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Wirtschaft: Kirch will mit Friede Springer abrechnen

Hauptversammlung soll Schadenersatz prüfen / Widerstand in der Schweiz gegen Verbindung mit Ringier

Berlin/Genf (fo/jdh). Leo Kirch startet am Dienstag wohl einen letzten Versuch, Einfluss auf die Zukunft des Axel-Springer-Verlags zu nehmen. Zwar darf der Münchener Filmhändler laut Gerichtsbeschluss seit Freitag nicht mehr über seine Springer-Aktien verfügen – das kann jetzt die Deutsche Bank. Doch hatte Kirch schon vor Wochen eine außerordentliche Springer-Hauptversammlung in Berlin durchgesetzt. Das Springer Management zierte sich lange, musste dann dem Drängen aber nachgeben. Immerhin war Leo Kirch bis vor wenigen Tagen mit 40 Prozent zweitgrößter Aktionär.

Kirch und seine Anwälte wollen beweisen, dass Friede Springer zum Nachteil des börsennotierten Verlags in die Geschäfte eingegriffen hat – vor allem im Fall des TV-Senders Pro Sieben Sat 1, an dem Springer wie Kirch beteiligt sind. Kirch fordert eine Sonderprüfung der Vorgänge und Schadenersatz. Er wirft der Verlegerin Friede Springer und dem Vorstand vor, mit der ausgesprochenen Verkaufsoption für seine 11,5-prozentige Senderbeteiligung den Niedergang seines Medienimperiums ausgelöst - aber eben auch zum Schaden des Springer-Verlags gehandelt zu haben. Die Sonderprüfung soll auch klären, ob „Friede Springer den Vorstand zu diesem interessewidrigen Handeln bestimmt oder beeinflusst“ hat. Die Forderungen nach Schadenersatz richten sich gegen die Verlegerin wie gegen „sämtliche gegenwärtige Mitglieder des Vorstands“.

Denn Kirch unterstellt im Zusammenhang mit dem Streit um den TV-Sender, dass Friede Springer unbedingt eine Einigung zwischen Kirch und dem Springer-Management verhindern wollte. Die erneute Hauptversammlung soll die Weichen dafür stellen, diese massiven Vorwürfe zu prüfen.

Leo Kirch war fast 15 Jahre Springer-Großaktionär. Am Ende will er abrechnen. Während Friede Springer am Dienstag ihren Kontrahenten aus München im Berliner Verlagshaus trifft, bahnt sich in der Schweiz Widerstand gegen eine Verbindung des Berliner Verlagshauses mit dem Medienhaus Ringier an. Die beiden Verlage arbeiten an einer Überkreuzbeteiligung: Die Deutsche Bank gibt Teile ihres 40-Prozent-Pakets (Ex-Kirch) an Ringier ab, Springer beteiligt sich im Gegenzug an dem Züricher Verlag.

Diese mögliche Fusion löst bei einigen Schweizer Politikern tiefes Unbehagen aus. Bundesrat Moritz Leuenberger, der im Berner Kabinett für Medien zuständig ist, sprach von einem „Kulturschock" für die Eidgenossenschaft, falls Springer einen beherrschenden Einfluss auf den größten Schweizer Verlag ausüben sollte. Ringier, meint Leuenberger, zeichne sich durch soziales Verantwortungsbewusstsein und Minderheitenschutz aus. Er äußerte Zweifel, ob Springers „rechtskonservative Linie" mit Ringiers Ausrichtung kompatibel sei.

Leuenbergers Parteifreund von den Sozialdemokraten, Rudolf Strahm, will nach eigener Aussage die mögliche Verzahnung der beiden Verlags-Schwergewichte „zu einem politischen Thema" machen. „In den nächsten beiden Sitzungswochen des Parlaments sollte das auf jeden Fall zur Sprache kommen", sagte der Wettbewerbsexperte. Ein Zusammenschluss Springers mit Ringier sei eine „Katastrophe". Der einflussreiche Abgeordnete übt massive Kritik am Springer-Verlag: „Das ist eine nationalistische Institution, die rücksichtslos Auflage bolzt." Die von der Bild-Zeitung betriebene „Ausländerhetze" passe nicht in die politische Landschaft der Eidgenossenschaft, wo die Bürger über brisante Themen wie Ausländerzuzug oder Einbürgerung abstimmen.

Auch in Schweizer Medien wird die Diskussion um eine Fusion Springer-Ringier kritisch beobachtet. Die Sonntagsausgabe der dezidiert liberalen „Neuen Zürcher Zeitung“ warnt: „Direkte politische Implikationen können nicht ausgeschlossen werden."

Springer und Ringier haben ihre Gespräche über eine mögliche Verbindung der beiden Verlagshäuser seit dem Streit mit Kirch intensiviert. Nach Angaben aus Verhandlungskreisen soll Springer Ringier zu hundert Prozent übernehmen. Mit dem Erlös erwirbt Ringier dann wiederum den Großteil des Aktienpakets von Kirch. Ringier soll 35 Prozent bekommen, die Verlegerwitwe Friede Springer fünf Prozent, mit denen sie sich die Kontrolle bei Springer sichern will, heißt es weiter. Gemeinsam erwirtschaften Springer und Ringier einen Umsatz von 3,5 Milliarden Euro. Ein Scheitern der Verhandlungen wird aber unter anderem wegen Bewertungsfragen nach wie vor nicht ausgeschlossen.

Das Münchner Landgericht hatte einen weiteren Aufschub für den Verkauf des Springer-Pakets durch Leo Kirch selbst abgelehnt. Die Beteiligung fiel damit an die Deutsche Bank, der die Aktien als Sicherheit für einen Kredit über 720 Millionen Euro dienten. Die Bank hatte im Vorfeld betont, die Aktien nur im Einvernehmen mit Verlegerin Friede Springer weiter zu verkaufen.

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