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Wirtschaft: Kirch-Sanierer gegen Kirch-Sanierer

Insolvenzverwalter und Gläubiger sind immer noch auf Investorensuche – der Bieterkampf findet kein Ende

Von Nicole Adolph

und Henrik Mortsiefer

Harald Schmidt macht manchmal Witze über seinen Arbeitgeber. „Sind wir schon pleite?“, fragte der Late-Night-Entertainer Anfang des Jahres und spielte damit auf die drohende Insolvenz der Kirch-Gruppe an. Ein halbes Jahr später ist die Frage beantwortet. Der Insolvenzverwalter hat im bayerischen Medienkonzern, zu dem die Sendergruppe ProSiebenSat1 gehört, das Sagen und sichtet in diesen Tagen die Angebote der Investoren, die die Reste des Kirch-Imperiums übernehmen wollen. Und Schmidt witzelt wieder: „Wer ist eigentlich unser Arbeitgeber?“

Auf eine Antwort wird er wohl noch warten müssen, denn das Bieterverfahren, das Insolvenzverwalter Michael Jaffé zusammen mit der Geschäftsbank UBS Warburg vor Monaten eingeleitet hat, zieht sich hin. Bisher ist es Jaffé und den Interimsgeschäftsführern Hans-Joachim Ziems und Wolfgang van Betteray nicht gelungen, dem Gläubigerausschuss eines der vier Investoren-Konsortien zu empfehlen, das neuer Eigentümer der Kirch-Media werden soll. Gewissheit über die Zukunft des Unternehmens brachte auch die letzte Ausschusssitzung am vergangenen Mittwoch nicht. Nur eines scheint inzwischen klar: Der Kern des Konzerns muss zerschlagen werden, wenn sich überhaupt ein Käufer finden soll. So haben alle Gläubiger schon intern zugestimmt, dass der Sportrechtehandel separat verkauft werden kann.

Das Verfahren stockt, weil eine verzweigte Firmengruppe zum Verkauf steht, in der so unterschiedliche Bereiche wie Sport- und Filmrechtehandel, Fernseh-Produktion und Sendebetrieb sowie eine der größten Filmbibliotheken Europas miteinander verwoben sind. Das komplexe Gebilde ist in weiten Teilen an Banken und sonstige Gläubiger verpfändet, die Leo Kirch über Jahrzehnte mit Milliarden-Krediten finanziert haben, und die nun hoffen, zumindest einen Teil ihres Geldes zurückzubekommen oder ihre Forderungen in Anteile an der neuen Kirch-Media umwandeln zu können.

So finden sich unter den vier Bietergruppen, die Angebote zwischen 1,6 und zwei Milliarden Euro für die Filmproduktions- und Rechtehandelsgesellschaft (ohne das Sportgeschäft) abgegeben haben, auch viele Gläubiger wieder. Zum Beispiel die Commerzbank, die zusammen mit dem Hollywood-Studio Columbia (Sony) für Kirch bietet. Oder die Hypo-Vereinsbank, die – im Bündnis mit Bauer-, Springer- und Spiegel-Verlag – seit dieser Woche mit einem neuen Angebot wieder im Rennen ist. Aber auch die Gesellschafter der alten Kirch-Media, die Investmentbank Lehman Brothers, der Handelskonzern Rewe und der saudische Prinz Al-Waleed, bieten mit. Und ein Konsortium aus dem französischen TV-Sender TF1 und dem US-Milliardär Haim Saban.

Neun Mitglieder des Gläubigerausschusses entscheiden, wer den Zuschlag erhält: Vertreter der größten Gläubigerbanken Bayerische Landesbank, Hypo-Vereinsbank, Commerzbank und DZ Bank, Gesandte des Columbia-Studios und des Disney-Konzerns, zwei Anwälte von Versicherungen und Horst Piepenburg, Sanierungsexperte und Vorstandschef der insolventen Babcock-Borsig AG. Zwar hat sich der Ausschuss, dem am vergangenen Mittwoch „offiziell“ verbindliche Angebote der Konsortien zur Prüfung vorlagen, 14 Tage bis zur Verkündung einer Lösung gegeben. Beobachter bezweifeln jedoch, dass die komplexen Zahlen bis dahin ausgewertet sind. Bis in den November werde sich das Endlos-Rennen um die Kirch-Reste wohl noch hinziehen, heißt es.

Schon im Sommer hatte es immer wieder „heiße Phasen“ und „letzte Runden“ im Bieterverfahren gegeben, zwei Mal musste unlängst ein offizieller Annahmeschluss für verbindliche Angebote verschoben werden. „Die Angebote entsprechen voll unseren Erwartungen“, freute sich vor zehn Tagen schon ein Kirch-Sprecher, obwohl zu diesem Zeitpunkt, so sagen Insider, noch keine einzige verlässliche Offerte auf dem Tisch lag.

„Die Insolvenzverwalter erinnern an Karl Valentin“, macht sich der frühere RTL-Chef Helmut Thoma lustig. „Sie lassen eine verbindliche Frist nach der anderen verstreichen, mit der Begründung, so verbindlich sei das alles nicht gewesen – das ist lächerlich.“

Doch auch in den Bietergruppen rumort es. So birgt das Verlagskonsortium der konkurrierenden Verlage Bauer, Springer und Spiegel publizistischen Sprengstoff. Außerdem dürfte dem Axel Springer Verlag, der noch 11,5 Prozent an der ProSieben Sat1 Media AG hält und der vor einer millionenschweren Übernahme des Schweizer Ringier Verlags steht, das Geld für ein größeres Engagement bei Kirch-Media langsam ausgehen.

Thoma, dem nachgesagt wird, er stehe dem Verlagskonsortium um die Hypo-Vereinsbank als Manager zur Verfügung, dementiert solche Absichten: „Ich gehöre als ehemaliger Fernsehmacher zu den üblichen Verdächtigen“, sagte er dem Tagesspiegel am Sonntag. „Gefragt hat mich noch keiner.“ Bauer und Co. hätten aber derzeit die besten Chancen im Bieterkampf. Die anderen Konsortien wollten nur ihr Geld, ohne ein Konzept für Kirch-Media zu haben. Doch Fernseh-Routinier Thoma warnt: „Wir sollten nicht das Fell eines Bären verteilen, der noch gar nicht zur Welt gebracht wurde.“

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