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Wirtschaft: Kein Widerspruch zwischen Wohlfahrt und Wachstum

BERLIN .Erstaunlich, was Bruce Headey den Zuschauern am Donnerstag im Rathaus Schöneberg sagte: "Retten Sie den Wohlfahrtsstaat!

BERLIN .Erstaunlich, was Bruce Headey den Zuschauern am Donnerstag im Rathaus Schöneberg sagte: "Retten Sie den Wohlfahrtsstaat!" Der Politik-Professor aus dem australischen Melbourne wischte Bedenken weg, die dem Publikum in den Sinn gekommen sein mögen.Hat denn nicht ein Übermaß an sozialer Sicherung in Deutschland für große Probleme gesorgt? Irrtum, sagt Professor Headey.Nur klein nämlich sei der Unterschied im wirtschaftlichen Wachstum zwischen den traditionellen Wohlfahrtsstaaten und den anderen Ländern.

Headey zählt Deutschland zu ersteren - so wie auch Österreich und Frankreich.Priorität räumten diese den korporatistischen Zielen ein: der sozialen Stabilität, vor allem der Einkommenssicherung.Der Gruppe dieser Länder entgegengesetzt lägen jene Staaten, für die freiheitliche Ziele Vorrang haben - wirtschaftliches Wachstum und wachsender Lebensstandard.Das sind nach Ansicht von Headey die Vereinigten Staaten, Kanada und Australien.Zwischen den Extremen seien die Niederlande, Schweden und Norwegen placiert, denen die sogenannten sozialdemokratischen Ziele am wichtigsten sind: Armut verringern und Einkommensungleichheit abbauen.

Das Forscherteam um den australischen Politologen, zu dem ein Philosoph, ein Soziologe und ein Ökonom gehören, wollte herausfinden, wie die drei Gruppen von Staaten ihre Ziele nun erreichen.Dazu pickten sie die drei Länder heraus, die jeweils eine Gruppe am besten represäntieren - und über die entsprechende verläßliche Statistiken vorhanden sind.

Die Wahl fiel auf Deutschland, die Vereinigten Staaten und die Niederlande.Die deutschen Daten entnahmen die Wissenschaftler dem Sozio-ökonomischen Panel des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin.Aus diesem Grund stellten sie nun ihre Studie in der Hauptstadt vor: Hier nämlich ist die internationale Konferenz der Benutzer des Panels.

Das Ergebnis: Die Niederlande gelten - einmal mehr - als Modell.Sie erreichten nicht nur ihre sozialdemokratischen Ziele am besten, sagt Headey.Sondern auch die Ziele der anderen zwei Staaten zumindest so gut wie die USA oder Deutschland.So lag das Wirtschaftswachstum im Schnitt der Jahre 1985 bis 1994 mit 1,9 Prozent auf dem Niveau von Deutschland und etwas höher als das in den USA.Fazit: "Es ist gut möglich, ein respektables wirtschaftliches Wachstum und einen großzügigen Wohlfahrtsstaat zu haben." Demgegenüber sei der amerikanische Weg ziemlich erfolglos: "Schlecht ausgebildete Leute zur Arbeit zu zwingen, um die Abhängigkeit vom Wohlfahrtsstaat zu vermindern, dürfte nur wenig zum Wachstum beitragen."

Angreifbar sind indes die Daten, die für die Interpretation die Grundlage darstellen.Beispiel: die Messung von Armut.Da haben die Wissenschaftler auf die einfach feststellbare, jedoch höchst umstrittene relative Armut zurückgegriffen: Wer weniger als die Hälfte des Median-Einkommens habe, sei arm.(Das Median-Einkommen ist genau das Einkommen, bei dem 50 Prozent der Haushalte mehr und 50 Prozent weniger verdienen.) Aufgrund dieser Definition waren in den zehn Jahren von 1985 bis 1994 mehr als drei Viertel der Haushalte in Deutschland und Holland niemals arm.In den USA hingegen waren es weniger - nur 63 Prozent.Regelmäßig in jedem Jahr arm waren demnach nur 0,1 Prozent der Holländer und 0,9 Prozent der Deutschen, aber 4,1 Prozent der US-Amerikaner.

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