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Karstadt-Mutter: Arcandor stellt Insolvenzantrag

Der geschwächte Handels- und Touristikkonzern Arcandor geht in die Insolvenz. Konzernchef Eick verzichtet auf einen Staatskredit. Arbeitsminister Olaf Scholz kritisierte das Management und machte es für die Insolvenz verantwortlich. Insgesamt sind 43.000 Beschäftigte bei Karstadt und Quelle betroffen.

SPD-Arbeitsminister Olaf Scholz hat die Eigentümer und Manager von Arcandor, aber auch den Koalitionspartner CDU für die Insolvenz des Warenhauskonzerns verantwortlich gemacht. Dem "Tagesspiegel" sagte Scholz:  "Die Insolvenz von Arcandor ist eine schlechte Nachricht. Ein weiteres Mal müssen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dafür büßen, was das Missmanagement und die Profitsucht anderer ihnen eingebrockt haben." Er sei enttäuscht, sagte Scholz, dass der Satz "Eigentum verpflichtet" auch in diesem Fall nicht mehr ernst genug genommen werde.

Zur Entscheidung der Regierung, Arcandor keine Staatshilfen zu gewähren, sagte Scholz: "Die SPD in der Regierung hat sich bis zuletzt gegen ideologische Schranken und für eine Lösung eingesetzt."

Arcandor hatte zuvor den Kampf um Staatshilfe aufgeben: Der Karstadt-Mutterkonzern hat Insolvenz angemeldet und beim Amtsgericht Essen entsprechende Anträge für die Arcandor AG sowie die Tochterunternehmen Karstadt Warenhaus GmbH, die Primondo GmbH und die Quelle GmbH gestellt. Ausgenommen sind dagegen der Reiseanbieter Thomas Cook, die Primondo-Specialty Group GmbH mit ihren Tochter- und Beteiligungsgesellschaften sowie der Homeshopping-Sender HSE24. Rund 128 Jahre nach der Gründung des ersten Hauses droht dem Konzern um die traditionsreiche Kaufhaus-Kette Karstadt die Zerschlagung.

Laut Unternehmenssprecher Gerd Koslowski musste Arcandor diesen Weg gehen, da sonst die Zahlungsunfähigkeit gedroht habe. Grund seien kurzfristig fällig werdende Darlehen in Höhe von 710 Millionen Euro. Ziel sei es nun, "das Unternehmen zu sanieren und den Fortbestand zu sichern". Die Haupteigentümer würden sich unverändert zum Fortbestand des Unternehmens bekennen. Für Kunden soll es keine Einschränkungen geben. "Alle Geschäfte laufen ungehindert weiter". Garantien, Anzahlungen oder Rückgaberechte würden nicht angetastet. Auch Lieferanten und die Gehälter der Beschäftigten würden bezahlt. Für die 43.000 von den Insolvenzanträgen betroffenen Mitarbeiter werde bis August die Bundesagentur für Arbeit Insolvenzgeld zahlen.

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Trotz dieser Zusagen haben viele Mitarbeiter mit Entsetzen und Tränen auf die Nachricht reagiert. "Das ist durchgegangen wie eine Explosion", sagte Betriebsrätin Gabriele Schuster. "Die Stimmung ist grausam, die Mitarbeiter weinen." Jetzt würden bei der Sanierung sicher viele Stellen gestrichen, fürchtet sie. Vorstandschef Karl-Gerhard Eick dankte den Mitarbeitern: "Wir werden darum kämpfen, möglichst viele Arbeitsplätze und Standorte zu erhalten sowie die wertvollen deutschen Traditionsmarken in eine gute Zukunft zu führen." 

Im Mittelpunkt steht nun das Schicksal der Beschäftigten: Nach den Worten von Bundeskanzlerin Angela Merkel wird sich Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg "schnell mit den Personalvertretungen an einen Tisch setzen". Sie schränkte allerdings ein, dass die Politik auch nur soviel tun könne, wie ihr möglich sei. Dennoch sieht sie in dem Insolvenzantrag die Chance, "Beschäftigung zu erhalten", insbesondere durch ein Zusammengehen von Arcandor mit dem Konkurrenten, dem Kaufhof-Mutterkonzern Metro.

Verhandlungen über eine Fusion von Karstadt und Kaufhof zu einer neuen Deutschen Warenhaus AG sollen nun "zeitnah" weitergeführt werden. "An unserem Konzept halten wir unverändert fest. Die Tür für Gespräche und Verhandlungen steht offen", sagte Metro-Sprecher Michael Inacker. Hierzu gehörten auch Gespräche mit Eigentümern und Vermietern. Metro habe ein großes Interesse daran, schnell mit Karstadt zu einer Lösung zu kommen, damit die Rettung der Warenhäuser nicht durch die Insolvenz verzögert werde.

Nach den Plänen von Metro soll das neue Unternehmen 160 Filialen weiter betreiben, darunter wären 60 der derzeit 90 Karstadt-Häuser. Die anderen 30 will Metro-Chef Eckhard Cordes schließen. 5000 Arbeitsplätze sollen nach Angaben von Metro dadurch wegfallen.

Zeitgleich zu den Gesprächen mit möglichen Investoren wie dem Metro-Konzern, der Hamburger Otto Group sowie des Rewe-Konzerns wird Arcandor nun einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellen. Der Kölner Anwalt Klaus Hubert Görg wird diesen Posten übernehmen und dann für alle vier Insolvenzverfahren zuständig sein. Anders als die bisherige Unternehmensführung derzeit hat Görg weit mehr Möglichkeiten, Arcandor zu sanieren. So kann er langfristige Verträge kündigen, sowohl mit Vermietern als auch mit Lieferanten – und diese womöglich nachverhandeln.

Durch die Insolvenz von Arcandor verbessert sich nun vor allem die Position von Metro. Jetzt könne Metro-Chef Cordes die "Bedingungen weitgehend diktieren", sagte der Insolvenzexperte Hans Haarmeyer von der Fachhochschule Koblenz. Arcandors Konkurrent könne sich nun die wertvollsten Filialen hinauspicken und die restlichen Häuser mit ihren Schulden in der Insolvenzmasse belassen. Ähnliche strategische Vorteile hätte auch der Hamburger Otto-Versand, sollte er die ebenfalls insolvente Quelle GmbH übernehmen.

Für die neuen Investoren wäre es zudem leichter, Jobs zu streichen, um Kosten zu sparen. Der Beschäftigungspakt, den Arcandor mit rund 32.000 seiner insgesamt 50.000 Beschäftigen abgeschlossen hat, würde im Falle einer Insolvenz hinfällig werden. Auch deshalb traut man bei der Gewerkschaft Verdi den Versprechungen Cordes’ nicht.

Doch nicht nur die Beschäftigten müssen mit Verlusten rechnen. Auch die Besitzer der Immobilien und ihre Gläubiger wären betroffen. Die Eigentümer der Karstadt-Kaufhäuser, mehrere Finanzinvestoren, kassierten bisher enorm hohe Mieten: für die Häuser in München, Leipzig, Potsdam, Wiesbaden und Karlsruhe pro Jahr 42,6 Millionen Euro, für die restlichen Immobilien 280 Millionen Euro jährlich. Diese Zahlungen bleiben nun vorerst aus.

Das Ringen um eine Zukunft für Arcandor und die Karstadt-Warenhäuser zog sich über mehrere Wochen hin. Noch bis Dienstag wollte Arcandor mit Hilfe des Staates eine Insolvenz abwenden. Doch der Bund lehnte die von Arcandor beantragte Staatsgarantie und eine Rettungsbeihilfe über 437 Millionen Euro ab und verlangte von Banken, Vermietern und Eigentümern des Unternehmens weitere Zugeständnisse. Daraufhin hatte die Arcandor-Spitze die Nacht durch mit allen Beteiligten verhandelt – und schließlich auch die Hereingabe eines zweiten, verbesserten Antrags verworfen.

Der Bund hatte zuletzt seine Bedingungen für die Rettungsbeihilfe – "signifikante Beiträge der Eigentümer" (Guttenberg) – auch öffentlich formuliert: Die von den Eignern, sprich der Kölner Privatbank Sal Oppenheim und der Quelle-Erbin Madeleine Schickedanz angebotene Kapitalerhöhung um 150 Millionen Euro reiche nicht aus. Auch am Dienstag rechtfertigte Kanzlerin Merkel die Entscheidung des Bundes, keine Hilfen zu gewähren: "Die Zusagen der Gläubiger waren absolut nicht genug". (Tsp/Zeit Online)

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