.

Innerhalb kurzer Zeit haben es die beiden Hochschulen anscheinend geschafft, sich einen gewissen Bekanntheitsgrad und einen guten Ruf zu erarbeiten. „Es wird sicherlich noch einige Jahre dauern, bis der Studiengang der ESMT so renommiert ist wie beispielsweise ein MBA an der London School of Economics“, schränkt Christina Doebler ein. Vom Niveau könnte die ESMT allerdings schon jetzt mithalten, ergänzt sie stolz. „Als erster Jahrgang fühlt man sich seiner Schule besonders verbunden.“ Doebler engagiert sich mittlerweile als Mentorin. Zwei ESMT-Studentinnen aus dem aktuellen Jahrgang hat die 30-Jährige unter ihre Fittiche genommen. Schließlich sind es vor allem die Absolventen, die den guten Ruf begründen, von dem die Hochschulen künftig zehren wollen.

Judith Kessler

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