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Mütter werden gebraucht - auch in der Arbeitswelt.

© Illustration: Rudie - Fotolia

Kitas, Geld, Partnerschaft: Mütter werden in der Wirtschaft gebraucht

Frauen sollen mehr arbeiten können - da sind sich Politik und Wirtschaft einig. Und die Familienministerin wirbt für die stärkere Einbindung von Männern in die Erziehung.

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Die Eisengießerei Duktil Guss in Fürstenwalde hat rund 240 Beschäftigte, davon ein Viertel Frauen. „Nachdem vier oder fünf werdende Mamas bei mir saßen, habe ich mir Gedanken gemacht“, erinnert sich Personalleiterin Marianne Gerwin. Und aus den Gedanken wurden Taten. Für ein paar hunderttausend Euro, davon ein Großteil Fördermittel, baute das Unternehmen vor zwei Jahren eine Kita mit 40 Plätzen auf dem Firmengelände. Ein Werkstoffprüfer, der in NRW sein Diplom gemacht hat, „ist zurückgekommen und hat ein Kind mitgebracht“, freut sich Gerwin. Das ist der Sinn der Sache: Mitarbeiter im Betrieb halten und neue Leute leichter gewinnen, weil man Kinderbetreuung anbieten kann.

„Ziel muss es sein, Müttern, die dies wollen, eine vollzeitnahe Beschäftigung zu ermöglichen und längere Erwerbsunterbrechungen weiter zu reduzieren“, sagt Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer. Für ihn steht der Ausbau einer „qualitativ hochwertigen Kinderbetreuung sowie von Ganztagsschulen“ ganz oben auf der Prioritätenliste. „Es darf nicht sein, dass Frauen wegen fehlender staatlicher Rahmenbedingungen nicht in dem Umfang arbeiten können, wie sie es wollen.“ Die Unternehmen seien da schon weiter, „fast alle“ würden flexible Arbeitszeiten anbieten, bei der Kinderbetreuung helfen und den Wiedereinstieg nach familiär bedingten Auszeiten erleichtern, meint der Arbeitgeberpräsident. Von staatlichen Vorgaben für die Firmen hält er weniger. Schon kurz nach ihrem Amtsantritt hatten Familienministerin Manuela Schwesig und Arbeitsministerin Andrea Nahles (beide SPD) angekündigt, dass sie gemeinsam eine familienfreundliche Arbeitskultur schaffen wollen. „Wir werden Gesetze erlassen, aber natürlich auch gesellschaftliche Partner gewinnen“, kündigte Schwesig im Januar an. „Und wir werden an Unternehmen Forderungen stellen.“ Nach ihrem Leitbild der „Partnerschaftlichkeit“ sollen von einer neuen Arbeitskultur vor allem Mütter profitieren, denn sie schränken ihre Erwerbstätigkeit bislang noch weit häufiger als Väter zugunsten der Erziehungsarbeit ein. Und tun sich oft schwer, in den Job zurückzukehren. Rund die Hälfte der Frauen, die derzeit eine Familienpause machen, zieht es zurück in den Beruf.

Die Familienministerin will die Elternzeit flexibler gestalten

Bislang hat die Politik die Zahl der Ganztagsschulen ausgebaut, die Betreuungsmöglichkeiten für Kleinkinder erweitert und mit dem Elterngeld Anreize geschaffen – wenn beide Partner zugunsten der Erziehungsarbeit beruflich aussetzen, gibt es länger Geld. Daran anknüpfend wollen die Ministerinnen neue Instrumente schaffen. Schwesig hat kürzlich Eckpunkte für eine flexibler gestaltete Elternzeit („Elterngeld Plus“) vorgelegt. Danach sollen Mütter und Väter künftig bis zu 28 Monate Elterngeld beziehen können, wenn sie nebenher Teilzeit arbeiten. Bisher gab es beim Elterngeld maximal 14 Monate lang Geld.

Wenn beide Partner ihre Arbeitszeit reduzieren, soll es einen Bonus geben. Die neue, flexiblere Regelung soll im Juli 2015 kommen und etwa 100 Millionen Euro zusätzlich kosten. Anders als bisher müssen Eltern dann nicht mehr die Genehmigung ihrer Arbeitgeber einholen.

Arbeitsministerin Nahles möchte im Herbst Eckpunkte für einen Rechtsanspruch auf Rückkehr von Teilzeit auf Vollzeit vorlegen. Damit reagiert Nahles auf die Erfahrung vieler Frauen, die mit Teilzeit nicht nur finanzielle Nachteile erleiden, sondern in einer beruflichen Sackgasse landen. Bislang hatten sie oft keine Chance, in Vollzeit zurückzukehren.

Auch wegen des Ausbaus der öffentlichen Betreuungseinrichtungen stieg die Zahl berufstätiger Mütter in den vergangenen Jahren an. Seit 2006 erhöhte sich die Erwerbstätigenquote der Mütter mit minderjährigen Kindern von 60 auf 66 Prozent. Aber mehr als 45 Prozent der Frauen arbeiten in Teilzeit, sie kommen im Schnitt nur auf 18,7 Stunden die Woche. Im EU-Mittel sind es immerhin 20,2 und in Schweden sogar 25 Stunden.

Paare wünschen sich eine gerechtere Aufgabenteilung

Mehrfach hat Schwesig deutlich gemacht, dass sie das Elterngeld Plus nur als Zwischenschritt hin zu einer neuen Regelarbeitszeit für Familien sieht. Ihre Vision ist die „Familienarbeitszeit“. Danach soll Vollzeit für Eltern mit kleinen Kindern etwa nicht mehr 40, sondern 32 Stunden betragen. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat zwar klargestellt, dass sie in dieser Legislaturperiode kein Steuergeld lockermachen will, um Verdienstausfälle solcher Eltern zu kompensieren. Mit der Idee an sich habe sie aber kein Problem, versicherte die Kanzlerin.

Schwesig erläuterte ihren Ansatz vor ein paar Tagen im Wissenschaftszentrum Berlin. Rund 60 Prozent aller beschäftigten Paare würden gerne partnerschaftlich arbeiten, aber nur 14 Prozent bekämen das auch umgesetzt. Die Familienministerin will das ändern und macht dazu eine einfache Rechnung auf: Heute würden Männer mindestens 40 Stunden die Woche arbeiten, Frauen knapp 19 Stunden. „Jeder zweite junge Vater will aber runtergehen“, sagt Schwesig und kommt nun mit der Idee, die Arbeitszeiten anzugleichen. Wenn beide jeweils 32 Stunden arbeiten, erhöhte sich die Arbeitszeit und das Fachkräftepotenzial der Frauen würde mobilisiert. Das ist ganz im Sinne von Arbeitgeberpräsident Kramer: „Deutschland kann es sich in Zeiten des zunehmenden Fachkräftemangels nicht leisten, auf die Arbeitskraft gut ausgebildeter Frauen zu verzichten.“

Auch nicht in der Fürstenwalder Gießerei Duktil. Die mittelständische Firma betreibt die Kita selbst, von sechs bis 18 Uhr werden die Kinder betreut. Das Unternehmensnetzwerk Motzener Straße im Süden Berlins hatte anfangs sogar Kitazeiten bis 23 Uhr, doch es gab keinen Bedarf am Abend. Gut 60 Unternehmen engagieren sich in dem Netzwerk, zu dem seit drei Jahren die Kita gehört. „Die hat uns bei der Personalbeschaffung sehr geholfen“, sagt Netzwerk-Vorstand Rainer G. Jahn. 60 Plätze stehen in der Kita zur Verfügung. Der Betreiber überlegt nun, das Angebot zu erweitern: um die Pflege von Familienangehörigen – ein Thema, das immer mehr Beschäftigte umtreibt.

Informations- und Beratungsangebote sowie ein Modellrechner unter www.perspektive-wiedereinstieg.de

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