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Karrierefrage: Schützt Krankheit vor Kündigung?

Können Mitarbeiter, die krank sind, entlassen werden? Diese Frage beantwortet der Arbeitsrechtler Dietmar Müller-Boruttau.

Ein Leser fragt: Ich bin Mediendesigner und arbeite seit fünf Jahren in einer Agentur mit 17 Kollegen, die aus wirtschaftlichen Gründen gezwungen ist, einigen Mitarbeitern zu kündigen. Nun ist bei mir vor kurzem eine chronische Erkrankung festgestellt worden. Dadurch bin ich doch davor geschützt, entlassen zu werden - oder?

Unser Experte antwortet: Einen derartigen Entlassungsschutz gibt es – anders als etwa in der Schweiz oder der ehemaligen DDR – nicht. Allerdings kann sich durch eine Erkrankung der Kündigungsschutz erhöhen. Die anstehenden Kündigungen müssen sozial gerechtfertigt sein. Wird aus wirtschaftlichen Gründen gekündigt, handelt es sich um betriebsbedingte Kündigungen. Die Entscheidung, welche Mitarbeiter betroffen sind, ergibt sich durch die Sozialauswahl. Die maßgeblichen Kriterien gibt das Kündigungsschutzgesetz abschließend vor: Nur die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Alter, bestehende Unterhaltspflichten und eine etwaige Schwerbehinderung können berücksichtigt werden. Eine Erkrankung als solche beeinflusst die Sozialauswahl nicht – geschweige denn, dass eine Erkrankung dazu führt, dass Sie nicht in die Sozialauswahl einzubeziehen wären.

Erst wenn die Erkrankung so gravierend ist, dass zugleich eine Schwerbehinderung vorliegt, kann sich der Kündigungsschutz erhöhen. Ein Ausschlusskriterium für eine Kündigung liegt aber auch dann nicht vor. Die Kündigung jedoch insoweit erschwert, als der Arbeitgeber zuvor die Zustimmung des Integrationsamts einholen muss. Ohne diese Zustimmung ist die Kündigung in jedem Fall unwirksam. Ist die Kündigung aber allein betriebsbedingt veranlasst und besteht kein Zusammenhang mit einer Schwerbehinderung, wird die notwendige Zustimmung sicher erteilt. Dann verschieben sich aber der Ausspruch der Kündigung und damit auch das Ende des Arbeitsverhältnisses.

Ein chronisch erkrankter Mitarbeiter kann daher, wenn sich eine Entlassungswelle abzeichnet, einen Antrag auf Feststellung der Schwerbehinderung (beziehungsweise entsprechende Gleichstellung) stellen. Dabei ist zu beachten, dass der Antrag mindestens drei Wochen vor Zugang der Kündigung gestellt und die Antragstellung beziehungsweise die gegebenenfalls festgestellte Schwerbehinderung dem Arbeitgeber binnen drei Wochen nach Zugang der Kündigung mitgeteilt werden muss. Eine Erkrankung eines Arbeitnehmers verhindert auch nicht die wirksame Zustellung einer Kündigung. Ist dieser krank zu Hause, kann die Kündigung an die dem Arbeitgeber bekannte Anschrift zugestellt werden. Gleiches gilt grundsätzlich bei einem längeren Krankenhaus- oder Reha-Aufenthalt.

– Haben Sie auch eine Frage? Dann schreiben Sie uns:

E-Mail: Redaktion.Beruf@tagesspiegel.de

Dietmar Müller-Boruttau

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