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Glasfassade

© Caro

Unternehmen googlen: Mit Durchblick

Nicht nur Firmen checken ihre Bewerber. Auch immer mehr Arbeitnehmer informieren sich darüber, was Unternehmen ihnen zu bieten haben. Wie das Internet hilft, hinter die Fassade zu sehen.

Marco Fischer* hatte plötzlich die Wahl. Nachdem der 32-jährige Werbefachmann monatelang vergeblich nach einem Job gesucht hatte, wurden ihm nun gleich zwei interessante Stellen angeboten. Er musste sich entscheiden - und versuchte möglichst viele Informationen über seine potenziellen Arbeitgeber zusammenzutragen. Fischer blätterte sich durch Firmenwebseiten im Internet, las dort Selbstbeschreibungen und Presseartikel. Doch das verriet ihm nur so viel, wie die Unternehmen von sich preisgeben wollten.

Wer hinter die Fassade der Firmen blicken will, wird auf den Webseiten eines potenziellen Arbeitgebers kaum fündig werden, sagt Svenja Hofert. Sie ist Karriereberaterin und Autorin des Buches "Jobsuche und Bewerbung im Web 2.0". Gerade größere Unternehmen werden von Agenturen präsentiert, die ihre Auftraggeber nur im positiven Licht darstellen. Auf Videos berichten Mitarbeiter über ihre tollen Erfahrungen. Rankings belegen, wie zufrieden sie mit ihrem Job sind. "Wer blind daran glaubt, läuft Gefahr, herb enttäuscht zu werden", so Hofert. Will man etwas über die tatsächlichen Arbeitsbedingungen und die künftigen Kollegen erfahren, muss man auf anderen Wegen recherchieren.

Fischer hat weiter gegoogelt und nachdem er sich durch einige Jobportale geklickt hatte, stieß er auf das, was er suchte: Plattformen, auf denen Arbeitnehmer ihre Firmen bewerten. Auch seine potenziellen Arbeitgeber fand er dort benotet: Das Arbeitsklima, die Stimmung in der Firma, die Büroausstattung, das Gehalt, Weiterbildungsmöglichkeiten und Aufstiegschancen standen auf der Liste.

Solche Plattformen können tatsächlich sehr hilfreich sein, sagt Karriereberaterin Hofert. Mit ein paar Klicks erfahren Bewerber, was nicht im Stellenangebot oder auf der offiziellen Homepage steht.

Solche Seiten haben allerdings für den Nutzer nur einen Wert, wenn sie vom Betreiber auch gepflegt werden. Ansonsten können Wettbewerber oder frustrierte Ex-Mitarbeiter das Bild verzerren und Geschäftsführer ihre Firma besser dastehen lassen als sie ist. Professionelle Seiten wie kununu.com jedoch arbeiten mit einem System, das solche Selbstbewertungen herausfiltert.

Entscheidend für die Aussagekraft der Bewertungen ist auch die Zahl der Einträge: Eine Stimme ist nicht wirklich relevant, doch bei zehn Stimmen ergibt sich ein relativ klares Bild, besonders, wenn der gleiche Tenor vorherrscht und mehrere Kollegen Ähnliches zu berichten haben. Je nach Anbieter können Berichte sehr subjektiv gefärbt sein. Gerade Verbraucherplattformen wie dooyoo.de seien dafür bekannt, sehr persönliche Erlebnisberichte ins Netz zu stellen.

Doch nicht nur Online-Portale informieren über Unternehmen. Auch über die klassischen Suchmaschinen lässt sich einiges über den potenziellen Arbeitgeber in Erfahrung bringen. Bei der Recherche im Internet muss man allerdings kreativ sein, sagt Hofert: Firmen sind im Netz schnell gefunden, doch was darüber hinaus über sie im Web steht, ist nicht immer leicht zu entdecken. Es lohnt sich zum Beispiel in Branchen-Nachrichten, Newsportalen oder Zeitungsarchiven zu suchen. Auch die Seiten der Konkurrenz geben Aufschlüsse.

Um an Informationen zu kommen, muss man nicht immer im Netz recherchieren. Weiterhelfen können etwa auch regionale Karriereberater. Als Experten vor Ort wissen sie über viele Unternehmen Bescheid. Sind die Arbeitsbedingungen in einem Betrieb nicht gut, erfahren sie das von Klienten, die sich oft aus Unzufriedenheit an sie wenden. Ein idealer Weg, sich über eine Firma zu informieren, ist auch der persönliche Austausch mit den Angestellten. Wer die Möglichkeit hat, über Freunde oder Verwandte Kontakt zu Mitarbeitern herzustellen, sollte diese Chance unbedingt nutzen, rät Hofert. An Adressen kommt man zum Beispiel über die Kontakt-Plattform Xing.

Was eine gute Firma ausmacht, hängt von der persönlichen Perspektive ab. Dafür gelten individuelle Kriterien, sagt Hofert. Von außergewöhnlichen Weiterbildungsangeboten oder einem tollen Image lassen sich vor allem jüngere Bewerber beeindrucken. Ältere hingegen achten stärker auf soziale Aspekte wie das Betriebsklima, weiß die Karriereberaterin. Ein Kriterium ist allerdings für alle Mitarbeiter entscheidend: Die Führungsstruktur. Wenn die Chefetage willkürlich handelt, keine klare Linie erkennen lässt und die Kommunikation erschwert, führt das zu unzufriedenen Mitarbeitern.

Erste Hinweise auf das Betriebsklima ergeben sich meist schon beim Einstellungsgespräch. Bewerber sollten einen Tag vereinbaren, an dem sie die künftigen Kollegen begleiten, mit ihnen zu Mittag essen und ohne "Aufsicht" mit ihnen reden. Auch nackte Zahlen geben Auskunft über die Arbeitsatmosphäre: Ist beispielsweise die Fluktuation hoch, stimmt gewöhnlich etwas nicht. Bei Vertragsverhandlungen sind solche Fragen durchaus erlaubt, sie sollten nur zur richtigen Zeit und auf die richtige Art und Weise gestellt werden. Dafür gelte es ein Gespür zu entwickeln.

Eines sollten Arbeitnehmer nicht vergessen, sagt Hofert. Der Arbeitsmarkt hat sich in den vergangenen Jahren zugunsten der Bewerber gewandelt. "Man kann also ruhig etwas einfordern", betont die Karriereberaterin.

Marco Fischer hat sich letztendlich für das Unternehmen entschieden, das ihm einiges zu bieten hatte: eine produktive Arbeitsatmosphäre, Aufstiegschancen, Weiterbildungen und eine gute Bezahlung. Die Recherche im Netz habe ihm geholfen, sagt der Werbefachmann. Sein neuer Job entspricht den Erwartungen. Böse Überraschungen hat er nicht erlebt.

*Name von der Redaktion geändert

Sandra Schipp

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