zum Hauptinhalt

Jobs & Karriere: Was Hänschen nicht gelernt hat

Geringqualifizierte kommen bei der Weiterbildung oft zu kurz. Drei Programme wollen das ändern

Geringqualifizierte wollen nicht lernen, können nicht lernen und sind auf dem Arbeitsmarkt ohnehin nicht gefragt – drei Vorurteile, die sich hartnäckig halten, wenn es um die Weiterbildung von Menschen ohne oder mit veraltetem Berufsabschluss geht. Vorurteile, die natürlich zu kurz greifen. Doch richtig ist: Wer tagtäglich einfache Routinearbeiten verrichtet oder nach langer Pause wieder in den Beruf zurückkehrt, braucht häufig andere Lernkonzepte als jemand, der es gewohnt ist, sein Wissen immer auf dem neuesten Stand zu halten. In Unternehmen kommen geringqualifizierte Mitarbeiter bei der Weiterbildung oft zu kurz. Dabei könnte das Wissen, das sie heute erwerben, schon in wenigen Jahren dringend benötigt werden.

Die Bundesagentur für Arbeit hat deshalb im vergangenen Jahr das Förderprogramm „Wegebau – Weiterbildung Geringqualifizierter und beschäftigter älterer Arbeitnehmer in Unternehmen“ ins Leben gerufen. Es soll bei Betrieben und Beschäftigten mehr Interesse an beruflicher Weiterbildung wecken – durch Entgeltzuschüsse für den Arbeitgeber und die Übernahme von Weiterbildungskosten für den Arbeitnehmer. Wer es seinen Beschäftigten ermöglicht, einen Berufsabschluss nachzuholen oder eine andere berufliche Teilqualifikation zu erwerben, bekommt für die Dauer der Fortbildung einen Zuschuss zum Arbeitsentgelt. Auf Wunsch wird auch eine Ersatzkraft gestellt. An- oder ungelernten Arbeitnehmern erstattet die Arbeitsagentur die Lehrgangsgebühren und beteiligt sich an den übrigen Weiterbildungskosten.

An sich also eine gute Sache – wenn das Programm doch nur ein wenig populärer wäre! Rosita Auer jedenfalls musste enormes Durchhaltevermögen beweisen, um ihre Weiterbildung über „Wegebau“ finanziert zu bekommen. Zwei Berater der Arbeitsagentur, bei denen die 45-Jährige vorsprach, schienen die Fördermöglichkeit nicht zu kennen. „Zuerst hieß es: Wenn sie eine Förderung wollen, müssen sie arbeitslos sein“, erzählt sie. Doch das war Rosita Auer nicht: Nach zwölf Jahren „Kinderpause“ hatte die gelernte Hotelfachfrau einen Minijob in einem Naturkostgeschäft angefangen und wollte jetzt eine Ausbildung in diesem Bereich draufsatteln. „In meinem alten Beruf war ich vor allem im Tagungs- und Bankettgeschäft tätig“, erzählt Auer, die in der Nähe von Konstanz lebt. „Aber in unserer Gegend ist in dieser Branche kaum etwas zu finden.“

Mit Hilfe eines Zeitungsartikels über „Wegebau“ und eines weiteren Berufsberaters, der das Programm schließlich kannte, war der Weg dann frei: Jetzt bezahlt die Arbeitsagentur Rosita Auer einen Fernlehrgang zur Naturkostfachberaterin beim Forum Berufsbildung in Berlin. Demnächst werden die ersten Lernhefte in ihrem Briefkasten liegen.

Wie viele andere Menschen ist die Hotelfachfrau nicht im klassischen Sinne geringqualifiziert. Doch schon eine Auszeit von wenigen Jahren kann dazu führen, dass man im einmal erlernten Job den Anschluss verliert – oder das Selbstvertrauen, mit den berufserfahrenen Kollegen Schritt halten zu können. Um gerade Frauen dieses Selbstbewusstsein zurückzugeben und ihren Neustart in den Job erfolgreich zu gestalten, hat die gemeinnützige Berliner Gesellschaft Goldnetz das Programm „Mentoring 45 +“ für geringqualifizierte Frauen ab 40 ins Leben gerufen. Gemeint sind damit nicht nur Frauen mit einfacher Berufsausbildung, sondern auch solche, die einen veralteten oder in Deutschland nicht anerkannten Abschluss besitzen oder lange nicht mehr im ursprünglichen Beruf gearbeitet haben.

Jede von ihnen bekommt eine berufserfahrene Mentorin zur Seite gestellt, die ihren Schützling – die Mentee – ein Jahr lang begleitet und in regelmäßigen Treffen beim Erreichen ihrer beruflichen Ziele unterstützt. Voraussetzung ist, dass die Teilnehmerinnen vor kurzem eine neue Beschäftigung aufgenommen haben oder in absehbarer Zeit aufnehmen werden.

„Da Goldnetz zum Beispiel auch Teilnehmer aus Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und so genannten Ein-Euro-Jobs in den ersten Arbeitsmarkt vermittelt, kennen wir die Probleme, die beim Start in einen neuen Job auftreten“, erzählt Projektleiterin Sabine Kamp. „Gerade nach langer Arbeitspause ist das ein Sprung ins kalte Wasser und viele überstehen nicht einmal die Probezeit.“ Das liege nicht nur daran, dass die Wiedereinsteiger den Anforderungen ihres Arbeitgebers nicht genügen. „Oft fühlen sich auch die Beschäftigten überfordert und kündigen selbst.“

Genau hier setzt Goldnetz an: Gemeinsam mit ihren Mentorinnen – erfolgreiche Frauen aus den unterschiedlichsten Berufsgruppen – können die Teilnehmerinnen ein Jahr lang ihre beruflichen Ziele besprechen und überprüfen. Zusätzlich gibt es begleitende Seminare, bei denen es zum Beispiel um Zeitmanagement, den Umgang mit Konflikten, Motivation oder Arbeitsrecht geht.

Mentoring für geringqualifizierte Frauen – so heißt auch eine Initiative, die das Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg und das Berufsfortbildungswerk in Berlin ins Leben gerufen haben. Das Konzept sieht jedoch etwas anders aus als bei Goldnetz. „Wir möchten Frauen auf geringqualifizierten Arbeitsplätzen weiterbilden und ihnen so die Chance geben, auch in Zukunft bei ihrem Arbeitgeber beschäftigt zu bleiben“, erklärt Projektleiterin Evelyn Schmidt. In enger Absprache mit den beteiligten Unternehmen – kleinen und mittelgroßen Betriebe aus Tempelhof-Schöneberg und inzwischen auch darüber hinaus – wurde der Qualifizierungsbedarf der Frauen ermittelt und passgenaue Lehrgänge konzipiert. Dazu zählen zum Beispiel EDV-Kurse, Seminare zum Qualitätsmanagement, Telefon- und Kommunikationstrainings aber auch ein Deutschkurs für die rund 30 ausländischen Mitarbeiterinnen eines Gebäude- und Reinigungsservices.

Als Unterstützung wird den Frauen ein Mentor aus ihrem jeweiligen Betrieb zur Seite gestellt, der sie parallel zur Bildungsmaßnahme unterstützt und zum Weitermachen anspornt. „Geringqualifizierte und ältere Frauen haben in Sachen Weiterbildung oft besondere Motivationsprobleme“, weiß Evelyn Schmidt. So müssen sie zum Beispiel die Dreifachbelastung Familie, Beruf und Lernen unter einen Hut bekommen. „Oft fehlt auch die nötige Unterstützung durch den Partner“, bedauert die Soziologin, „etwa wenn die Ehefrau samstags eben nicht Zuhause ist, sondern im Seminar sitzt.“ Hinzu komme, dass Lernerfahrungen bei vielen Frauen schon lange Jahre zurückliegen.

Betriebe für das Programm zu gewinnen, war allerdings ein hartes Stück Arbeit. „Gerade kleinen Unternehmen tut es schon weh, wenn gleich mehrere Mitarbeiterinnen regelmäßig ausfallen“, sagt Evelyn Schmidt. Den beteiligten Firmen rechnet sie ihre Initiative daher auch hoch an. Langfristig werden die aber ohnehin belohnt: mit Beschäftigten, die genau das können, was im Betrieb gebraucht wird.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false