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Wirtschaft: Kein Markt für gute Zahlen

EU-Kommission halbiert Prognose für Deutschland – Berlin verletzt wieder den Stabilitätspakt

Berlin/Brüssel - Führende Volkswirte haben der Prognose der EU-Kommission am Montag zugestimmt, dass das Wirtschaftswachstum Deutschlands in diesem Jahr nur noch 0,8 Prozent betragen wird. Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Deka-Bank, hält selbst die gesenkte Prognose der EU-Kommission noch für zu optimistisch. „An den Märkten wird bereits darüber nachgedacht, die Prognose weiter zu senken“, sagt Kater. Die Konjunkturdaten der letzten Monaten seien schlechter als erwartet. „Wenn April und Mai nicht deutlich besser werden, liegen wir beim Wachstum in diesem Jahr eher bei 0,5 Prozent“, sagte der Volkswirt. Holger Schmieding, Europa-Chefvolkswirt der Bank of America, hält die Wachstumsprognose von 0,8 Prozent für realistisch, sieht aber ebenfalls noch weitere Risiken. „Wenn der Ölpreis weiterhin so hoch bleibt, dann wird die Erholung im zweiten Halbjahr sehr wahrscheinlich ausbleiben“, sagte Schmieding.

Dagegen hält Michael Burda, Ökonom an der Humboldt-Universität, die neue Prognose der EU-Kommission sogar für zu pessimistisch. „Ich rechne in diesem Jahr mit einem Wachstum nicht unter einem Prozent“, sagte Burda. Es gebe Anzeichen, die sehr zuversichtlich stimmten. So seien die Aktienpreise deutlich gestiegen. Das habe in der Regel zur Folge, dass Investitionen und private Ausgaben anstiegen, sagte Burda. „Das ist positiv für die Binnennachfrage.“

USA und vor allem Japan nach. Das werde sich negativ auf die deutschen Exporte auswirken.

Die EU-Kommission hat in ihrem Frühjahrsgutachten ihre Wachstumsprognose für Deutschland auf 0,8 Prozent halbiert. Deshalb werde Berlin auch die Defizitgrenze von drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes zum vierten Mal in Folge nicht einhalten können, sagte Währungskommissar Joaquin Almunia am Montag. Mit weiteren Sparauflagen aus Brüssel muss Berlin aber kaum rechnen, da die Regeln des Paktes erst vor zwei Wochen gelockert worden sind. Viel wichtiger sei es, sagte Chefvolkswirt Kater , „dass die Bundesregierung eine neue, umfassende Reformagenda auflegt, mit abgestimmten Maßnahmen zu Steuern, Subventionsabbau und einer Flexibilisierung des Arbeitsmarktes.“

Mit nur 0,8 Prozent Wachstum erreicht Deutschland gerade mal die Hälfte des Durchschnitts der Euro-Staaten von 1,6 Prozent. In Irland dagegen wird die Wirtschaft in diesem Jahr laut EU-Kommission um 4,9 Prozent zulegen, in manchen osteuropäischen EU-Beitrittsstaaten um bis zu 7,2 Prozent. Besonders hohe Defizite erwartet die Kommission in Italien, Portugal und Griechenland. Italien als drittgrößte Volkswirtschaft der Euro-Zone dürfte sich in diesem Jahr mit einer Neuverschuldung von 3,6 Prozent des Bruttoinlandsproduktes unter die Defizitsünder einreihen und könne im kommenden Jahr sogar 4,6 Prozent neue Schulden aufnehmen.

Erst für Ende dieses Jahres und für das nächste Jahr sagen die EU-Wirtschaftsexperten wieder bessere Zeiten voraus: Angesichts des starken Euro und der nachlassenden Exporte setzen sie auf eine kräftige Inlandsnachfrage, vor allem auf deutlich mehr privaten Konsum und mehr Investitionen der Wirtschaft. Die bessere Konjunktur wird sich allerdings kaum auf den Arbeitsmarkt auswirken, fürchtet die EU-Kommission.

Außerdem sei der hohe Ölpreis ein großes Risiko für das künftige Wirtschaftswachstum. Die EU-Kommission setzte ihre Prognose für den Durchschnittspreis in diesem Jahr um fast 13 Prozent auf 50,90 Dollar herauf. Die Furcht vor Versorgungsengpässen und Benzinknappheit hat die Ölpreise am Montag auf neue Rekorde getrieben. Für die New Yorker Sorte Light Sweet Crude wurden erstmals mehr als 58 Dollar pro Fass (159 Liter) gezahlt, die Nordsee-Sorte Brent verteuerte sich auf über 57 Dollar. Die Organisation Erdöl exportierender Länder (OPEC) erklärte am Montag, sie habe Gespräche über eine weitere Fördererhöhung noch vor dem nächsten Ministertreffen Anfang Juni aufgenommen.

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