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Wirtschaft: Keine Sonderkonjunktur auf dem Bau

Bauindustrie befürchtet Umschichtung von Projekten im Osten / Kaum neue Jobs / Freihändige Auftragsvergabe ist problematisch

Von Flora Wisdorff und

Henrik Mortsiefer

Die Bauwirtschaft in den Katastrophengebieten geht davon aus, dass der Wiederaufbau ihr keinen großen neuen Wachstumsschub verleiht. „Wir befürchten, dass die Aufträge lediglich umgeschichtet werden“, sagt Hubertus Nelleßen, Geschäftsführer des sächsischen Bauindustrieverbandes. „Es sind ja nicht alle sächsischen Regionen betroffen. Wenn geplante Bauvorhaben im Vogtland oder in Ostsachsen zugunsten der Katastrophenregionen gestoppt und nicht wieder aufgenommen werden, dann hilft das der ostdeutschen Bauindustrie insgesamt wenig.“

Bundesverkehrsminister Kurt Bodewig hatte vergangene Woche angekündigt, bis zu einer Milliarde Euro für die Reparatur von Bundesverkehrswegen durch die zeitliche Verschiebung von Projekten aus seinem Haushalt zu mobilisieren. Im Ministerium beteuert man, dass man durchaus umschichten könne, „ohne die Projekte ganz aufzugeben“, sagte Sprecher Michael Zirpel. Wie lange welches Projekt verschoben werde, müsse allerdings mit den Landesministerien abgesprochen werden.

Zusätzlich zu den Umschichtungen soll es für den Wiederaufbau der Infrastruktur der Innenstädte aus dem Aufbaufonds für die Flutregionen 1,2 Milliarden Euro geben. Weitere 950 Millionen kommen für die Infrastrukturen des Bundes dazu, wie zum Beispiel Fernstraßen. Der Sprecher des Baukonzerns Bilfinger Berger, Sascha Bamberger, geht nach dem Hochwasser von Aufträgen im Volumen von sieben Milliarden Euro zusätzlich für die Bauwirtschaft aus. Der Bauindustrie-Hauptverband glaubt an mehr als fünf Milliarden Euro insgesamt.

Eine Menge Geld ist da also an Aufträgen zu holen – ein „Sonderkonjunkturprogramm“ ist die Flut für die tief in der Krise steckende Baubranche allerdings nicht, sagt Heiko Stiepelmann vom Bundesverband der deutschen Bauindustrie. Dass laufende Projekte zugunsten des Wiederaufbaus gestoppt werden könnten, sei ein Grund. Man müsse jedoch beachten, dass die Flut auch der Bauwirtschaft massiv geschadet habe. „Baumaschinen sind davon geschwommen, Brückenbauprojekte beschädigt und Baustellen aufgeschwemmt worden“, sagt Stiepelmann. „Wir sind froh, wenn wir unsere Verluste durch die neuen Aufträge wieder reinholen“, sagt Rainald Auer, Sprecher von der Strabag. Auch der IG-Bau-Vorsitzende Klaus Wiesehügel äußerte sich am Sonnabend skeptisch: „Wir reden hier über eine Größenordnung von 0,5 Prozent des Bruttosozialprodukts, das kann keine Wunder bewirken.“

Zumindest die regionale Bauwirtschaft will profitieren: „Wir hoffen auf eine Auftragswelle“, sagt der sächsische Verbandsgeschäftsführer Nelleßen. Mit neuen Arbeitsplätzen sei allerdings nicht zu rechnen. „Wenn, dann nur befristet. Wir haben immer noch mit Überkapazitäten zu kämpfen.“ Nach der Wende hatte der Staat massiv Subventionen für den Bau nach Ostdeutschland gepumpt – viel zu viele. Mit dem Wiederaufbau nach der Flut könnten die Unternehmen jetzt erstmals seit langem wieder richtig ausgelastet sein. „Nach den umfangreichen Restrukturierungen der vergangenen Jahre werden wir nicht gleich Leute einstellen, wenn wir zwei oder drei tolle Aufträge hereinholen“, heißt es bei Walther Bau. „Wir können allenfalls damit rechnen, dass sich der Beschäftigungsabbau im Osten verlangsamt oder höchstens zeitweise ganz aussetzt“, sagt Verbandschef Stiepelmann.

Zudem sei es im Moment noch schwierig, an die Aufträge heran zu kommen. „Es ist fast unmöglich, den richtigen Ansprechpartner zu finden“, sagt Nelleßen. In den Straßenbauämtern sei oft niemand zu erreichen. „Auch wegen der freihändigen Auftragsvergabe sind wir unsicher, ob wir von der vermeintlichen Auftragswelle profitieren werden“, sagt Nelleßen. Die so genannte freihändige Vergabe erlaubt der öffentlichen Hand, die Bauaufträge nicht auszuschreiben und direkt ein Unternehmen seiner Wahl zu beauftragen – um so die langwierige Bürokratie zu umgehen. „Viele westdeutsche Unternehmen stehen nämlich auch schon Schlange“, sagt Nelleßen. Auch Ilona Klein, die Sprecherin des Zentralverbandes des Deutschen Baugewerbes, kritisiert die freihändige Vergabe. „Das öffnet der Mauschelei Tür und Tor. Wir fordern, dass es Ausschreibungen gibt – und regionale Bewerber bevorzugt werden.“

Das Gros der Aufträge wird an den Mittelstand gehen. „Tendenziell wird die regionale, mittelständische Bauwirtschaft von der Krise profitieren“, sagt Stiepelmann. Denn die meisten Schäden befänden sich nun mal innerhalb der Städte an Gebäuden und Straßen. Und das ist klassisches Aufgabengebiet für Handwerker und Mittelstand. Aber auch die Großen stehen schon in den Startlöchern, um bei Großprojekten wie etwa dem Brückenbau abzustauben. „Wir sind schon in Kontakt mit den Städten und Kommunen vor Ort“, sagt Katja Klemm, Sprecherin von Hochtief. „Wir wollen den Kommunen Kompaktlösungen inklusive Planung und Koordinierung der Projekte anbieten. Dann haben die nichts mehr damit zu tun“.

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