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Wirtschaft: Keine Angst vor der Klippe

In der deutschen Wirtschaft sieht man das Geschehen in den USA noch ziemlich gelassen.

Berlin - In den USA steigt mit jedem Tag, den sich das Land auf die Fiskalklippe zubewegt, die Nervosität. In Deutschland dagegen geben sich Wirtschaft und Wissenschaft noch relativ gelassen. „Sparen müssen die Amerikaner sowieso“, sagte Ilja Nothnagel vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) auf Anfrage. „Am 1. Januar wird nicht der Sparhammer fallen.“ Ähnlich äußerte sich Ferdinand Fichtner, Konjunkturchef beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). „Da bricht nicht auf einen Schlag die Welt zusammen. “ Die Einsparungen würden sich auf viele Monate verteilen. „Erhebliche Probleme“ für die deutschen Maschinen- und Fahrzeugbauer befürchtet der Arbeitgeberverband Gesamtmetall.

Zehn Prozent der Exporte der deutschen Schlüsselindustrie gehen in die USA. Und da gab es in diesem Jahr eine „unerwartet gute Entwicklung“, wie Gesamtmetall-Volkswirt Michael Stahl berichtet. Tatsächlich stiegen die Ausfuhren deutscher Firmen in die USA in den ersten drei Quartalen um 20 Prozent – vor allem Autos, Maschinen und chemische Produkte kaufen die Amerikaner den Deutschen ab – 2011 im Gesamtwert von 74 Milliarden Euro. In diesem Jahr wird es deutlich mehr sein. „Ein richtig dickes Brett“, umschreibt DIHK-Mann Nothnagel die Relevanz der USA für die deutsche Exportwirtschaft. Carsten Brzeski, Volkswirt bei der niederländischen Bank ING, befürchtet einen Einbruch des US-Wachstums um 1,5 Prozent, wenn Republikaner und Demokraten sich nicht einigen. Gravierender als die unmittelbare Wirkung auf die Außenwirtschaft sei der Vertrauensverlust. „Zusätzlich zur Euro-Krise gäbe es noch mehr Unsicherheit in der Welt, das ist schlecht für die Konjunktur.“

Und diese Unsicherheit beginnt bereits zu wirken. Das Weihnachtsgeschäft in den USA war eher mau, das Verbrauchervertrauen fiel im Dezember auf 73 Punkte nach knapp 83 Punkten im November. Die Amerikaner rechnen offenbar mit schwierigen Zeiten und halten sich entsprechend mit Anschaffungen zurück. Dabei hatte sich die Wirtschaft zuletzt ordentlich entwickelt, die Häuserpreise stiegen wieder und es gab weniger Arbeitslose. Das ändert nichts an der Sparnotwendigkeit: Die USA sind deutlich höher verschuldet als die Euro-Zone.

„Selbst im Fall einer Einigung wird es ein Sparpaket von schätzungsweise bis zu 200 Milliarden Dollar geben“, vermutet DIW-Wissenschaftler Fichtner. Das ist etwa ein Drittel des Betrages, der beim Scheitern der Gespräche fällig würde. Fichtner erwartet eine noch expansivere Geldpolitik der Fed, wenn es nicht zu einer Einigung kommt. „Das würde den Dollar tendenziell schwächen.“ Und womöglich noch rascher als bislang die Gewichte in der Weltwirtschaft in Richtung Asien verschieben. „Das ist aber kein Thema, das den Wohlstand auf kurze Sicht beeinflusst“, sagt Fichtner. Doch zweifellos würde die Bedeutung Chinas, auch für die deutsche Wirtschaft, weiter zunehmen. Die Chinesen aber sind noch stärker von der Nachfrage in den USA abhängig als die Deutschen. Ökonomen sprechen in dem Zusammenhang von Zweitrundeneffekten: China wächst schwächer, wenn es den USA schlecht geht, und unter der chinesischen Schwäche leidet dann wiederum die deutsche Investitionsgüterindustrie, vor allem die Maschinenbauer. „Aber deutsche Luxusautos“, so meint der Gesamtmetaller Stahl, „kaufen die Chinesen auch weiterhin“. Carsten Brönstrup/Alfons Frese

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