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Nicht nur die Deutsche Bahn. Beim Schienenverkehr wollen auch die Wettbewerber mitgedacht werden.

© Christoph Hardt / Imago

Klimaschonende Mobilität: „Schienenverkehr muss Priorität haben!“

Verbände fordern von der künftigen Regierung klares Bekenntnis zur Bahn – und mehr Wettbewerb.

Wie kann die Verkehrswende hin zu klimaschonender Mobilität gelingen? Für die Bahnverbände Mofair und das Netzwerk Europäischer Eisenbahnen (NEE) gibt es vor allem einen Königsweg: Der Schienenverkehr muss ohne Wenn und Aber klare Priorität bekommen. Diese Forderung an die künftige Bundesregierung steht im neuen Wettbewerbsreport ganz oben, den die Verbände am Montag in Berlin präsentierten.
Eine weitere Botschaft an die nächste Regierung: Das System Schiene ist längst viel mehr als die Deutsche Bahn AG und deren Probleme. Alle Anbieter sollten von der Politik gleichberechtigt behandelt werden, betonen die Verbände, in denen sich nach der Bahnreform 1994 die zahlreichen Konkurrenten des Staatskonzerns im Fern-, Regional- und Güterverkehr organisiert haben. Deren oberstes Ziel: fairer Wettbewerb auf der Schiene und zwischen den Verkehrsträgern.

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Und sie fühlen sich durch die jüngsten Entwicklungen gestärkt. Trotz der Corona-Krise haben die Wettbewerber der Deutschen Bahn AG überwiegend weitere Marktanteile gewonnen. Die Güterbahnen, die in Konkurrenz zur DB Cargo fahren, beziffern ihren Anteil an der Verkehrsleistung auf 57 Prozent. Im Regionalverkehr stellten die Konkurrenten der DB Region voriges Jahr 41 Prozent des Angebot. Nur im Fernverkehr beherrscht der Staatskonzern mit seiner ICE- und Intercity-Flotte den Markt zu 99 Prozent noch weitgehend.

Die Schiene soll Priorität haben

Die Wettbewerbsprobleme im Schienenverkehr habe die bisherige Bundesregierung von CDU, CSU und SPD „überhaupt nicht angetastet“, kritisierte Ludolf Kerkeling, NEE-Vorsitzender. Man hoffe, dass eine Ampelkoalition mit Grünen und FDP „der Schiene Priorität einräumt und sich dabei nicht auf die bundeseigene DB verlässt“.

Der Report listet zahlreiche konkrete Vorschläge auf, was aus Sicht der Anbieter in der 20. Legislaturperiode getan werden sollte. Ein drängendes Problem: die Bewältigung der Coronakrise, die allen Bahnunternehmen teils existenzgefährdende Einbrüche bescherte, weil Fahrgäste und Fracht ausblieben. Die Forderung: Der ganzen Branche muss weiterhin geholfen werden, vor allem mit aufgestockten Zuschüssen für den Regionalverkehr. Und die neue Regierung solle auf Sonderbehandlung des DB-Konzerns verzichten.

Die Wettbewerber wünschen sich zweierlei

Was ist für die Verkehrswende zu tun? Die DB-Wettbewerber wünschen sich vor allem zwei Maßnahmen von der neuen Regierung: Dem Auto- und Flugverkehr sollten endlich die wahren externen Kosten für Unfälle und Umweltbelastung angelastet und überdies die bisherigen „geschlossenen Finanzierungskreisläufe“ aufgegeben werden. Das bedeutet, dass zum Beispiel Einnahmen aus der Lkw-Maut zur Verlagerung von Verkehr auf die Schiene eingesetzt werden.

Ein Kernproblem ist die überlastete Infrastruktur. Die Mittel für Neu- und Ausbau des bundeseigenen Schienennetzes sollten rasch von bisher zwei auf mindestens drei Milliarden Euro pro Jahr erhöht werden, fordern Mofair und das NEE. Engpässe sollten systematisch erfasst, Planung und Ausbau beschleunigt und ein staatlicher Investitionsfonds nach Schweizer Vorbild geschaffen werden.
Weitere Forderung: Die Schieneninfrastruktur sollte künftig gewinnfrei und unabhängig vom DB-Konzern betrieben werden. Dazu müsste die DB Netz AG aus der Holding herausgelöst und der Konzern entflochten werden, was jedoch die Konzernspitze, die Gewerkschaft EVG und die SPD verhindern wollen.

Bahnhöfe nutzen ist teuer

Auch die hohen Entgelte an die DB Netz AG für die Nutzung von Gleisen, Bahnhöfen und Energie bleiben ein Streitpunkt. Die Verbände fordern, dass künftig deutlich weniger Kosten der DB-Tochter in die Berechnung der Entgelte einfließen. Weiteres Ärgernis: Bisher müssen Regionalbahnen auch dann Strafen an ihre Auftraggeber in den Bundesländern zahlen, wenn Verspätungen durch Mängel der Infrastruktur verursacht werden, für die oft die DB Netz verantwortlich ist. Hier sollten die Risiken fair verteilt werden, so die Verbände, also Unternehmen nur belangt werden, wenn sie schlechte Leistung selbst zu verantworten haben. Die Güterbahnen hoffen, dass die Lkw- Maut ausgeweitet und auf Begünstigungen des Straßenverkehrs bei neuen Antrieben verzichtet wird.

Thomas Wüpper

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