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Karstadt-Mutter: Fluchttendenzen bei Arcandor

Der Karstadt-Mutterkonzern beginnt, sich aufzulösen. Erste Teilbereiche suchen auf eigene Faust Käufer. Die Entscheidung über die Zukunft fällt bald.

Es läuft auf einen Showdown in den Sommerferien hinaus. Mitte August entscheiden die Gläubiger von Arcandor – Banken, Immobilienbesitzer, Lieferanten und Arbeitnehmer – endgültig über die Zukunft des Handels- und Touristikkonzerns. Auf dem Spiel stehen die Jobs von mehr als 50 000 Mitarbeitern und die Traditionsmarken Karstadt und Quelle. Damit spitzt sich der seit Monaten andauernde Überlebenskampf von Arcandor erneut zu. Spätestens Anfang September, wenn das offizielle Insolvenzverfahren eröffnet wird, muss eine Entscheidung gefallen sein. Vieles spricht dafür, dass der Konzern aufgeteilt wird.

Vorstandschef Karl-Gerhard Eick tut derzeit das, was ihn seit März dieses Jahres umtreibt, als er in Essen die Nachfolge von Thomas Middelhoff antrat: Er wirbt um Finanziers für den angeschlagenen Konzern. Mit einem neuen Sanierungskonzept will der ehemalige Telekom-Vorstand das Blatt noch wenden und Arcandor aus der Insolvenz führen.

Von seinem ursprünglichen Plan, den Konzern in der heutigen Struktur zu erhalten, ist er bereits abgekommen. Eicks Hoffnungen ruhen nun auf den Synergieeffekten durch eine engere Verzahnung von Karstadt und Quelle, etwa im Einkauf oder bei der Datenverarbeitung. Das ist eine vage Hoffnung und zudem eine Idee, die seit der Fusion der beiden Häuser im Jahr 1999 besteht. Eick plant einen radikalen Umbau mit harten Einschnitten, wie er selbst vor wenigen Tagen einräumte. Der Chef will den Laden so weit es geht zusammenhalten – auch wenn es zahlreiche Stellen kostet. Das stößt auf Widerstand. Etwa bei Hellmut Patzelt, Betriebsratsvorsitzender bei Arcandor und bei Karstadt. „Wir wollen so viele Arbeitsplätze wie möglich erhalten, ob nun unter Arcandor oder was auch immer“, sagte Patzelt dem Tagesspiegel am Sonntag.

Die Suche nach interessierten Investoren wird für Eick immer schwieriger. Vor allem die finanzstarken Eigentümer des Konzerns scheinen nicht mehr an die Pläne des Managers zu glauben. Da ist zum einen die Kölner Privatbank Sal. Oppenheim, die Arcandor im Herbst 2008 vorläufig vor der Pleite rettete und nach wie vor 24,9 Prozent der Anteile hält. Im Streit um die weitere Unterstützung der Bank schmiss der renommierte Insolvenzverwalter Horst Piepenburg vor Wochenfrist bei Arcandor hin. An seiner Person hatten viele das Überleben des Konzerns festgemacht.

Und dann ist da noch Quelle-Erbin Madeleine Schickedanz. Die zweite Hauptaktionärin (26,6 Prozent) leistete zuletzt einen öffentlichen Offenbarungseid, sprach von Milliardenverlusten und davon, dass sie nun bei Discountern einkaufe – womöglich, um eine Absage an neue Finanzspritzen vorzubereiten. Eick ficht das nicht an. Er rede derzeit mit einer Handvoll möglicher neuer Investoren im In- und Ausland, sagte er der „Rheinischen Post“. Darunter seien auch Private- Equity-Firmen.

Die profitablen Teile von Arcandor beginnen derweil bereits, sich vom Konzern zu lösen. Die Insolvenzverwaltung bereitet den Verkauf der Mehrheitsbeteiligung an dem britischen Touristikunternehmen Thomas Cook vor, wie ein Sprecher bestätigte. Mehrere Gläubigerbanken, an die die Aktien bereits vor längerer Zeit verpfändet wurden, sollen die Beteiligung nach Informationen der „Financial Times Deutschland“ in den kommenden Tagen abgeben. Ebenso sollen sich mehrere Spezialversender, die zur Arcandor-Sparte Primondo gehören, inzwischen selbst auf die Suche nach Käufern gemacht haben.

Diese Fluchttendenzen werden Eick nicht gefallen, aber er scheint sich damit abgefunden zu haben, nur die Handelshäuser Karstadt und Quelle im Verbund zu erhalten. Das wird schwierig genug, denn die Ausgangssituationen in Essen und Fürth könnten unterschiedlicher kaum sein. Während die Filialen von Karstadt und Karstadt- Sport seit Wochen von mehreren Seiten umworben werden, hat sich für das Kerngeschäft des fränkischen Versandhändlers noch niemand interessiert. Konkurrent Otto möchte lediglich das Osteuropa-Geschäft übernehmen. Auch der laufende Betrieb seit dem Insolvenzantrag Anfang Juni entwickelt sich unterschiedlich. Handelskreisen zufolge brach der Umsatz bei Quelle im Juni um 50 Prozent ein. Bei Karstadt ist von einem Rückgang um acht Prozent die Rede, was Patzelt allerdings dementiert. „Es gibt keine negative Umsatzentwicklung bei Karstadt. Die Kunden stehen zu uns“, sagte der Betriebsratsvorsitzende.

Drei Monate dauert die Phase, die das deutsche Insolvenzrecht zahlungsunfähigen Firmen einräumt, um die Weichen für die Zukunft zu stellen. In dieser Zeit ruhen die Forderungen der Gläubiger; Löhne und Gehälter zahlt die Bundesagentur für Arbeit. Nach wenigen Wochen müssen Insolvenzverwaltung und Gläubiger entscheiden, ob ein Unternehmen abgewickelt oder weitergeführt wird. Bei Arcandor drängt die Zeit noch mehr, weil zunächst das kurzfristige Überleben von Quelle über einen staatlichen Kredit zur wochenlangen Hängepartie geriet. Erst seitdem arbeitet Insolvenzverwalter Klaus-Hubert Görg an einem Plan für die langfristige Perspektive. Entscheidend ist jedoch das Votum der Gläubiger bei der nun anstehenden Sitzung. Einen genauen Termin gibt es Patzelt zufolge noch nicht. Lange darf es nicht mehr dauern.

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