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Zu dünn. Weil die Ladesäulen-Infrastruktur fehlt, zögern Carsharingfirmen, ihre Elektroautoflotten auszubauen.

© IMAGO

Kaum E-Mobilität in Berlin: Bürokratie bremst Elektroautos

Ernüchterung nach dem Hype: Im Berliner Schaufenster Elektromobilität ist wenig zu sehen. Statt international als innovative Verkehrsmetropole zu glänzen, bremst die Bürokratie die Innovation.

Klaus Wowereit hat es kommen sehen: Wer Elektroautos auf die Straße bringen will, braucht mehr als ein Schaufenster. Schon vor knapp einem Jahr – Berlin versank gerade im Schneematsch – warnte der Regierende Bürgermeister auf einer „Hauptstadtkonferenz“: „Wir müssen aufpassen, dass die Elektromobilität nicht in den Hintergrund gerät.“ Was Wowereit im März 2013 dämmerte, ist eingetreten: Nach dem großen Hype um die teuren, sauberen E-Autos hat sich Ernüchterung breit gemacht.

Vom elektrischen Fortschritt ist auf den Straßen Berlins, das 2013 zum prall gefüllten internationalen Schaufenster für Elektromobilität werden sollte, wenig zu sehen. Die deutsche Autoindustrie bringt zwar die ersten eigenen Elektromodelle auf den Markt. In Berlin wird geforscht, getestet, gefördert. Doch die hohen Erwartungen an das Aufbruchjahr 2013 haben sich nicht erfüllt. Kommt 2014 die elektromobile Wende?

„Es ist absehbar, dass jetzt etwas passiert“, versichert Jörg Welke, Sprecher der Berliner Agentur für Elektromobilität (Emo). Von 29 Schaufensterprojekten seien 27 gestartet – und finanziert. Monate lang hatten die Berliner Anfang 2013 auf die Förderbescheide des Bundes gewartet. Weil Ebbe im Energie- und Klimafonds herrschte, der sich aus dem Zertifikatehandel speist, war auch die Förderung der bundesweit vier Schaufensterregionen (Berlin-Brandenburg, Baden-Württemberg, Bayern-Sachsen, Niedersachsen) gefährdet. Doch am Ende blieb das Budget von insgesamt 426 Millionen Euro unangetastet. Elektromobilität – so steht es im Koalitionsvertrag – soll auch in dieser Legislaturperiode ein zentrales Regierungsprojekt bleiben.

Das Geld fließt also, wenn auch verspätet. Auf rund 100 Millionen Euro summiert sich die Förderung für die Berliner Schaufensterprojekte – die anteilig von den Ländern Berlin-Brandenburg (20), der Industrie (40) und dem Bund (40) bereitgestellt wird. Nur ein Bruchteil davon ist abgerufen. Noch weniger ist in Projekte geflossen, die für die breite Öffentlichkeit deutlich und erlebbar machen, dass in Berlin etwas Besonderes passieren soll beim Thema Mobilität der Zukunft.

Die Emo verweist auf laufende Projekte. So sind zum Beispiel seit einiger Zeit drei elektrische Entsorgungsfahrzeuge in der Abfallwirtschaft unterwegs. Den Einsatz weiterer E-Nutzfahrzeuge im Wirtschaftsverkehr soll ein Forschungsverbund erforschen und praktisch umsetzen. Handwerkskammer, Kfz-Innung und andere haben mit einem Aus- und Weiterbildungsprojekt zur Kfz-Hochvolttechnik begonnen. Ein Anfang ist gemacht, doch viele andere Großprojekte, die Aufmerksamkeit erregen könnten, warten noch auf den Startschuss: die Elektrifizierung des Landesfuhrparks oder der vollelektrische Busbetrieb inklusive Ladeinfrastruktur.

„Wir hängen“, räumt Dietmar Göhlich ein, Koordinator des Forschungsnetzwerks Elektromobilität an der TU Berlin. „Die Sichtbarkeit der Elektromobilität ist noch nicht da.“ Schwacher Trost: Auch in den anderen Schaufensterregionen passiert wenig. Berlin hatte jedoch einen größeren Anspruch, wollte international strahlen und seinen Gästen aus aller Welt demonstrieren, wie die Metropole im Autoland Deutschland in eine saubere Zukunft des Verkehrs aufbricht. 100 000 Elektroautos will der Senat bis 2020 auf Berlins Straßen bringen – nur gut 1200 sind es heute, wenn man die Flotten der Carsharinganbieter mitrechnet.

Aus 300 geplanten Elektrosmarts im Carsharing wurden bislang 16

„Ich teile die Wahrnehmung, dass im Berliner Schaufenster noch nicht viel zu erkennen ist“, sagt auch Andreas Knie, Geschäftsführer des Innovationszentrums für Mobilität und gesellschaftlichen Wandel (InnoZ). Die Gründe dafür seien vielfältig. „Es ist eine Mischung aus fehlenden Rahmenbedingungen auf Bundesebene, regionaler Bezirksbürokratie und mangelnder personeller und finanzieller Ausstattung im Senat“, sagt Knie. So müsse auch die Emo politisch stärker hervorgehoben und finanziell besser ausgestattet werden, „damit sie mehr Wind machen kann“. Auch die Verkehrsverwaltung bemühe sich redlich, sei aber personell völlig unterbesetzt.

Beispiel Ladeinfrastruktur. Weil die Stadt weit zurückliegt beim Ausbau des öffentlichen Ladesäulen-Netzes – 400 von geplanten 1600 Ladepunkten sind installiert –, zögern die Carsharingfirmen, ihre Elektroauto-Flotte auszubauen. Car-2-Go etwa, die Gemeinschaftsfirma von Daimler und Europcar wollte 2013 insgesamt 300 Elektro-Smarts in Berlin auf die Straße bringen. Ganze 16 sind es geworden. „Wir hatten mehr vor“, sagt ein Sprecher. Da sich der Ausbau verzögere, könne man den Zeitplan aber nicht einhalten. „Es lohnt sich in Berlin noch nicht, Elektromobilität in der Fläche zu betreiben.“ Dennoch sei man optimistisch, dass die Dinge nun in Gang kommen.

Zweifel sind angebracht. Die Ende 2012 begonnene europaweite Ausschreibung für das Ladesäulen-Netz ist immer noch nicht entschieden. Schon im Sommer sollten eigentlich private Betreiber gefunden sein. Gut zwei Dutzend Bewerber gab es. Nun deutet sich an, dass die Verträge in diesem März unterschrieben werden. Danach soll mit dem Ausbau der Infrastruktur begonnen werden – mit zwölfmonatiger Verspätung.

Beispiel Parkplätze. Wenn man den Käufern von E-Autos schon keine Prämien zahlen will, sollen sie wenigstens frei parken dürfen – etwa beim Aufladen an öffentlichen Ladesäulen. „Typisch Berlin: Es fehlt an Durchgriffsformen bis in die Bezirke“, sagt Andreas Knie. Charlottenburg-Wilmersdorf etwa schleppe konsequent alle Elektroautos ab, die an Ladesäulen stehen, ohne geladen zu werden. „Das ist reine Bürokratie“, ärgert sich Knie. „Hier wäre mehr Augenmaß gefragt – und ein Machtwort des Senats.“

Kleinklein statt großer Wurf? Klaus Wowereit musste sich bereits vor einem Jahr den Vorwurf der Bundesregierung anhören, nichts sei so langweilig wie ein leeres Schaufenster. 2014 hat der Regierende Gelegenheit, den Ball zurückzuspielen.

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