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© Gerald Zörner/www.gezett.de

Sozialkompetenz: Vor der Kamera

Porträtfotos helfen dabei, das Selbstbild gerade zu rücken. Experten erklären, warum das der Karriere nützt

Nachdem sich die junge Frau an die Kamera gewöhnt hat, beginnt sie zu experimentieren. Sie lächelt dem Fotografen zu, verschränkt die Hände entspannt hinter den Kopf, blickt auch mal ernst oder verschüchtert, zeigt ihm die kalte Schulter oder wirft schwungvoll die Haare nach hinten. Alles erlaubt. Schließlich muss bei der kleinen Fotosession in dem Schöneberger Atelier kein freundliches Bewerbungsfoto herauskommen, das einen potenziellen Arbeitgeber zu beeindrucken hat. Die Kundin ist gekommen, um ein Porträt von sich machen zu lassen. Einfach nur so.

Als sie das „Büro für Fotografie“ betrat, hat sie nicht geahnt, dass sie es zwei Stunden später mit dem Gefühl, sich selbst ein Stück weit besser kennengelernt zu haben, verlassen würde.

Seit mehr als 15 Jahren arbeitet Gerald Zörner als Porträtfotograf. Er lichtet Autoren, Schriftsteller und Dichter ab, fotografiert Manager und Künstler. Auch der Mann in der Midlife-Crisis kommt zu ihm, die Frau, die sich beruflich umorientiert, Menschen, die in einer Beziehungskrise stecken oder andere, die einen Schicksalsschlag erlitten haben.

„Oft sagen die Kunden ’Mach mich schön’“, erzählt er. Zörner versucht dann, zu erklären, dass vermeintliche Schwachstellen, wie Falten, Flecken oder Polster, unwesentlich sind und Schönheit eine Sache des Selbstbildes ist. Doch gerade das hängt bei vielen ziemlich schief.

Mit Hilfe der Kamera und viel Einfühlungsvermögen will der Fotograf helfen, es wieder gerade zu rücken. So versucht er mit seinen Besuchern herauszufinden, wie sie auf den Bildern wirken, erarbeitet mit ihnen, wie sie wirken wollen – und inwieweit sich das eine mit dem anderen in Übereinstimmung bringen lässt. Immer wieder drückt der 55-Jährige auf den Auslöser, immer wieder zeigt er dann die entstandenen Fotos auf dem Computerbildschirm. Bis irgendwann Bilder dabei herauskommen, mit denen sich die Porträtierten versöhnen können und wohlfühlen. „Die Porträts können so zu einem Image, zu einem Leitbild werden und helfen, sich selbst zu finden“, erklärt der Fotograf, im Sinne von: Das bin ich, das will ich sein, so will ich nach außen wirken.

„Entwirf ein Bild von dir, bevor es andere tun“, rät Zörner. So hat es wohl auch Kaiser Augustus gesehen: Der Selbst-Vermarkter und Werbe-Profi ließ sein Porträt auf Münzen prägen und verbreitete so eine ihm gefällige Sicht auf seine Person. Ähnlich sollte der moderne Mensch, sei es privat oder beruflich, ein klares Bild von sich haben – und es entsprechend vermarkten, sagt Zörner.

Den Superstar gelte es dabei allerdings nicht zu mimen, warnt er. Eine auf makellos getrimmte Selbstdarstellung schade der Selbstachtung. Wer versuche zu sein, was er nicht ist, laufe einem Ideal hinterher, das er nie erreiche. Ein entscheidender Schritt sei, zu akzeptieren, dass der Körper Erinnerungen hat und dass das Gesicht von diesen Erfahrungen erzählt. Der Fotograf wünscht sich, dass seine Kunden sich interessant und attraktiv finden – und dass sie es aushalten, wenn das nicht alle anderen so sehen.

„Ein gutes Porträt strahlt aus, dass man das Leben will, das man lebt, dass man mit sich im Reinen ist, weiß, was man darstellt und sich zutrauen kann“, sagt Zörner. Ein solches Bild kann man dann beruhigt auf die Bewerbung heften. Und auf diese Weise kann man sich guten Gewissens auch präsentieren, wenn es etwa darum geht, einen Personalentscheider von sich zu überzeugen – so das Ideal.

Die Praxis sieht allerdings oft anders aus. Viele Bewerber haben weder ein positives noch ein klares, sondern häufig nur ein diffuses Bild von sich, weiß Stefan de Greef, Berufsberater der Agentur für Arbeit. „Die Chancen erfolgreich zu sein, steigen aber, wenn ich mein ’Bild’ kenne, mein Qualifikations-Profil aus Neigungen, Stärken und Kompetenzen, und wenn ich weiß, wo ich damit Nutzen stiften kann“, so de Greef. Einfach ist das allerdings nicht.

„Einzig und allein der Person im Spiegel dürfen Sie all das zuschreiben, was Ihnen im Leben geschieht“, ist sich aber der Motivationstrainer und US-Bestsellerautor Larry Winget sicher. „Halt den Mund, hör auf zu heulen und fang an zu leben!“, hat er sein jüngstes Buch überschrieben. Jeder sei Souverän im Königreich des eigenen Lebens. Wer eine neue Partnerschaft suche oder einen Job, solle sich selbst als Lösung begreifen, nicht als Problem. Entsprechend gehe es für einen Bewerber darum, sich mit dem anzupreisen, was er zu bieten hat. Wer vermittelt, dass sein System funktioniert, dass er nicht ständig gerettet werden will – nicht vom Lottogewinn, nicht vom Ehepartner und nicht von der Karriere – der bleibt gelassen, traut sich etwas zu. Und das wirkt attraktiv, so Winget.

Auf ganz andere Art nähert sich der Selbstwerttrainer für Fernseh- und Radiojournalisten, Schauspieler, Musiker und Sänger, Michael Bohne, dem Thema. Wenn Menschen weniger erfolgreich sind, als sie sein wollen, hapert es nur manchmal am Wissen oder Können, sagt er. Entscheidender sei das schlechte Selbstbild, das sie mit sich herumtrügen.

Die eigentlichen Energie- und Selbstwerträuber seien meist innere Blockaden, einschränkende Glaubenssätze, dysfunktionale Gefühle und Loyalitäten, so Bohne. Menschen, die ein geringes Selbstwertgefühl haben, entwerten sich häufig unbewusst, sagt er. Ziel seiner Trainings sei es, solche Selbstentwertungsprozesse aufzudecken und Strategien der Selbstwertsteigerung dagegen zu setzen.

Durch Aktivität kommt man am ehesten zu einer positiven Imagebildung, sagt er: Nicht Nichtstun und ewige Entspannung, sondern Tätigkeit diene der Selbstvergewisserung. „Seien Sie prozess-, nicht ergebnisorientiert“, rät er.

Auch das Entstehen des perfekten Porträts ist ein Prozess, ein Stück Arbeit an der eigenen Biografie. „Selbst wenn ich im Stress bin, liebe und akzeptiere ich mich, das ist die Botschaft eines guten Bildes“, sagt Zörner. Zugespitzt heißt das: Liebe dein Bild, und es ist egal, ob du den Job kriegst oder der Ex zurückkehrt.

Maria Benning

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