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Wirtschaft: Kleinkariert und knauserig?

Im Morgengrauen des 1.Januar 2000 wird in Berlin Grunewald eine teure Nacht zu Ende sein - eine sehr teure Nacht.

Im Morgengrauen des 1.Januar 2000 wird in Berlin Grunewald eine teure Nacht zu Ende sein - eine sehr teure Nacht.100 000 US-Dollar wird ein steinreicher Gast des Schloßhotels Vier Jahreszeiten bezahlt haben, um in der Lagerfeld-Suite der Nobelherberge die letzten Stunden des 20.Jahrhunderts verbringen zu können.Eine Limousine mit Chauffeur, ein persönlicher Butler und ein "Millenium-Concièrge", der Fragen zum Jahrtausendwechsel beantwortet und Sonderwünsche erfüllt, werden dem Gast zu Diensten sein und für Komfort der Extraklasse sorgen.

Die Party für die Superreichen hat sich die Hotelkette Ritz Carlton ausgedacht.Ein "ultimate experience" für die Nacht der Nächte, das weltweit jeweils einmal in 36 Luxus-Häusern des Konzerns gebucht werden kann.Kurz vor Weihnachten wurde auch das Berliner "Vier Jahreszeiten", das künftig "The Ritz Carlton Schloßhotel Berlin" heißt, in das Programm aufgenommen."Das 100 000-Dollar-Paket wird in Berlin ein Highlight der Silvesternacht 2000 sein", versichert Pressechefin Marion Schumacher.Keine Frage, auf den zahlenden Gast wartet Pomp und Glamour im Überfluß: Zur Begrüßung wird eine 18karätige Bulgari-Uhr gereicht, in der Zimmerbar lagern Magnum-Flaschen feinsten Champagners nebst Kristallgläsern.Eine Silvester-Gala stimmt den 100 000-Dollar-Gast auf den Jahreswechsel ein, Höhepunkt des Abends wird ein "Diner an einem ganz besonderen Ort in Berlin" sein, wie Marion Schumacher andeutet.Mehr verrät sie nicht, der Fantasie seien aber keine Grenzen gesetzt.Zwei Ritz-Carlton-Hotels seien für den Jahreswechsel 1999/2000 vollständig ausgebucht, erzählt Pressechefin Schumacher.Im 54 Zimmer zählenden "Vier Jahreszeiten" sind zwar noch Plätze frei, die Liste der Vorbestellungen ist aber lang.

Der Andrang wird überall groß sein, wenn in Berlin die Jahrhundertnacht gefeiert wird.Der Senat, die privaten Veranstalter, Hotels- und Gaststätten und die Tourismuslobby stecken mitten in den Vorbereitungen für die Massen-Party an der Spree."70 bis 80 Prozent der Drei- bis Vier-Sterne-Hotels sind schon für die Silvesternacht ausgebucht, im Fünf-Sterne-Bereich gibt es lange Wartelisten", erklärt Karl Weißenborn, Hauptgeschäftsführer der Hotel- und Gaststätteninnung.Je pompöser das Angebot und zentraler die Lage, desto voller und teurer die Häuser.Allein das Hotel Adlon führt nach Auskunft von Sprecherin Ulrike Heesch rund 1100 Personen auf der Warteliste.Drei Nächte für zwei Personen kosten im ersten Haus am Platze zum Jahreswechsel zwischen 8700 und 11 790 DM, inklusive Silvester-Gala und -Menu, Getränken und sonstigen Vergnügungen.Spitzenpreise, die die Ausnahme sein werden, glaubt Weißenborn."Wir bleiben auf dem Teppich."

Über Geld, vor allem aus den Kassen des Landes Berlin, wird anderswo heftig gestritten.Die Entscheidung des Abgeordnetenhauses, weniger als 13 Mill.DM für das offizielle Kultur-Programm auszugeben, stößt vor allem bei Ulrich Eckhardt, Intendant der Berliner Festspiele und Senats-Beauftragter für die Vorbereitung der Millenium-Feiern, auf Unverständnis.Im Wettstreit der Metropolen gebe sich Berlin kleinkariert und knauserig, heißt es.Paris und London zögen mit ganz anderen Summen in die Silvester-Schlacht.Vier Mrd.DM in London, eine Mrd.in Paris, hat Bernd Buhmann, Sprecher der Berlin Tourismus Marketing GmbH, ausgerechnet."Franzosen und Briten verstehen das im Gegensatz zu uns als nationales Ereignis." Der Sparzwang des Senats sei verständlich, die Außenwirkung aber fatal."Die Sponsoren, die wir dringend brauchen, halten ihre Budgets zurück, weil es keine wirklich großen Vorhaben zu finanzieren gibt", sagt Buhmann.Auch Reiseveranstalter hätten es leichter, Touren an die Themse oder die Seine zu organisieren.Neben Handicaps zählt Buhmann aber doch einen Vorteil Berlins auf: Große Teile der Kultur-Feierlichkeiten seien ungeachtet der Finanzstreitigkeiten schon heute bekannt und vermarktbar.

Neben zahlreichen Ausstellungen und Veranstaltungen, die unter der Überschrift "Das Neue Berlin" schon ab Mai stattfinden werden, können Berliner und Gäste in der letzten Nacht des Jahres unter anderem zwischen einem großen Kunstfest am Kulturforum sowie mehreren Galas in Theater-, Kabarett- und Variete-Häusern wählen.

Das ganz große Remmidemmi aber wird - wie schon in den Jahren zuvor - am Brandenburger Tor erwartet.Herr über den Pariser Platz und die gigantische Partymeile vom Alex bis zur Siegessäule ist Willi Kausch, Geschäftsführer der Silvester in Berlin Veranstaltungen GmbH (SiB).Seit 1995 organisisert Kausch den Jahreswechsel rund um die Quadriga.In diesem Jahr soll die Generalprobe für das große Event zur Jahrtausendwende stattfinden.Neben dem Ärger, den Kausch stets wegen Sicherheitsfragen mit den Bezirken Tiergarten und Mitte hat, kommen 1999/2000 immense Kosten auf den Party-Experten zu.Mit Unterstützung großer Sponsoren und der exklusiven Fernseh-Vermarktung durch SAT 1 will der Unternehmer, der im Hauptberuf große medizinische Kongresse organisiert, die Millionen-Investition wieder einspielen."Das Investitionsvolumen für die Party zum Jahrtausendwechsel beträgt insgesamt 12 Mill.DM", rechnet er vor.Allein für die Sicherheit müssen 250 000 DM einkalkuliert werden.Die Reinigungskosten werden sechsstellig sein.Bis heute seien fünf Mill.DM "unter Dach und Fach".Sogenannten Gold- und Platin-Partnern räumt Kausch zum Preis von 250 000 bis einer Mill.DM Vermarktungsrechte ein, zum Beispiel am Party-Logo "Welcome 2000".Unter Vertrag stehen neben SAT 1 schon einige Sekt-Hersteller und Swatch."Die wollen am Brandenburger Tor eine große Uhr aufstellen, die den Count-Down einläutet." Unermüdlich zählt Kausch Programm-Highlights auf: ein Riesenrad am sowjetischen Ehrenmal, eine VIP-Gala vor dem Reichstag, DJ-Türme an den großen Kreuzungen, Lichtdesign aus den USA.Emotionen gelte es zu wecken, die dem Ereignis gerecht werden, meint der Jahreswende-Profi."Das Event `Welcome 2000Ô ist plaziert.Berlin wird ausgebucht sein."

Wer die vollen Plätze meiden, aber trotzdem im Zentrum des Geschehens feiern will, sollte auf Berlins Wasserstraßen ausweichen.Die Stern und Kreis Schiffahrt GmbH hat sich erst kürzlich entschlossen, zehn ihrer Ausflugsdampfer in der Silversternacht in Dienst zu nehmen.Für "300 bis 400 DM pro Person", so Verkaufsmitarbeiter Ines Gerstenberg, können noch Tickets für Fahrt, Buffet und Getränke gelöst werden.Von Tegel, Wannsee und Treptow aus setzen sich die Kähne am 31.Dezember 1999 in Bewegung, um Mitternacht erreichen sie das Stadtzentrum, wo die wahrscheinlich heißeste Party Deutschlands ihrem explosiven Höhepunkt entgegentaumelt.

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