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Jobs & Karriere: Von Hand gemacht

Warum es sich wieder lohnt, Geigenbauer, Steinmetz oder Schuhmacher zu werden. Drei Handwerker berichten aus ihrem Alltag

In der Werkstatt scheint die Zeit stehen geblieben. Es riecht nach Klebstoff. Vor dem Fenster steht eine alte Holzbank. Kneifzangen, Nägel, Maßband und Hammer liegen darauf. Der Schuhmacher sitzt mit Nadel und festem Hanffaden in den Händen davor. Auf das rechte Bein hat er einen Schuh geschnürt. So hat er die Hände frei, um die Sohle anzunähen.

Auch wenn Schuhe heute gewöhnlich aus dem Regal, die Kleider von der Stange und die Brötchen aus der Fabrik kommen: Das alte Handwerk ist noch nicht verschwunden. Nach wie vor gibt es in den Berliner Hinterhöfen noch Schuhmacher, Schneider und Bäcker, Steinmetze, Kürschner und Buchbinder, Sattler, Musikinstrumentenmacher und Schmiede.

Handwerker stellen Möbel her, sie schneidern Kleider und gestalten Grabsteine – so wie seit Hunderten von Jahren. Zumindest fast so wie damals. Denn ganz ohne Maschinen läuft auch im Handwerk nichts mehr.

Ein Handwerk zu betreiben kann sich auch heute durchaus lohnen. Man muss nur die richtige Nische finden. „In Berlin gibt es einen Markt für handgefertigte Einzelstücke“, sagt Susan Shakery von der Handwerkskammer. Mit Kreativität und handwerklichem Können lasse sich viel machen. Und gerade in Berlin werde diese Chance auch genutzt.

Doch wie sieht eigentlich der Alltag im Handwerk heute aus? Wie sind die Arbeitsbedingungen und die Zukunftsperspektiven? Drei Berliner Handwerker berichten, warum sie sich für den Beruf entschieden haben – und es auch nach Jahren im Job nicht bereuen.

DIE GEIGENBAUERIN

Janina Wildhage rührt Farbe an und streicht sie mit einem feinen Pinsel über den Cellodeckel, der auf ihrem Arbeitstisch liegt. Seit sie elf ist, spielt sie Geige. Zur Musikerin hat es nicht gereicht. So kam sie zum Instrumentenbau. „Ich hatte romantische Vorstellungen von dem Beruf, von der sinnlichen, feinen Arbeit, von der Nähe zur Kunst“, sagt die 35-Jährige, die seit 14 Jahren an der Werkbank steht. Die Träumereien sind Realität geworden. Auch wenn das längst nicht alles ist, was den Beruf ausmacht.

Geigenbauer sind Wandersleute. Das spiegelt sich auch in ihrer Biografie wider. Nach dem Abitur in Hannover ging Janina Wildhage nach Cremona in Italien, um in der traditionellen Geigenbauerstadt das Handwerk zu erlernen. In Berlin machte sie ihre Gesellenprüfung – und ging dann für zwei Jahre als Praktikantin in die Werkstatt von Christophe Landon nach New York. Dort lernte sie, womit sie sich bis dahin kaum befasst hatte: das Restaurieren historischer Saiteninstrumente. Außerdem knüpfte sie Kontakte. Wieder in Berlin, eröffnete sie mit Landon vor einem Jahr eine Werkstatt in der Zimmerstraße in Mitte. Inzwischen beschäftigt sie sich hauptsächlich mit Restaurierung.

Mit Blick auf die Galerien in der Nachbarschaft repariert sie Geigen und Cellos. Sie nimmt die Instrumente auseinander, untersucht sie, leimt Risse, arbeitet Holzstücke ein, lackiert Böden. Dabei ist ihre ganze Konzentration nötig. Die Arbeit ist oft sehr fein. „Ich versenke mich in ihr“, erklärt sie. Manchmal hört sie dabei Violinenkonzerte.

Wer Geigenbauer werden will, sollte sich der Unterstützung der Eltern sicher sein. Die Schule muss bezahlt werden. Während der anschließenden Praktika gibt es nicht viel Geld. „Da braucht man finanzielle Hilfe“, weiß Janina Wildhage. Und auch als Geselle winkt noch nicht das große Geld. Einen Tariflohn gibt es für Geigenbauer nicht. Wie viel man verdient, hängt vom Arbeitgeber, den Fähigkeiten und dem Verhandlungsgeschick ab. Hat man es aber bis zur eigenen Werkstatt geschafft, kann man vom Geigenbau ganz gut leben. Eine neue Geige kostet etwa 10 000 bis 35 000 Euro. Davon gehen die hohen Materialkosten ab. Je nach Instrument wird mehrere Wochen oder auch länger an einer Geige gearbeitet.

Mit ihren Aufträgen ist die Geigenbauerin ganz zufrieden. Streichinstrumente sind gefragt, der Musikmarkt in Berlin in den letzten zehn Jahren sogar gewachsen. Das hat mehr Geigenbauer in die Stadt gebracht: Vor der Wende gab es in Ost und West nur rund zehn Betriebe. Heute sind es 36. Sie arbeiten für Solo- und Orchestermusiker, für Hochschulen und Liebhaber.

Über ihre Zukunft macht sich Janina Wildhage keine Sorgen. „Geigenbauerin kann ich auch noch mit 80 sein“, sagt sie, „der Beruf bleibt spannend und vielseitig.“ Sie hat die Wahl. Sie kann sich spezialisieren, Meisterin werden, Akustik studieren – oder wieder ins Ausland gehen.

DIE STEINMETZIN

„Die Arbeit geht in den ersten Tagen ganz schön in die Arme“, erzählt Jaan Breuer. Mit Schürze steht der Azubi in der Werkstatt und schlägt mit Meißel und Hammer auf einen groben Naturstein ein. Sein erstes Werk. Wochenlang wird er noch daran zu tun haben, bis daraus ein glatter Quader wird.

„Naturstein ist relativ weich. Erst später in der Lehre werden härtere Steine bearbeitet“, erklärt Martina Breuer. Sie ist 42 Jahre alt, die Mutter des Azubis und selbst Steinmetzin. Seit vergangenem Jahr führt sie die Firma „Das Grabmal“ in Waidmannslust, einen Familienbetrieb mit vier Mitarbeitern. Sie hat ihn vom Vater übernommen, der ihn wiederum von seinem Vater übernommen hat. Jetzt steigt auch der Sohn ins Geschäft ein. Er lernt, Steine zu bearbeiten, Grabmale und Häuserfassaden zu gestalten, Brunnen zu bauen und Fliesen zu verlegen.

Der Beruf hat sich durch technische Neuerungen sehr verändert, berichtet Martina Breuer. Schleifen und Sägen wird per Maschine erledigt. Die Schrift mit Hilfe von Computertechnik in den Stein gefräst. Mit der Hand wird nachgearbeitet. In der Werkstatt dröhnen Motoren, Staub fliegt durch die Luft. Die Mitarbeiter tragen Ohrenschutz und Brille.

Bezahlt wird in der Branche im Vergleich zu anderen Handwerksberufen recht gut. Ein Geselle verdient laut Tarif 13,08 Euro in der Stunde. Das sind monatlich etwa 2100 Euro brutto.

Außerdem ist Nachwuchs gesucht. Seit Jahren gehe die Anzahl der ausgelernten Gesellen zurück, berichtet der Obermeister der Steinmetzinnung, Klaus Hengstmann. Neben der dualen Ausbildung in Betrieb und Schule gibt es in Berlin auch eine rein schulische Ausbildung.

Rund 70 Steinmetz-Firmen mit insgesamt 650 Beschäftigten sind in Berlin ansässig. „Zu tun gibt es genug“, sagt Hengstmann. Anonyme Bestattungen seien leicht rückläufig, es gebe also wieder mehr Aufträge für Grabsteine. Zum anderen seien bei zahlreichen Bauprojekten in der Stadt auch Steinmetze gefragt. „Viele Betriebe hoffen auch, vom Berliner Schloss zu profitieren.“

DER SCHUHMACHER

Manfred Schmitz ist ein eher ungewöhnlicher Schuhmacher. Er ist 49 Jahre alt und arbeitet in der Schuhmacherei Paul Körting in der Meinekestraße, gleich um die Ecke vom Kudamm. Er muss nicht wie seine Kollegen die Füße der Kunden vermessen. Er zeichnet auch keine Skizzen oder macht Vorschläge zu Form und Lederart eines geplanten Schuhs. In seinem Betrieb herrscht Arbeitsteilung.Um fünf Uhr morgens fängt sein Tag an. Er setzt sich an den alten Holztisch und beginnt, aus fertigen Teilen Schuhe zusammenzusetzen. Er spannt den Rahmen über den Schaft, setzt die Sohle darauf, dann wird der Absatz angeklebt. Ist ein Paar fertig, kommt das nächste dran.

Über seinen Tisch gehen hauptsächlich orthopädische Schuhe. Kunden, die wegen besonderer Fußform oder Stellung nicht in die Standardschuhe passen, geben sie in Auftrag. Gezahlt wird das meist von den Krankenkassen.

Die Schuhmacherei in der Meinekestraße ist eine von 60 Schuhmacherwerkstätten in Berlin. Schuhmacher aber im eigentlichen Sinne des Wortes, die Ballerinas, Pumps oder Boots vom Schaft bis zum Absatz selbst fertigen, sind es nur noch zwei. „Solche Schuhe kann sich kaum jemand leisten. Für ein Paar muss man mindestens 1200 Euro zahlen“, sagt Innungsobermeister Kurt Jacubowsky. Auch bei Paul Körting ist nicht alles handgemacht. Das Oberteil des Schuhs, der Schaft, wird in der Fabrik produziert.

Das Gehalt liegt weit unter dem des Steinmetzen. Bis zum Ende des zweiten Berufsjahres erhält ein Geselle 8,65 Euro Stundenlohn und ab dem 3. Jahr dann 9,85 Euro. „Dafür arbeitet heute aber keiner mehr“, weiß Jacubowsky. Deshalb würden die meisten Betriebe übertariflich zahlen. Doch wer jetzt eine Ausbildung beginnt, hat gute Chancen, in ein paar Jahren ein Geschäft zu übernehmen. Es gibt kaum Nachwuchs. Dabei sind die Perspektiven gut. Nicht das Schuhmachen aber ist die Zukunft, sondern das Reparieren hochwertiger Schuhe, so der Innungsobermeister. Nur noch ein handvoll Schuhmacher seien dazu in der Lage.

Nach der Ausbildung gibt es vielfältige Möglichkeiten, in Weiterbildungen mehr über Material oder Verarbeitung zu lernen. Wer weiterkommen will, kann sich auch selbstständig machen. Den Meistertitel braucht man dazu nicht mehr.

Manfred Schmitz ist Schuhmacher geworden, weil es in den 70er Jahren, als er nach einer Lehre gesucht hat, wenige Stellen gab und er bei einem Betrieb ganz in der Nähe seines Wohnortes unterkommen konnte. „Auch wenn es kein Traumjob ist. Es macht Spaß“, sagt er. Jeder Schuh ist anders. Am Nachmittag hat er dann vor Augen, was er geschafft hat: „Es ist ein schönes Gefühl, wenn die fertigen Schuhe dann vor einem stehen.“

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