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Chefsessel

© Mike Wolff

Teilzeitarbeit: Besser, man ist am Arbeitsplatz

Arbeitszeitverkürzung wird immer beliebter. Es gibt gute Gründe, die dafür sprechen, sowohl auf Arbeitgeber- als auch auf Arbeitnehmerseite. In manchen Fällen raten Experten aber von flexiblen Arbeitszeitmodellen ab.

Wenn es um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf geht, um Chancengleichheit oder Work-Life-Balance, dann spielt Teilzeitarbeit eine bedeutende Rolle. Nach einer Befragung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) arbeiten inzwischen 14 Prozent aller abhängig Beschäftigten in Teilzeit. Seit 2001 haben Arbeitnehmer einen Rechtsanspruch auf eine Verkürzung ihrer Arbeitszeit, den sie bei Gericht einklagen können – und das mit großer Aussicht auf Erfolg, wie sich bei der Rechtssprechung in der Vergangenheit gezeigt hat. Doch: Auch wenn die neuen, flexiblen Modelle immer gefragter sind und viele Vorzüge bieten – sie können sich auch als berufliche Sackgasse erweisen.

Das sieht auch Goran Krstin so. Er ist Pressesprecher an der Freien Universität (FU) Berlin, und für ihn kommt Teilzeit nicht in Frage. „Ich arbeite häufig in langfristigen und größeren Projekten, damit lässt sich das nicht vereinbaren“, sagt er. Der Spagat zwischen Teilzeit und Karriere sei nur schwer zu bewältigen. Nach seinen Erfahrungen bremse die Entscheidung, in Teilzeit zu gehen, in den meisten Fällen die Karriere.

Bei Sachbearbeitern oder Sekretärinnen sei es in der Regel zwar kein Problem, die Arbeitszeit zu reduzieren. „Wer aber in Deutschland Karriere machen will, kann es sich kaum leisten, in Teilzeit zu gehen“, bestätigt Michael Tippmann, Partner bei der Kienbaum Consultants Executive in Berlin. Das betreffe Frauen genauso wie Männer, die zum Beispiel im Zuge der Elternzeit ihre Arbeitszeit reduzieren wollen. In Teilzeit zu arbeiten bedeute dann, zu wenige Gelegenheiten zu haben für das so wichtige Netzwerke knüpfen im Unternehmen und für Auslandsreisen. Außerdem werde man weniger in Entscheidungsprozesse eingebunden.

„Besonders in Bereichen, in denen Kommunikation im Mittelpunkt der Tätigkeit steht und die Präsenz am Arbeitsplatz gefragt ist, lässt sich Teilzeit schwer realisieren“, sagt Tippmann. Wer beispielsweise im Vertrieb arbeite, sei an die Zeiten des Marktes gebunden, arbeite gewöhnlich auch abends und gehe hin und wieder für ein paar Tage auf Geschäftsreise. Auch wer im Controlling tätig sei, in der Personalarbeit oder wer Arbeitsgruppen leite, könne seine Zeit im Job selten verkürzen. „Dort müssen Führungskräfte Vollzeit anwesend sein.“ Außerdem spielt die Größe des Unternehmens eine Rolle. Große Konzerne wie Daimler, BMW oder Siemens könnten es sich leisten, Arbeitsplätze zu teilen. Je kleiner aber ein Unternehmen, desto schwerer sei es, einen Job in mehr als zwei Hände zu legen, erklärt Tippmann.

Doch nicht nur von in den Führungsetagen, sondern auch in bestimmten Branchen ist Teilzeitarbeit schwer umzusetzen. In den Arbeitsfeldern mit traditionell hohem Männeranteil wird am wenigsten Teilzeit gearbeitet: Laut Statistischem Bundesamt sind im Baugewerbe, dem Bergbau und im Verarbeitenden Gewerbe weniger als zehn Prozent der abhängig Beschäftigten in Teilzeit tätig.

Ein weiteres Argument gegen Teilzeit führt Stephan Teuber vom Bund Deutscher Unternehmensberater in Bonn an. „In Deutschland gilt leider noch oft nur der Manager als guter Manager, der einen vollgestopften Terminplan hat“, bedauert der Vorsitzende des Fachverbandes. Deswegen würde er einem jungen Menschen, der Karriere machen will, momentan eher davon abraten, bei seinem Arbeitgeber nach Teilzeit zu verlangen. Viele Personaler würden die Vorteile leider noch nicht erkennen. Zwar würden beispielsweise Berufseinsteiger, die eine Teilzeit-Karriere verfolgen, gegenüber ihren Vollzeitkollegen weniger Arbeitserfahrungen sammeln. „Sie arbeiten aber nicht permanent im Dunstkreis des Burnouts, um nach oben zu kommen, und das wirkt sich positiv auf ihre Leistungsfähigkeit aus“, meint Teuber. Gerade deshalb würden immer mehr moderne Firmen ihren High-Potentials flexible Arbeitszeitmodelle anbieten.

Eine repräsentative Umfrage des Bundesfamilienministeriums bestätigt das. Demnach gingen 2006 mehr als drei Viertel der befragten Unternehmer und Personalchefs davon aus, dass auch Führungskräfte von flexiblen Arbeitszeiten und Teilzeit profitieren könnten – drei Jahre zuvor waren es erst 43 Prozent.

Auch die McKinsey-Unternehmensberatung setzt auf Teilzeit. Auf allen Ebenen, auch bei Führungskräften, sei Teilzeitarbeit möglich – und werde auch realisiert, sagt die Recruiting Chefin Nina Wessels. Nur unter den Hochschulabsolventen, die direkt nach dem Studium zum Unternehmen kommen und an dem dreijährigen Programm teilnehmen, arbeite niemand verkürzt. Aber auch das lasse sich einrichten.

Doch ob man sich für Teilzeit entscheidet, hängt nicht nur von den Möglichkeiten im jeweiligen Job ab, sondern auch davon, ob am Ende des Monats genug Geld in der Kasse ist. Denn: Wer kürzer arbeitet, verdient deutlich weniger als ein Vollzeitbeschäftigter. Das hat auch eine Studie des Bundesamtes für Statistik ergeben: Der durchschnittliche Stundenlohn für Teilzeit-Jobs lag in den ersten drei Monaten des Jahres bei 13,92 Euro, bei Vollzeit-Jobs bei 18,67 Euro. Die Vollzeit-Mitarbeiter verdienten damit im Schnitt bei einer Arbeitszeit von 38,8 Wochenstunden brutto 3148 Euro. Teilzeitkräfte arbeiten im Schnitt 23,9 Stunden pro Woche und verdienten dabei 1447 Euro brutto.

„Aber auch wenn man die Möglichkeit hat, Teilzeit zu arbeiten, und das Gehalt ausreicht: Man muss immer realistisch sein und sich fragen, ob man seine Arbeit in Teilzeit leisten kann“, sagt Anke Gaiser. Sie ist Leiterin der Onlinekoordination des Rundfunk Berlin-Brandenburg, rbb. Ihr Arbeitgeber unterstützt sie dabei, ihre Führungsposition nach der Geburt ihres Kindes in Teilzeit auszuüben. Sie hat ihre Arbeitszeit auf 75 Prozent reduziert und das Glück in einer Branche zu arbeiten, die es ermöglicht, einen Teil der Arbeit Zuhause zu erledigen – und das oft bis in die tiefen Abendstunden hinein.

Carina Groh

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