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Nur zwei Grad mehr. Das ist das Ziel der Aktivisten, die vor wenigen Tagen vor dem Brandenburger Tor demonstrierten. Denn wenn nichts passiert, steigt die globale Durchschnittstemperatur um vier Grad: durchaus angenehm im Berliner Winter, aber fatal für die Welt.

© dpa

Klimagipfel-Bilanz: Kyoto-Protokoll gerettet und den Bali-Plan beendet

Die Weltklimakonferenz in Doha hat wenig Konkretes gebracht. Aber es gibt einen Fahrplan für weitere Verhandlungen. Nun zieht die Experten-Karawane weiter.

„Wir haben jetzt das Verhandlungsmandat. Wichtig ist, dass wir das auch zum Erfolg bringen!“ Mit diesen Worten hat der Bundesumweltminister das Ergebnis der Weltklimakonferenz gelobt. – Das war 2007, der Minister hieß Sigmar Gabriel, heute SPD-Vorsitzender. Vor fünf Jahren war auf Bali beschlossen worden, einen neuen Weltklimavertrag auszuarbeiten. Gabriels Nach-Nachfolger hat nun in Doha fast die selben Worte benutzt. 24 Stunden nach Konferenzende erklärte Peter Altmaier (CDU), er sei froh, dass es ein Verhandlungsmandat gebe. „Die Weichen für ein neues, weltweites Abkommen sind gestellt.“ Das Mandat habe Substanz, was sich auch an der Zustimmung der besonders vom Klimawandel bedrohten Inselstaaten der AOSIS-Gruppe ablesen lasse.

Tatsächlich ist die Welt der Klimadiplomaten nicht nur rhetorisch zurück ins Jahr 2007 gefallen: Damals hatte der Gipfel in Indonesien beschlossen, Verhandlungen darüber zu führen, wie ein neuer Klimavertrag zustande kommen kann. 2009 sollte dieser Vertrag in Kopenhagen auf der Klimakonferenz unterzeichnet werden, was bekanntlich scheiterte. Das Verhandlungsmandat von Bali war damit aber nicht vom Tisch, es war immer weiter verlängert worden und galt nun auch noch in Doha.

Wichtigste Aufgabe der Klimadiplomaten war deshalb in Katar, die in Bali angeschobenen Verhandlungen endlich zu beenden. Vor allem die Entwicklungsländer legten Wert auf das Bali-Mandat, es beinhaltete Finanzverhandlungen, die klären sollen, wie die Industriestaaten ihre Klimaschuld im Süden abbezahlen. 80 Prozent der vom Menschen verursachten Treibhausgase stammen aus den Schloten der Industrienationen. Die Länder des Südens leiden aber bereits heute deutlich stärker unter der Erderwärmung. Die Weltbank hatte 2008 einen Finanzbedarf von jährlich 100 Milliarden Dollar ermittelt, den der Süden ab 2020 hat, um sich an die Folgen anzupassen.

Und der Norden hatte seine Schuld auch prinzipiell eingestanden. In Kopenhagen war deshalb eine Anschubfinanzierung beschlossen worden: 30 Milliarden Dollar in den Jahren 2010 bis 2012. Dieser Anschub läuft zum Jahresende aus. Die Entwicklungsländer forderten nun das Doppelte in den nächsten drei Jahren: 60 Milliarden Dollar. Zwar sagten etliche Staaten Europas Mittel zu – insgesamt acht Milliarden Dollar jährlich. Die Entwicklungsländer mussten sich im Vertragswerk schließlich aber mit einer weichen Formulierung begnügen, die keinerlei Zahlen enthält. In der entsprechenden Vertragspassage werden die Industriestaaten dazu „ermutigt“, ihre Klimafinanzierung zu erhöhen. Außerdem sind sie angehalten, bei der kommenden Klimakonferenz „Informationen über ihre Strategien und Ansätze zur Mobilisierung der 100 Milliarden Dollar“ vorzulegen.

Im Gegenzug kamen die Entwicklungsländer den Europäern beim Kyoto-Protokoll entgegen: Beschlossen wurde eine zweite Verpflichtungsperiode, die am 1. Januar beginnen soll und bis 2020 läuft. Notwendig war diese zweite Vertragsperiode geworden, weil die Väter und Mütter des Kyoto-Protokolls bei dessen Verabschiedung 1997 nicht wussten, ob das seinerzeit verabredete Reduktionsminus von acht Prozent gegenüber dem Basisjahr 1990 ausreichen würde, um den Klimawandel auf ein erträgliches Maß zu begrenzen. Spätestens 2012 sollte das Ziel überprüft und angehoben werden.

Als völlig unzureichend kritisierten die Entwicklungsländer dagegen das Ziel der EU: minus 20 Prozent, die mit den bereits beschlossenen EU-Maßnahmen faktisch spätestens 2014 erreicht sein werden. Schon nach der Klimakonferenz von Cancún 2010 hatten deshalb die damaligen Umweltminister Großbritanniens, Deutschlands und Frankreichs gemeinsam die EU aufgefordert, ihr Klimaziel auf mindestens 30 Prozent anzuheben. Das aber scheiterte bis heute an Polens Veto. Die EU, die sich gern als Vorreiter feiert und als Motor der Klimaverhandlungen sieht – in Doha waren die Europäer bis zum Schluss die Bremser.

Das Kyoto-Protokoll gerettet und den Bali-Plan beendet – damit machten die Klimadiplomaten den Weg für das neue Mandat frei: Bis 2015 soll nun ein Vertragswerk entstehen, das dann erstmals ab 2020 allen Staaten der Welt Reduktionspflichten auferlegt. Dass es so kam, ist wohl am Ende vor allem Abdullah bin Hamad Al-Attiyah und seinem kleinen Hammer zu verdanken. „Ich habe das jetzt so entschieden“, rief der katarische Präsident des Klimagipfels den Delegierten zu, schaute nicht in die Runde, übersah so den Einspruch Russlands und ließ den Hammer runtersausen. Klack, Kyoto-Protokoll bis 2020 verlängert. Klack, Arbeitsprogramm für den ab 2020 geplanten Weltklimavertrag angenommen. Klack, Zusagen für Klimaschutzhilfen in Milliardenhöhe beschlossen. Erstaunen. Applaus. Protest Russlands. „Ich habe viel Zeit. Ich kann hier ein Jahr mit Ihnen sitzen“, hatte er noch am Freitag wissen lassen. Doch dann wurde es Abend und wieder Morgen und wieder Abend. Seine Kompromissvorschläge drohten zerrieben zu werden. Als schon ein Aus für die Verlängerung des Kyoto-Protokolls drohte, weil Russland blockierte, holte Al-Attiyah den Hammer raus und rettete den Prozess.

Insofern ist Peter Altmaier doch ein bisschen weiter als Sigmar Gabriel seinerzeit: Damals wurden nur den Industriestaaten Reduktionsverpflichtungen auferlegt. Nur: Trotz des Kyoto-Protokolls gibt es heute 40 Prozent mehr Treibhausgase in der Atmosphäre. Die USA machen bei Kyoto nicht mit, große Emittenten wie Russland, Japan, Kanada und Neuseeland sind aus dem Vertrag ausgestiegen. Die Länder, die jetzt noch nach dem Kyoto-Protokoll ihre Reduktionen mindern, sind nur für 17 Prozent der weltweiten Emissionen verantwortlich. Insofern hat Doha wenig für das Weltklima geleistet, aber die Klimadiplomatie gerettet: Jetzt soll gelingen, was 2009 in Kopenhagen kläglich scheiterte. Nächster Stopp ist 2013 in Polen, ausgerechnet. mit dpa

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