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Wirtschaft: Keine Allianz fürs Leben

Der Versicherer handelte sich mit der Dresdner Bank mehr Sorgen ein als gedacht – vor allem in der Führungsetage

Von Marcus Walker,

Frankfurt (Main)

Der Zeitpunkt hätte für Bernd Fahrholz nicht ungünstiger sein können. Als der Vorstandschef der Dresdner Bank erfuhr, dass seiner Bank 50 Millionen Euro verloren gegangen waren, befand er sich gerade auf der Hauptversammlung der Allianz AG – dem Konzern, der im vergangenen Jahr die Dresdner Bank gekauft hatte.

Es war der 12. Juni. Fahrholz saß in der Münchner Kongresshalle auf dem Podium, als ein Mitarbeiter ihm zuflüsterte, dass die Dresdner Bank hohe Zahlungsausfälle in Argentinien erlitten habe. Aufgebracht griff Fahrholz nach dem Handy des Mannes und rief den verantwortlichen Manager an. Vor Empörung, dass man ihn als einen der Letzten informiert hatte, verlor er die Beherrschung und brüllte: „Es ist mir verdammt egal, was Sie wem geschickt haben!" Der unerwartete Schlag war nur ein Vorbote für Schlimmeres.

Die Allianz handelte sich mit der Übernahme der Dresdner Bank mehr Sorgen ein als gedacht. Das Kreditinstitut hat zwar einen Namen in Deutschland, aber ein schwaches Firmenkundengeschäft und eine zu kleine Investmentbank. Das vielleicht größte Problem der Dresdner Bank dürften aber ihre Führungskräfte sein. Diese widersetzen sich Veränderungen und versuchen auch nach der Übernahme, einen eigenständigen Kurs zu fahren. Die Folge: Statt der Allianz zu mehr Wachstum zu verhelfen, belastet die Dresdner Bank – mit einem Verlust von mehr als einer Milliarde Euro im zweiten Quartal – den weltweit größten Versicherer schwer. Der Aktienkurs der Allianz ist in diesem Jahr um 66 Prozent eingebrochen.

Trotz der Probleme gibt sich Paul Achleitner, Allianz-Finanzvorstand und zuständig für die Dresdner-Übernahme, optimistisch. Er glaubt, dass die Allianz von dem Zusammenschluss profitieren wird. „Die andere Seite der Medaille ist, dass wir die Krise für Änderungen nutzen können „und Dinge leichter durchsetzen können", sagt er. So will die Allianz mit weiteren Einsparprogrammen die Krise beheben. Der Konzern hat bereits 8000 der 50000 Arbeitsplätze der Dresdner abgebaut und angekündigt, weitere 3000 Mitarbeiter zu entlassen. Doch das eigentliche Ziel der Allianz sei, das Kreditgeschäft und Investmentbanking der Dresdner Bank zu verkaufen, meinen Kreise. Beides hat der Allianz bisher nur Probleme gemacht. Der Versicherer warte nur ab, dass sich das Bankenumfeld erhole.

Trotz alledem steht Fahrholz noch immer an der Spitze der Dresdner Bank. Doch die Geduld der Allianz dürfte bald zu Ende sein. Fahrholz hat sich bis heute gegen viele Einschnitte gesträubt. Nun hat er nur noch wenige Monate Zeit, um zu beweisen, dass er der Allianz nicht im Weg steht.

So schlecht die Stimmung ist, so beschwingt war sie im März 2001. Die Allianz malte die glänzenden Perspektiven des integrierten Allfinanzkonzerns in den schönsten Farben aus. Damals gab es keine Debatte über die Zukunft der Dresdner Investmentbank, der Dresdner Kleinwort Wasserstein (DKW): Die Bank sollte eigenständig an die Börse gebracht werden. Doch die Börsenpläne wurden allmählich ad acta gelegt. Die Dresdner Bank und die Allianz stritten zunächst über die Größe des abzuspaltenden Teils der Bank. Gleichzeitig begann Fahrholz Zweifel an einer Aufteilung der Dresdner Bank zu äußern. Beobachter glauben, dass er von Anfang an die Allianz an der Aufspaltung der Bank hindern wollte. Generell sei er über den Zusammenschluss mit dem Versicherer alles andere als glücklich gewesen, sagen Kreise.

Angesichts des rapiden Kursverfalls an den Börsen ließ die Allianz im Juli 2001 ihre Börsenpläne für die DKW fallen. Der Konzern legte das Firmenkundengeschäft und Investmentbanking der Dresdner Bank in der neuen Sparte „Corporates & Markets" zusammen. Chef wurde der DKW-Chef Leonhard Fischer. Er konnte nicht verhindern, dass der weitere Kursverfall an den Börsen der neuen Sparte immer stärker zusetzte. Mit dem zurückgehenden Fusions-Geschäft sanken die Einnahmen, während die Kosten hoch blieben – wegen der unflexiblen Boni der hochbezahlten Banker. Außerdem traf die Konjunkturschwäche das Kreditgeschäft: Die Dresdner Bank musste die Kredite insolventer Unternehmen wie Philipp Holzmann abschreiben. So kam es, dass die Bank letztes Jahr auf einen hohen Verlust zusteuerte.

Nur weil die Dresdner Bank einen steuerfreien Kapitalgewinn für Industriebeteiligungen realisierte, konnte sie einen kleinen Gewinn bilanzieren. Die Allianz wusste, dass es der Dresdner Bank nicht gelingen würde, ihre Verluste zu verdecken. Daher musste sich Fahrholz vom Aufsichtsrat immer kritischere Fragen zur defizitären Sparte Corporates & Markets gefallen lassen, sagen Kreise.

Dann kam jener Tag im Juni, als Fahrholz auf der Allianz-Hauptversammlung erfuhr, dass Kredite in Argentinien abgeschrieben werden mussten. Damit schienen auch die Darlehen der Bank in Brasilien gefährdet. Doch die Suche nach einer Problemlösung zog sich weiter hin. Im Sommer diskutierte Fahrholz schließlich mit Fischer verschiedene Alternativen. Fischer sagte dem Allianz-Aufsichtsrat, die Sparte müsse mit einer anderen europäischen Investmentbank fusionieren, wenn sie mit internationalen Größen wie Goldman Sachs konkurrieren wolle. Obwohl Fahrholz früher einer Aufspaltung der Dresdner Bank zugestimmt hatte, lehnte er dies nun strikt ab.

Eine Abspaltung der Sparte Corporates & Markets sei teuer und kompliziert und bringe den Kunden keinen Nutzen, habe Fahrholz argumentiert. Außerdem sei es angesichts der schlechten Marktlage aussichtslos, eine europäische Bank als Partner zu gewinnen. Der Streit spitzte sich auf einer Aufsichtsratssitzung am 27. Juli zu. Fahrholz warb dafür, Corporates & Markets in den Allianzkonzern stärker zu integrieren statt abzuspalten. Aber der Aufsichtsrat beschloss, die Sparte autonomer zu machen. Gleichzeitig kündigte er den Abbau von 3000 Stellen an.

Vier Tage nach der Aufsichtsratssitzung gab die Allianz eine Gewinnwarnung heraus. Der Verlust der Dresdner Bank im zweiten Quartal sei höher als erwartet. Die Allianz-Aktie fiel. Der Versicherer war zum Handeln gezwungen. Fischer musste seinen Hut nehmen. Fahrholz übernahm die Leitung von Corporates & Markets. Eine Abtrennung stehe nicht mehr auf der Agenda, sagt er. „Was wir jetzt machen müssen, ist Gewinn, Gewinn, Gewinn – und nicht über die theoretischen Möglichkeiten diskutieren, wie wir die Bank neu positionieren müssten."

Marcus Walker[Frankfurt (Main)]

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