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Wirtschaft: Kirch-Media droht die Zerschlagung

Sanierer rücken von ihrem Ziel ab, den Konzern als Ganzes zu verkaufen / ProSiebenSat1-Gewinn bricht ein

Berlin (mot/usi). Die Kirch-Media AG soll offenbar zerschlagen werden. Geschäftsführung und Insolvenzverwalter erwägen nach Tagesspiegel-Informationen, das Unternehmen auch in Teilen und nicht wie geplant als integrierten Medienkonzern zu verkaufen. Das Sanierungsmanagement hat sich inzwischen für drei Investoren entschieden, denen tiefere Einsicht in die Kirch-Bilanzen gewährt werden soll. Der profitable Kern der Kirch-Media, die ProSiebenSat1 Media AG, verliert unterdessen an Wert: Wegen der Werbeflaute brach der Gewinn im ersten Halbjahr um 70 Prozent ein.

Wer die drei Favoriten für einen Einstieg bei Kirch-Media sind, sagte ein Kirch-Sprecher nicht. Die ausgeschlossenen Bieter hättenn aber die Möglichkeit, ihre Angebote nachzubessern und damit wieder in die engere Auswahl zu gelangen. „Das Verfahren ist weiter im Fluss – und die Zeit drängt“, hieß es bei einer im Gläubigerausschuss vertretenen Bank. „Wir müssen mehr Geduld aufbringen, als wir gedacht haben.“ Im September läuft ein so genannter Massekredit (siehe Lexikon, Seite 16) über 100 Millionen Euro aus, den die Banken Kirch-Media im April zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs gewährt hatten.

Als Favorit für die Übernahme des Kerngeschäfts der insolventen Kirch-Gruppe galt zuletzt der US-Milliardär Haim Saban, der 2,6 Milliarden Euro geboten haben soll, der französische TV-Sender TF1 (2,2 Milliarden Euro) sowie die Commerzbank und das Filmstudio Columbia, deren Gebot bei zwei Milliarden Euro liegen dürfte. Unsicher sind die Chancen der Verlage Bauer und Springer sowie der Hypo-Vereinsbank, die 1,4 Milliarden Euro geboten haben, aber wie ihr optionaler Partner Spiegel-Verlag nicht an den Sportrechten interessiert sind. Berichte, wonach sich Bauer und Springer wegen der Höhe ihres Gebots überworfen hätten und das Konsortium deshalb nicht mehr zum engeren Investoren-Kreis zähle, dementierte Springer-Sprecherin Edda Fels: „Dies ist ein bewusst lanciertes Gerücht, um unser Konsortium zu diskreditieren.“ Im Streit mit seinem Großaktionär Leo Kirch um eine außerordentliche Hauptversammlung lenkte der Axel Springer Verlag unterdessen teilweise ein. Springer kündigte ein neues Aktionärstreffen für Ende September in Berlin an. Kirch hatte versucht, ein Aktionärstreffen schon am 19. August vor Gericht zu erzwingen. Für den Verkauf seiner 40–Prozent-Beteiligung an Springer hat Kirch nur noch bis Ende August Zeit.

Angesichts der unsicheren Preisvorstellungen und Bieter-Konstellationen im Insolvenzverfahren sind die Kirch-Geschäftsführer und die mit dem Verkauf beauftragte Bank UBS Warburg nach Tagesspiegel-Informationen inzwischen bereit, Kirch-Media auch in Teilen zu verkaufen. Dies liege aber nicht im Interesse der Gläubiger, die Ansprüche im Gesamtumfang von 8,5 Milliarden Euro geltend machen, hieß es dazu in Finanzkreisen. Bei einem Einzelverkauf, etwa des Filmstocks, der Sportrechte sowie des TV-Geschäfts, könne möglicherweise zwar mehr erlöst werden. Langfristig überleben könne Kirch-Media aber nur als integrierter Medienkonzern.

ProSiebenSat1-Chef Urs Rohner zufolge sind die bisher genannten Konsortien noch in Bewegung und neue Konstellationen möglich. Als Tochter der Kirch-Media rechnet die Sender-Gruppe derzeit mit einer Wertberichtigung ihrer Forderungen an den Hauptaktionär und Programmlieferanten zwischen vier und fünf Millionen Euro. Das teilte Rohner in München mit. Der Gewinn des Fernsehkonzerns brach im ersten Halbjahr ein. Vor Steuern ging das Ergebnis im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 72 Prozent auf 25 Millionen Euro zurück. Der Umsatz sank um vier Prozent auf 985 Millionen Euro. Für den Gewinnrückgang machte Rohner vor allem sinkende Werbeeinnahmen verantwortlich. Mit einer Erholung des Werbemarktes sei frühestens im vierten Quartal zu rechnen. Im Gesamtjahr rechnet ProSiebenSat1 mit einem Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen von mehr als 200 Millionen Euro. Besonders Verluste beim Fernsehsender Sat1 machen dem Konzern zu schaffen. Vor Steuern weitete der Sender den Verlust von 18 auf 73 Millionen Euro aus. Die Fußball-WM habe nicht die erhofften Einnahmen gebracht. Die Aktie stieg nach herben Verlusten am Vortag bis zum Börsenschluss am Freitag um 9,08 Prozent auf 7,81 Euro.

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