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Wirtschaft: Kirch-Gruppe: Nur der Kern bleibt

An der von den Gläubigerbanken der angeschlagenen Kirch-Gruppe geplanten Auffanggesellschaft sollen auch deutsche Medienkonzerne beteiligt werden. Wie aus Bankenkreisen am Wochenende verlautete, wird eine "deutsche Lösung" favorisiert, um politische Vorbehalte gegen ein Engagement der ausländischen Medienunternehmer Rupert Murdoch und Silvio Berlusconi zu begegnen.

An der von den Gläubigerbanken der angeschlagenen Kirch-Gruppe geplanten Auffanggesellschaft sollen auch deutsche Medienkonzerne beteiligt werden. Wie aus Bankenkreisen am Wochenende verlautete, wird eine "deutsche Lösung" favorisiert, um politische Vorbehalte gegen ein Engagement der ausländischen Medienunternehmer Rupert Murdoch und Silvio Berlusconi zu begegnen. Teil dieser Lösung ist demnach auch der Axel-Springer-Verlag und möglicherweise die WAZ-Gruppe. Eine Beteiligung von Bertelsmann ist dagegen aus kartellrechtlichen Gründen unmöglich. Nicht ausgeschlossen wurde aber, dass auch Murdoch und Berlusconi oder andere internationale Konzerne beteiligt sein könnten.

Treibende Kraft hinter einer deutschen Variante soll die bayerische Staatsregierung sein, die über die Landesbank in die Kirch-Krise eingreifen kann. Mit Krediten über zwei Milliarden Euro ist die BayernLB Hauptgläubiger von Kirch. Die geplante "deutsche Lösung" soll in einer "geordneten Insolvenz" der Kirch Media münden, die als Herzstück der gesamten Mediengruppe gilt, sagte ein Banker. In der Auffanggesellschaft sollen aber nur deren profitable Teile wie Rechtehandel, Filmproduktion und werbefinanzierte Sender wie ProSieben, Sat 1 und Kabel 1 gebündelt werden. Auch der bayerische Ministerpräsident und Kanzlerkandidat der Union, Edmund Stoiber (CSU), rechnet offenbar mit einem Fortbestand von Kirch Media. "Ich gehe davon aus und habe sichere Anzeichen, dass der Konzern als integrierter Medien-Konzern fortgeführt werden kann", sagte Stoiber am Sonntag im ZDF.

Für Aufregung sorgte am Wochenende die Meldung, Kirch habe die Rechte an den Fußballweltmeisterschaften 2002 und 2006 an eine Gesellschaft mit Sitz in der Schweiz übertragen, um sie vor dem Zugriff der Gläubiger zu retten. Banker sagten, diese lukrativen Rechte würden wegen der Insolvenz an den Weltfußballverband Fifa zurückfallen. Leo Kirch, der zusammen mit seinem Sohn Thomas noch die Mehrheit an Kirch Media hält, habe auf die Schweizer Gesellschaft keinen Zugriff. Der Deal sei deshalb kein "goldener Handschlag" für Kirch.

Wer bekommt was?

Trotz der wahrscheinlichen Gründung einer Auffanggesellschaft wird der Kirch-Konzern in den kommenden Wochen im Rahmen eines Insolvenzverfahrens aufgespalten. Davon gehen Beobachter aus. Offen ist, welche Teile der Gruppe in die Insolvenz hineingezogen werden. So galt am Wochenende als wahrscheinlich, dass auch für die gesamte Taurus-Holding, die Dachgesellschaft der Kirch-Gruppe, Insolvenz angemeldet werden könnte. Auch der defizitäre Bezahl-Sender Premiere wäre nicht zu halten, wäre Kirch Media zahlungsunfähig. Kirch Media liefert dem Sender Filme und Sportrechte zu Preisen, die er sich nicht leisten kann, auf die ein Insolvenzverwalter aber pochen müsste. Spekuliert wird über einen möglichen Verkauf des Senders.

Hier könnte am ehesten Rupert Murdoch zum Zuge kommen, der schon mit 22,1 Prozent an Premiere beteiligt ist. Er kann diesen Anteil am 1. Oktober für 1,7 Milliarden Euro an Kirch zurückverkaufen. Sollte die Taurus-Holding aber insolvent sein, könnte er seinen Anteil auch gegen die komplette Übernahme des Kanals eintauschen. Murdochs britisches PayTV-Unternehmen hat das Bezahlfernsehen erfolgreich etabliert und könnte unter bestimmten Umständen an dem deutschen Sender interessiert sein. Bedingung für Murdoch: Die Verträge mit den Hollywood-Studios, die Kirch zum Teil bis ins Jahr 2008 an überteuerte Output-Deals binden, müssten nachverhandelt werden. Allein bei den US-Studios ist bislang von jährlichen Abnahmegarantien in Höhe von einer Milliarde Euro die Rede.

Interessant für einen Investor ist auch die 40-Prozent-Beteiligung Kirchs am Axel-Springer-Verlag, den Hypo-Vereinsbank und Dresdner Bank für rund 1,1 Milliarden Euro erwerben und später weiterverkaufen wollen. Da sich Verlegerin Friede Springer gegen einen strategischen Investor wehrt, der sich in das operative Verlagsgeschäft einmischt, kommt hier bislang aber nur ein Finanzinvestor in Frage. Der Springer-Verlag seinerseits könnte sein Beteiligung an der Kirch-Auffanglösung von einer größeren Beteiligung an der Pro Sieben Sat 1 Media AG abhängig machen. Springers Druckmittel: Für 767 Millionen Euro kann der Medienkonzern seine 11,5-Prozent-Beteiligung an der Sendergruppe an Kirch zurückverkaufen. Tagesspiegel-Informationen zufolge will Springer mindestens eine Sperrminorität an Pro Sieben Sat 1 plus eine Barzahlung.

Auf der Verkaufsliste steht auch die 58- prozentige Beteiligung Kirchs an der Formel-1-Dachgesellschaft Slec, die er 2001 für 1,6 Milliarden Dollar erworben hat. Dabei habe sich der Firmenpatriarch völlig verkalkuliert, sagen Branchenkenner, die den Wert dieses Pakets weit niedriger einschätzen. Als Käufer dafür kommen die im Rennsport engagierten Automobilkonzerne oder Formel 1-Chef Bernie Ecclestone in Frage.

Zum Verkauf (wahrscheinlich an Berlusconi) steht auch ein 25-prozentiger Anteil am spanischen TV-Sender Telecinco für knapp eine halbe Milliarde Euro. Darüber hinaus kann Kirch gut ein Fünftel am Filmproduzenten Constantin Film versilbern. Verkauf oder Schließung droht ferner den Lokalsendern in München, Hamburg und Berlin. Abgeben will Kirch Media auch die Übertragungsrechte für die Fußball-Bundesliga, für die er bis 2004 jährlich 383 Millionen Euro zahlt. Die öffentlich-rechtlichen Sender winken als Käufer aber bislang ab.

tmh, mot

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