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Wirtschaft: Kirch-Gruppe: Murdoch und Berlusconi spielen die deutsche Karte

Nie waren Rupert Murdoch und Silvio Berlusconi ihrem oft erklärten und immer wieder gescheiterten Ziel so nahe, sich ein Stückchen vom Kuchen in Europas lukrativstem Medienmarkt zu sichern. Auch wenn es zurzeit so scheint, als wollten die deutschen Großbanken den Kuchen unter sich aufteilen: Murdoch und Berlusconi spielen weiter die Deutschland-Karte.

Nie waren Rupert Murdoch und Silvio Berlusconi ihrem oft erklärten und immer wieder gescheiterten Ziel so nahe, sich ein Stückchen vom Kuchen in Europas lukrativstem Medienmarkt zu sichern. Auch wenn es zurzeit so scheint, als wollten die deutschen Großbanken den Kuchen unter sich aufteilen: Murdoch und Berlusconi spielen weiter die Deutschland-Karte.

Aber die Chancen, die sich aus dem Zusammenbruch der Kirch-Gruppe ergeben, sind mit hohen finanziellen Risiken verbunden. Für den Hasardeur Murdoch, der schon des öfteren sein Imperium für waghalsige Expansionen aufs Spiel setzte, mag das den Kitzel erhöhen. Die Investoren von Murdochs Holding News Corporation verfolgen ein kostspieliges Engagement in Deutschland mit Skepsis. News Corporation musste in den vergangenen Monaten hohe Wertabschreibungen hinnehmen - erst diese Woche sanken die Aktien der amerikanischen Gemstar-TV Guide International in den Keller. Murdoch verlor mit seinem 42-Prozent-Anteil Milliarden Dollar.

Einfallstor Premiere?

Zwei Wege eröffnen sich Murdoch nach Deutschland. Einmal über den angeschlagenen Bezahlfernseher Premiere, an dem News Corporation indirekt über seinen 37,6 Prozent Anteil an dem britischen Bezahlsender BSkyB beteiligt ist. BSkyB hat 22 Prozent an Premiere und hat mit der Ankündigung, eine Rückgabe-Option für diesen Anteil wahrzunehmen, den Untergang von Leo Kirch wesentlich mit ins Rollen gebracht. Aber wenn Murdoch die Premiere-Anteile als Hebel in die Kirch-Gruppe nutzt, heißt dass noch lange nicht, dass er Premiere gerne übernehmen würde. Der Sender verliert pro Tag immerhin fast zwei Millionen Euro.

So war es durchaus glaubhaft, wenn BSkyB-Chef Tony Ball immer wieder sein Desinteresse an Premiere bekundete und schwor, keinen Penny mehr in den deutschen Pay-TV-Sender zu investieren. Ball fürchtet nicht nur den finanziellen Aderlass. Er weiß, dass die Bedingungen für erfolgreiches Bezahlfernsehen in Deutschland mit seinen Dutzenden von kostenlosen Kanälen wesentlich schwieriger sind als zum Beispiel in Großbritannien. Bei den von Murdoch zuletzt anberaumten Gesprächen in Los Angeles sollte es wesentlich um die Zukunft von Premiere gehen. Vielleicht spielt Murdoch den Retter des deutschen Bezahlfernsehens, zumal er nun sogar den Segen von Bundeskanzler Schröder hat. Aber Murdoch ist radikal genug, einen solchen Verlustsenders notfalls auch einzustellen.

Für Murdoch ist deshalb der zweite Weg attraktiver - der Ausbau des 2,5 Prozent Anteils, den News Corporation an der sehr viel lukrativeren Kirch Media AG hält, so wie es auch im Rettungskonzept der Banken für die Kirch Media vorgesehen ist. Als einer unter mehreren aber mit operativer Kontrolle würde Murdoch den Zugriff auf Free-to-air Fernsehkanäle wie Sat 1 und Pro Sieben erhalten und dazu die TV-Rechte an der Fußballweltmeisterschaft behalten - das wäre ein besseres Standbein in der deutschen Fernsehwelt. Allerdings müsste sich Murdoch dazu mit seinem italienischen Rivalen Silvio Berlusconi und dessen Mediaset arrangieren.

Italiens Ministerpräsident spricht nicht gern über seine Geschäfte. Wenn er Rupert Murdoch in einer seiner sardischen Villen trifft, was in den letzten Monaten oft geschehen ist, dann wird nicht nur "top secret" verkündet, sondern tatsächlich dringt auch nichts von den Gesprächen an die Öffentlichkeit.

Das eiserne Schweigen in Geschäftsdingen hat auch Marina Berlusconi geerbt, die älteste Tochter des Tycoons. Sie führt zusammen mit ihrem Bruder und einigen Managern das Unternehmen Fininvest, zu dem auch die drei national ausstrahlenden Fernsehsender der Mediaset gehören. Marina hat sich, wie aus Mailänder Finanzkreisen bekannt wurde, im letzten Jahr mit Händen und Füssen dagegen gewehrt, dass die Mediaset an Murdoch verkauft wird. Papa Silvio spielte nach der Regierungsübernahme im letzten Mai mit dem für Marina unglaublichen Gedanken, die Fernsehsender abzustoßen, um der internationalen Kritik am Interessenkonflikt des Unternehmers und Spitzenpolitikers den Wind aus den Segeln zu nehmen.

Was Marina mit dem Segen ihres Vaters unternehmenspolitisch mit der Fininvest vorhat, ist unklar. Dem Unternehmen geht es wirtschaftlich gesehen ausgezeichnet. Dass Berlusconi sich bei Kirch mit 4,76 beteiligte, war Marinas Drängen zu verdanken. Vermutet wird, dass auch sie es war, die sich vor kurzem für eine höhere Beteiligung bei Kirch stark machte. Warum es dazu nicht kam, ist unklar. Experten vermuten, dass ihr Vater zur Vorsicht mahnte. Die scharfe Kritik seitens der deutschen Regierung an einer höheren Kirch-Beteiligung durch die Fininvest, so ein Banker aus Mailand, habe "bei Berlusconi zum Schwanzeinziehen geführt".

Fox als Vorbild für Kirch Media

Auch bei Rupert Murdoch weiß zur Stunde noch niemand wirklich, welche Pläne der Unternehmer bei seinem Einzug in Deutschland aus der Schublade holt. Beobachter glauben, dass er eine wiedergeborene Kirch Media zu einer Art deutscher Fox-Gruppe ausbauen könnte. In den USA hat er mit Fox und seinen verzweigten Interessen von der Filmproduktion bis zu dem erfolgreichen Fox News Channel das System der etablierten Networks aufgebrochen - eine Leistung, die viele für unmöglich erachteten.

In Deutschland dürfte Murdoch es als Aufgabe betrachten, das Miteinander von öffentlich-rechtlichen und kommerziellen TV Sendern aufzumischen. Er könnte Sportrechte aggressiver einsetzen - aber es würde bestimmt nicht bei seinen alten Plänen einer europäischen Superliga bleiben, die er als Hebel für das Pay-TV nutzen will. Murdoch könnte - notfalls mit Kampfpreisen bei der Werbung - für echten Wettbewerb sorgen. Nimmt man Großbritannien als Beispiel, wird dies nicht ohne Druck auf das öffentlich-rechtliche Duopol von ZDF und ARD abgehen. In Großbritannien sorgt Murdoch dafür, dass die kommerziellen Aktivitäten der BBC, die aus Fernsehgebühren kofinanziert werden, ständig unter die Lupe genommen werden. Murdoch war es auch, der vor 20 Jahren eine Debatte über die Fernsehgebühren entfacht hat, die bis heute in Großbritannien nicht erledigt ist.

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