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Auslaufmodell: Die Allianz zieht sich aus dem Geschäft mit fossilen Brennstoffen wie der Braunkohle zurück. Foto: Oliver Berg/dpa

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Wirtschaft: Allianz hat ausgebaggert

Die Allianz versichert keine Kohlekraftwerke mehr und hält sich auch bei der Geldanlage zurück.

Die heikle Frage, wann Deutschland aus der Kohleverstromung aussteigt, hat die Bundesregierung an die Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ ausgelagert. Schon über die „Federführung“ der Kommission wurde viel gestritten, ihre Besetzung ist auch noch ungeklärt. Es wird also dauern, bis ein Enddatum feststeht. Und Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) stellte jüngst in Aussicht, dass es Kohle in Deutschland noch „über viele Jahre“ geben werde.

Während sich die Politik also schwer- tut mit dem Kohleausstieg, schafft die Wirtschaft Fakten: Der größte deutsche Versicherungskonzern, die Allianz, will aus der Kohle aussteigen. Im Fachjargon heißt das Divestment – das Abziehen von Geldern aus Unternehmen der fossilen Branche. Ab sofort werden Bau oder Betrieb von Kohlekraftwerken und Kohleminen nicht mehr versichert, teilte der Münchener Dax-Konzern mit. Bestehende Verträge in diesem Bereich würden nicht verlängert. Dieser Sofortausstieg werde etwa einen größeren zweistelligen Millionenbetrag kosten, sagte Allianz-Konzernchef Oliver Bäte der Deutschen-Presse-Agentur.

2040 ist Schluss mit der Kohle

Bis 2040 will die Allianz außerdem ihre Gelder vollständig aus jenen Unternehmen abziehen, die den Neubau von Kohlekraftwerken ab einer Kapazität von 500 Megawatt planen. Das sei mit den Zielen des Pariser Klimaabkommens nicht mehr vereinbar, heißt es in einer Konzernmitteilung. Damit verschärft der deutsche Versicherer die Divestment-Kriterien, die er 2015 beschlossen hatte. Damals legte das Unternehmen fest, kein Geld mehr in Unternehmen anzulegen, die mehr als 30 Prozent ihres Umsatzes mit dem Abbau von Kohle oder der Produktion von Kohlestrom machen. Die Allianz hat bereits Anlagen im Wert von zwei Milliarden Euro abgezogen. Nun soll es in Schritten von fünf Prozent auf null gehen und zwar bis 2040. Betroffen sind beispielsweise die großen deutschen Energieversorger sowie Stadtwerke. Ihnen will die Allianz Zeit geben, ihre Geschäftsmodelle an die Klimaziele anzupassen. Man werde die Unternehmen in einem „aktiven Dialog“ dabei unterstützen. Der Zeitpunkt der Ankündigung ist kein Zufall. Am kommenden Mittwoch findet die Hauptversammlung des Versicherers statt.

Umweltverbände begrüßen, dass die Allianz weitere Einschnitte bei der Finanzierung von Kohle-Geschäften vornimmt. Das sei „ein starkes Signal“, so Regine Richter von Urgewald. Die Organisation setzt die Versicherungsbranche seit vielen Jahren unter Druck, ihr Geld aus Kohlefirmen abzuziehen. Der gewählte Schwellenwert von 500 Megawatt setze einen neuen Maßstab, so Richter. Kritik üben die Umweltorganisationen aber daran, dass das Ausstiegsdatum mit 2040 sehr spät gesetzt sei. Außerdem bleibe das Divestment lediglich auf Eigenanlagen beschränkt.

Die Höhe der Eigenanlagen summiert sich bei der Allianz auf rund 500 Milliarden Euro, das Volumen der Vermögensverwaltung, die nicht vom Divestment erfasst wird, ist etwa dreimal so hoch. Das soll auch nicht geändert werden. In der Vermögensverwaltung seien Anforderungen des Kunden maßgeblich, teilt eine Sprecherin auf Anfrage mit. Den Kunden würden jedoch nachhaltige Investitionsmöglichkeiten angeboten. Auch der französische Axa-Konzern, der bisher die Maßstäbe beim Divestment gesetzt hat, beschränkt die Ausschlusskriterien bei Kohleunternehmen nur auf Eigenanlagen.

Wohin soll das Geld fließen?

Axa hatte vor drei Jahren entschieden, Investitionen in Höhe von 500 Millionen Euro aus Unternehmen abzuziehen, die mehr als die Hälfte ihres Umsatzes in der Kohlebranche erwirtschaften. Dieses Ziel wurde Ende 2017 auf 2,4 Milliarden Euro erhöht - und betrifft nun Unternehmen, die mehr als 30 Prozent ihres Umsatzes aus dem Kohlegeschäft generieren. Betroffen vom Axa-Divestment sind auch alle Unternehmen, die den Bau von Kraftwerken mit über 3000 Megawatt neuer Kohlekapazität planen. Christian Thimann, leitender Mitarbeiter bei Axa, hat jüngst in einem Interview mit dem Tagesspiegel darauf hingewiesen, dass der eigentliche Prozess des Geldumschichtens kein Problem darstelle. Doch wisse man noch nicht, wohin das Geld stattdessen fließen soll. „Es gibt schlicht noch nicht genug grüne Projekte, in die wir investieren können“, so Thimann. Die EU-Kommission will sich verstärkt der Aufgabe annehmen, den europäischen Finanzmarkt grüner zu gestalten. Die Investitionslücke zur Erreichung der EU-Klimaziele 2030 beträgt 180 Milliarden Euro jährlich.

In der Versicherungsbranche ist es mittlerweile kein Geheimnis mehr, dass der Klimawandel ein hohes finanzielles Risiko darstellt. Extremwetterereignisse nehmen in Stärke und Häufigkeit zu. Der schweizerische Versicherer Swiss Re hat entsprechend angekündigt, divestieren zu wollen. Die deutsche Munich Re weist immer wieder darauf hin, welche Gefahr der Klimawandel darstellt. Bisher hat sie aber keine konkreten Schritte unternommen. Für echten Klimaschutz müssten Versicherer sowie andere Akteure am Finanzmarkt ihr Divestment aber auch auf Unternehmen der Öl- und Gasbranche ausweiten. Auch sie heizen den Klimawandel an.

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