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Wirtschaft: Keine Chance für Gemischtwarenläden

Spezialisierte Plattenläden und große Elektronikmärkte trotzen der Krise – World-of-Music verliert

Berlin - In der Filiale von World-of- Music (WOM) am Berliner Kurfürstendamm gehen Ende Oktober die Lichter aus. Schon jetzt ist das WOM-Sortiment an CDs deutlich reduziert. Die Verkaufsfläche wirkt „gut ausgeräumt“, wie ein Besucher sagt. Die Filiale in der Schloßstraße in Steglitz wird ihre Pforten schon im September schließen. Ohne konkrete Zahlen zu nennen, räumt WOM-Chef Jens-Peter Labus ein: „Die Wirtschaftlichkeit sinkt.“

Auch der Karstadt-Konzern wird das CD-Sortiment in seinen Warenhäusern drastisch verkleinern und nur noch die absoluten Top-Seller im Angebot haben, denn „der Verkauf von CDs auf großen Flächen ist kaum noch rentabel“, sagt ein Sprecher. Was WOM und Karstadt erleben, ist für die Branche typisch: Der digitale Vertrieb von Musik über das Internet und die wachsende Zahl von kopierten CDs entziehen den klassischen Plattenläden die Geschäftsgrundlage. Nach Jahren sinkender Umsätze brachen auch im vergangenen Jahr die Erlöse aus dem CD-Verkauf um rund 20 Prozent ein.

Überleben können Schallplattenläden nur noch, wenn sie wirklich groß sind – oder ihr Geschäft in ausgewählten Nischen betreiben. Die Krise führt zu einer Neuordnung des Marktes. So zeigen sich die Branchenriesen Saturn und Mediamarkt optimistisch: „Wir können nicht klagen“, lautet der Tenor. Der Absatz bei Tonträgern habe sich im Vergleich zum Vorjahr sogar verbessert, und die ersten sechs Monate dieses Jahres seien „sehr befriedigend“ verlaufen, sagt ein Sprecher von Saturn.

Der Vorteil der Großen: Sie können riesige Stückzahlen einkaufen, die ihnen niedrige Verkaufspreise erlauben. Und das Angebot der Elektronikmärkte ist so breit gefächert, dass Nachfrageflauten in der CD-Abteilung anderswo ausgeglichen werden können.

Die ganz kleinen Plattenläden setzen hingegen auf ein stark spezialisiertes Angebot, um sich gegen den Markttrend zu stemmen. Rotation Records am Weinbergsweg in Berlin zum Beispiel hat seinen Laden vor sechs Monaten eröffnet und bedient vor allem ein anspruchsvolles Publikum, das die alten Vinyl- Scheiben schätzt. CDs stellen nur einen kleinen Teil des Sortiments dar. Die Crew ist „zufrieden“.

Ähnlich sieht es beim Elektronik-Label Kompakt in Köln aus. Nach Auskunft von Geschäftsführer Michael Mayer läuft es sogar „sehr gut“. Die Umsätze der Techno-Minimalisten seien von Downloads „vollkommen unberührt“ geblieben. Um nichts zu versäumen, eröffnet Kompakt trotzdem in den nächsten Tagen eine eigene Downloadplattform. Bei Optimal- Schallplatten in München räumt man zwar einen Rückgang bei den CD-Verkäufen ein. Das Minus werde aber durch steigende Verkäufe bei Schallplatten wettgemacht. Detlev Müller von Groove Records in Berlin fasst zusammen, was viele kleine Einzelhändler denken: „Wir alten Independent-Läden werden immer irgendwie auf kleiner Flamme überleben.“

Die Krise der Musikindustrie – am Ende doch nur pessimistisches Gerede? Für musikalische Gemischtwarenläden wie WOM, die von allem ein bisschen im Angebot haben und nicht groß genug sind, um ihre Kunden mit Rabatten zu locken, wird in absehbarer Zeit auf dem Markt kein Platz mehr sein. Große Elektronikmärkte hingegen werden sich behaupten können, weil sie Einnahmen aus den Elektroniksparten verrechnen können. Überraschende Konsequenz der Marktbereinigung: Auch kleine Plattenläden an der Ecke, die auf ihre Stammkundschaft zählen können und eine individuelle Beratung anbieten, haben offenbar bessere Überlebenschancen, als Musikfans befürchtet haben.

Fritz Niemann

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