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Gut drauf. Volkswagen-Chef Matthias Müller will kein „Ankündigungsweltmeister“ sein. In Sindelfingen fährt er mit dem Konzeptfahrzeug „Sedric“ vor.

© Marijan Murat/dpa

Kartellverdacht: Autobauer wollen von Preisabsprachen nichts wissen

Daimler und VW verstehen die Aufregung um EU-Ermittlungen nicht. Statt auf mögliche Kartelle in der Vergangenheit wollen sie den Blick nach vorne richten.

Die Aufregung können Dieter Zetsche und Matthias Müller nicht verstehen. Diesel-Skandal, Kartell-Verdacht, Fahrverbote – alles verursacht gleich den großen medialen Aufruhr. Dabei gibt es dafür nach Ansicht von Daimler-Chef Zetsche und seinem VW-Kollegen Müller gar keinen Anlass: „Wenn dort auf der einen Seite der größte Skandal seit dem Zweiten Weltkrieg ausgerufen wird und auf der anderen Seite zwei Jahre, seit dieses Thema auf dem Tisch liegt, noch keine Meinungsbildung entstehen konnte, ob es sich lohnt, ein Verfahren zu diesem Thema zu eröffnen, dann ist ja eine gewisse Diskrepanz vorhanden“, sagte Zetsche auf dem „Autogipfel des „Handelsblatts“ in Sindelfingen.

Ein komplizierter Satz mit einer einfachen Botschaft: Solange die EU-Kommission kein formelles Ermittlungsverfahren gegen BMW, Daimler und Volkswagen eröffnet hat, bleibt es bei einem Verdacht. Dieser wiegt allerdings schwer: Die Autobauer sollen sich Jahre lang unzulässig über Preise, Abgasreinigung und technische Standards abgesprochen haben. Daimler hat sich in der vergangenen Woche als Kronzeuge angeboten, auch VW soll eine Art Selbstanzeige bei den Behörden erstattet haben. Es gab mehrere Razzien und Nachprüfungen der EU-Kommission in den Konzernzentralen.

EU-Ermittlungen seit zwei Jahren bekannt

Seit zwei Jahren, so deutete Zetsche jetzt an, wissen die Beteiligten von den Ermittlungen der EU. Er wisse auch, sagte Zetsche in Sindelfingen, dass sich die unter Verdacht geratenen Gespräche unter den Herstellern in erster Linie um Absprachen zu Standards und ähnlichem gedreht hätten. Kein Problem also. Auch Matthias Müller wiegelte am Mittwoch ab: „Von Preisabsprachen beispielsweise, die ein Kartellvergehen darstellen würden, ist mir nichts bekannt.“ Und: Natürlich habe man unter dem Dach des Branchenverbandes VDA zum Beispiel in Fragen der Standardisierung „sehr kooperativ“ zusammengearbeitet. Kein Problem.

Absprachen sind üblich und nicht grundsätzlich illegal, die Frage ist nur, wo die Grenzen liegen – und ab wann die Kunden einen Nachteil haben. Das wollen weder Zetsche noch Müller beurteilen. „Ob es dort irgendwelche Bereiche gab, in denen die Situation nicht so glasklar ist, wird zurzeit überprüft“, sagte der Daimler-Chef. BMW soll dem Vernehmen nach schwer verärgert über das Vorgehen der Wettbewerber sein. BMW-Vorstandschef Harald Krüger sagte seinen Auftritt beim „Auto-Gipfel“ kurzfristig aus gesundheitlichen Gründen ab.

VW will kein "Ankündigungsweltmeister" sein

Anders als im Kartellfall liegen die Fakten beim Dieselskandal auf dem Tisch. Hier geht es den Konzernen um Schadensbegrenzung – und den Blick nach vorn. „Wir werden es sein, die die Mobilität von morgen maßgeblich prägen“, sagte Matthias Müller. Volkswagen hat der Dieselskandal bis heute mehr als 20 Milliarden Euro gekostet. Der Konzern hat hohe Investitionen in die Elektromobilität angekündigt. Die Industrie stehe vor einem nie da gewesenen Innovationsschub, sagte Müller. „Der Durchbruch neuer Technologien kommt nicht mit den Ankündigungsweltmeistern.“ Er komme mit denen, die sie „in relevanten Stückzahlen“ auf die Straße bringen könnten.

Der Autoverband VDA flankierte die Bemühungen der Autobauer, das Thema Dieselskandal hinter sich zu lassen. „Die Luftqualität ist besser, als es von manchen Kritikern behauptet wird“, sagte VDA-Geschäftsführer Joachim Damasky auf dem Deutschen Logistik-Kongress in Berlin. In der aktuellen Diskussion um Fahrverbote und Luftreinhaltung gehe es „nur noch um bestimmte ,Hotspots’ in manchen Städten, aber keineswegs um ein Flächenproblem“.

Die von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) angekündigten weiteren Diesel-Treffen mit stark abgasbelasteten Städten und der Autoindustrie könnten sich angesichts der laufenden Koalitionsverhandlungen verzögern. Mit Blick auf ein erneutes Treffen sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Mittwoch: „Beide Absichten bestehen weiter.“ Termine dafür nannte er nicht.

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