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Wirtschaft: Kein Vertrauen mehr in „Corporate America“

Von Rita Neubauer, Palo Alto Vor fünf Jahren auf dem G7-Gipfel der führenden Wirtschaftsnationen in Denver war die Welt für die USA noch in Ordnung. „Amerikas Wirtschaft ist die gesündeste und die stärkste in der Welt“, triumphierte damals Präsident Bill Clinton.

Von Rita Neubauer, Palo Alto

Vor fünf Jahren auf dem G7-Gipfel der führenden Wirtschaftsnationen in Denver war die Welt für die USA noch in Ordnung. „Amerikas Wirtschaft ist die gesündeste und die stärkste in der Welt“, triumphierte damals Präsident Bill Clinton.

Ein halbes Jahrzehnt später hat George W. Bush keinen Grund zum Jubel. Im Gegenteil. Er musste gar beim diesjährigen Treffen im kanadischen Kanaskis seine Betroffenheit über die jüngsten Offenbarungen des einst hochfliegenden Telekom-Unternehmens Worldcom ausdrücken. Er sei, so Bush, „entsetzt“ über das Gebaren des Unternehmens, das am Dienstag Bilanzierungsfehler in Höhe von 3,8 Milliarden Dollar zugab.

Es herrscht Krisenstimmung im Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Erst Bilanzskandale um den Energiekonzern Enron, Tyco und das Rechnungsprüfungsunternehmen Arthur Anderson, nun der jüngste Skandal aus dem Hause Worldcom, das den Enron-Skandal an Größe sogar noch übertrifft. Dass auch hier die Wirtschaftsprüfer von Anderson ihre Hände im Spiel hatten, sollte niemanden überraschen. Am wenigsten die Anleger, die jedes Mal mit panikartigen Verkäufen auf die Skandale und Betrügereien reagieren. Sie verlieren zunehmend das Vertrauen.

Nicht allein in die Telekommunikationsbranche, wo in den vergangenen zwei Jahren ein Unternehmen nach dem anderen Pleite machte. Die triumphierende US-Wirtschaft steht plötzlich nackt da. Geldgierige Manager, betrügerische Banker und lausige Broker haben die Glaubwürdigkeit in „Corporate America“ und Wall Street ausgehöhlt.

Die Folgen sind unübersehbar: Statt sich von der Rezession zu erholen, werden die US-Börsen durch die Skandale weiter geschwächt. Verunsicherung, Angst und Wut herrscht bei den sonst so risikofreudigen Nordamerikanern, die einen Großteil ihrer Ersparnisse und Rente in Aktien anlegen. Das könnte sich langfristig nicht nur auf die Börse auswirken, sondern auch auf die bislang ungetrübte Ausgabenfreude, von der sich Analysten eine langsame Erholung der Wirtschaft versprachen. Nicht nur beim Bankenwesen dürfte der jüngste Skandal kräftige Spuren hinterlassen (Citigroup, J.P.Morgan Chase und Bank of America gehören zu den größten Geldgebern von Worldcom, das 32 Milliarden Schulden anhäufte), auch Silicon Valley muss Auswirkungen fürchten.

Juniper Networks dürfte dort das größte Opfer werden. Zehn Prozent seiner Verkäufe gingen an Worldcom. Cisco Systems hatte Worldcom als Kunden ebenso wie die Computer Service-Firma EDS, die die Datenzentren für Worldcom managte. 600 Millionen Dollar an jährlichem Umsatz stehen hier auf dem Spiel. Kein Wunder, dass sich nicht nur die Kleinanleger, sondern auch die Profis besorgt fragen, was als nächstes kommt. Das System scheint verfault und eine Reinigung dringend nötig, doch die US-Regierung zeigte bislang wenig Energie, das Problem anzupacken, und die Kontrollbehörde SEC ist überfordert. Gerade 100 Anwälte sind dort beauftragt, die 17000 börsennotierten Unternehmen zu durchleuchten.

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